Parteivorsitz:Wie die Landesverbände der CDU die Merkel-Nachfolge diskutieren

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Die einen sehen in Annegret Kramp-Karrenbauer eine Figur der Kontinuität, die anderen Friedrich Merz als geeigneten Merkel-Widersacher. Der künftige Parteivorsitz bewegt die CDU-Landesverbände. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)
  • Wer auf Angela Merkel als Parteivorsitzende folgen soll, ist derzeit wohl nur in der CDU im Saarland entschieden. Dort ist Annegret Kramp-Karrenbauer äußerst beliebt.
  • In den anderen Landesverbänden der Christdemokraten gehen die Meinungen auseinander. In Hessen macht Volker Bouffier keinen Hehl aus seiner Sympathie zu Kramp-Karrenbauer, doch auch Friedrich Merz ist er eng verbunden.
  • Besonders delikat ist die Situation für Armin Laschet in NRW: Er ist flügelpolitisch gesehen Kramp-Karrenbauer ähnlicher, Merz und Spahn kommen aber aus seinem Landesverband.

Von Susanne Höll, Ulrike Nimz, Stefan Braun, Peter Burghardt und Jan Bielicki

Wer anstelle von Angela Merkel an die Spitze der Partei treten soll, ist in einem Landesverband der CDU längst entschieden: Im Saarland sind sich die Christdemokraten sehr einig, wen sie als neue Bundesvorsitzende sehen wollen. Annegret Kramp-Karrenbauer soll es werden, ohne Zweifel. Schließlich war sie Ministerpräsidentin in Saarbrücken und ist äußerst beliebt daheim. Wenn es eine Saarländerin zur Chefin der Bundes-CDU brächte, später womöglich noch in hohe Staatsämter - Stolz und Jubel im Südwesten wären grenzenlos.

Auch der neue Ministerpräsident und CDU-Landeschef Tobias Hans favorisiert Kramp-Karrenbauer. Die CDU im vergleichsweise armen Saarland ist ebenso liberal wie arbeitnehmerfreundlich, einer, der so großunternehmerfreundlich auftritt wie Friedrich Merz, kommt dort nicht sonderlich gut an. Der Unterstützung aus der Heimat kann sich die jetzige CDU-Generalsekretärin also sicher sein. Rein zahlenmäßig bleibt sie indes überschaubar: Das Saarland stellt gerade einmal 35 der 1000 Delegierten des Bundesparteitags Anfang September.

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Der Name Jens Spahn spielt in den Überlegungen der Landesverbände im mittleren Westen kaum eine Rolle. Im Saarland, in Hessen und in Rheinland-Pfalz geht man in den Führungsetagen davon aus, dass sich Kramp-Karrenbauer und Merz ein Duell liefern werden. Auch wenn sich in der Spitze der Mainzer CDU noch niemand namentlich zu den Kandidaten äußern mag: Die Meinungen sind gespalten, Frauen bevorzugen die Saarländerin, Männer Merz.

Sehr gute Kenner der Partei sehen, bei aller Wertschätzung für die Generalsekretärin, aktuell einen Vorteil für den Sauerländer. Der Altmeister der rheinland-pfälzischen CDU, der frühere Ministerpräsident Bernhard Vogel, gehört nicht zu diesem Lager. Er kündigte an, als Delegierter Kramp-Karrenbauer zu wählen. Sie garantiere Kontinuität.

In Hessen haben die Christdemokraten noch andere Sorgen, sie stehen vor schwierigen Koalitionsverhandlungen. Die Geister scheiden sich aber auch hier. Mit ihrem Einsatz im Landtagswahlkampf hat sich Kramp-Karrenbauer an Main und Fulda Respekt erworben, an der Parteibasis und an der Spitze.

Der Vorsitzende Volker Bouffier verbirgt seine Sympathie für die Saarländerin nicht, ist jedoch auch Merz verbunden. Die beiden gehören dem legendären Andenpakt an, den 1979 einige ehrgeizige Jungunionisten geschlossen hatten. Die Herren schworen sich damals wechselseitigen Beistand. Zwar spielt die Runde im heutigen CDU-Geschehen keine Rolle mehr und haben sich manche Beziehungen seitdem gewandelt. Alte Freundschaften zählen aber nach wie vor.

Auch bei der CDU im deutschen Norden bekommt man je nach Region und Lager widersprüchliche Auskünfte. Und namentlich zitieren lassen möchte sich vor der anstehenden Klausurtagung um Himmels willen auch hier niemand.

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Ein Kieler Insider wünscht sich, dass es keine Rolle rückwärts und keine CDU rechts der Mitte gibt. Die legendäre Merz-Idee, die Steuererklärung mehr oder weniger auf einem Bierdeckel zu machen, ist manchem noch in humoriger Erinnerung; das Thema Cum-Ex-Geschäft finden viele weniger komisch. Auch fragt sich der eine oder andere, was denn der sogenannte Wirtschaftsflügel zum Profil beigetragen habe, da es dort doch ständig um die Flüchtlinge gegangen sei.

In Niedersachsen wiederum regiert die CDU unter Leitung der SPD, deren Ministerpräsident Stefan Weil die Zukunft der Groko in Berlin bereits mit der künftigen Ausrichtung der Union verknüpft hat: "Davon hängt eine ganze Menge ab", so Weil, "am Ende auch der Fortbestand der Koalition." Ein bekannter CDU-Mann dort ist dennoch sehr für die Personalie Merz. Der sorge für Euphorie und könne die Partei programmatisch in Schwung bringen, das habe es lange nicht gegeben. Dass Jens Spahn antritt, glaubt der CDU-Mann nicht. Aber klar, es seien auch Kollegen für Kramp-Karrenbauer.

Eine Tendenz, immerhin, zeichnet sich in Baden-Württemberg ab. Der zum Teil historisch zerstrittene Landesverband wird mit seinen 150 Delegierten auf dem Parteitag zwar kaum geschlossen abstimmen. Wahrscheinlicher ist, dass die alten Konflikte zwischen Merkel-Anhängern und Merkel-Gegnern zu unterschiedlichen Voten führen.

Trotzdem lässt die momentane Stimmung in Kreis- und Bezirksverbänden darauf schließen, dass eine relative Mehrheit derzeit Friedrich Merz zuneigt. Das gilt vor allem für ältere, männliche Funktionsträger, die hier in der mittleren Funktionärsschicht noch zahlreich sind. Aber auch in Kreisen, die dem Mittelstand, den Familienbetrieben und dem Handwerk nahestehen, ist eine Merz-Begeisterung spürbar.

Eine Empfehlung hat die Führung der Landespartei noch nicht gegeben - und wird es voraussichtlich auch eine ganze Weile nicht tun. Die Riege um Thomas Strobl will den Wettstreit im Bund für die Debatte in den Kreis- und Bezirksverbänden nutzen. Eine frühe Festlegung, so heißt es in Stuttgart, wäre da "absolut kontraproduktiv".

Etwas klarer sind die Signale aus Sachsen: Dort hat Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender Michael Kretschmer den Rückzug Merkels ausdrücklich begrüßt. Nun müsse ein Ruck durch die Partei gehen. Zu möglichen Nachfolgern will er zwar vorerst nichts sagen. Von sächsischen Bundestagsabgeordneten ist jedoch zu hören, dass die Personalie Friedrich Merz an der Basis Hoffnung weckt. Merz starte geradezu mit einem Heiligenschein in das Rennen, rational sei das kaum zu erklären, heißt es. Er profitiere von seinem Nimbus als Merkel-Widersacher.

Es siegt, wer "die Seele der Partei am meisten anspricht"

Thüringens CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring erwartet vom Neustart an der Bundesspitze seiner Partei Rückenwind für die kommenden Landtagswahlen in Ostdeutschland. Nach Bayern und Hessen sei ein "weiter so" ausgeschlossen. Gerade im Osten wollten die Menschen, dass nach den vielen Denkzetteln seit der Bundestagswahl endlich entsprechend regiert wird. Dabei gehe es mehr um Inhalte als um Personalien. "Es wird Regionalkonferenzen geben, auf denen die Bewerber ihre Ideen für die Zukunft präsentieren und zeigen, wofür sie stehen."

Holger Stahlknecht, Innenminister und stellvertretender Landesvorsitzender der CDU in Sachsen-Anhalt, spricht von einer spannenden Richtungsentscheidung für die Partei. Man habe die Wahl zwischen "zwei starken Persönlichkeiten, Merz und Kramp-Karrenbauer". Siegen werde derjenige, der "die Seele der Partei am meisten anspricht". Vor allem Merz genieße im Landesverband viel Zuspruch, da er den konservativen Teil der Partei repräsentiere.

Am delikatesten ist die Lage für den nordrhein-westfälischen Landeschef Armin Laschet. Mit Merz und Spahn kommen gleich zwei Kandidaten aus seinem Land. Flügelpolitisch gesehen, steht der Ministerpräsident eigentlich der Saarländerin Kramp-Karrenbauer näher. Doch pflegt er eben auch beste Drähte zu Friedrich Merz.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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