Drogen:Schwesig setzt Legalisierung von Cannabis in Kraft

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Als amtierende Präsidentin des Bundesrats vertritt Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig über Ostern den Bundespräsidenten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Der Bundespräsident ist im Osterurlaub. Darum muss Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin als Bundesratspräsidentin ein Gesetz unterschreiben, das sie selbst für schlecht gemacht hält.

Von Georg Ismar und Angelika Slavik, Berlin

Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis kann wie geplant am 1. April in Kraft treten. Da Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier im Osterurlaub ist, unterzeichnete Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig als amtierende Präsidentin des Bundesrats und damit Vertreterin Steinmeiers am Mittwoch das lange umstrittene Gesetz - trotz eigener Bedenken.

Der Bundesrat hatte die Vorlage am Freitag passieren lassen, weil wegen der Beteiligung der Grünen an vielen Landesregierungen keine Mehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande kam. Damit kam es zur kuriosen Situation, dass Schwesig ein Gesetz final billigen musste, das sie selbst für schlecht gemacht hält - etwa weil durch Amnestieregelungen Mehrarbeit auf die Justiz zukommen kann, die doch zugleich für schnellere Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern sorgen soll.

Die Bundesländer erwarten, dass die Justiz wegen der Amnestieregelung für Menschen, die zu Haft- oder Geldstrafen für Cannabis-Delikte verurteilt worden sind, die nun nicht mehr strafbar sind, Zehntausende Gerichtsakten und Urteile überprüfen muss. Kritik gibt es auch daran, dass laut Gesetz Besitz und Konsum schon vom 1. April an erlaubt sind. Das ist allerdings auch der Tag, an dem erst mit dem legalen Anbau begonnen werden kann, entweder im privaten Haushalt oder in gemeinschaftlichen Cannabisklubs. Bis zur Ernte wird es mehrere Wochen dauern. Bis dahin stammt das gesamte Cannabis, das vermeintlich legal konsumiert und besessen wird, also zwangsläufig aus illegalen Quellen.

Warum sie ihre Unterschrift nicht verweigern konnte

Der für die juristische Prüfung zuständige Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes hatte sich eigens nach Schwerin aufgemacht, um Schwesig das Gesetz zur Unterschrift vorzulegen. Die Bundesratspräsidentin oder der Bundesratspräsident vertritt den Bundespräsidenten während dessen Abwesenheit. Unterzeichnet hat Schwesig auch das Wachstumschancengesetz zur Stärkung der Wirtschaft und das sogenannte Haushaltsfinanzierungsgesetz - darin sind Änderungen beim Bürgergeld, aber auch die umstrittenen, schrittweisen Kürzungen beim Agrardiesel für Landwirte enthalten.

Ihre Unterschrift unter das Cannabis-Gesetz hätte Schwesig tatsächlich nur verwehren können, wenn die Fachleute Steinmeiers zu dem Schluss gekommen wären, dass das Gesetz offensichtlich gegen das Grundgesetz verstößt - aber eben nicht wegen grundsätzlicher inhaltlicher Bedenken. Die Prüfung habe ergeben, dass "keine verfassungsrechtlichen Bedenken einer Ausfertigung entgegenstehen", erklärte das Bundespräsidialamt: "Der Auftrag für die Verkündung im Bundesgesetzblatt ist erteilt." Im Umfeld Schwesigs hieß es, bei so einer Prüfung seien nun einmal sehr enge Grenzen gesetzt.

Somit wird das Cannabis-Gesetz von der kommenden Woche an in Deutschland gelten. Legal wird damit für Erwachsene der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen das Aufziehen von drei Cannabispflanzen erlaubt sein. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten sein - aber die Polizei betont schon, das sei kaum flächendeckend zu überprüfen.

Im eigenen Land könnte die Sache für Schwesig politisch unangenehm werden, die Opposition hatte im Vorfeld vor einer Unterschrift gewarnt. Am 9. Juni stimmen die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns parallel zur Europawahl auch über ihre Kommunalparlamente ab, die AfD liegt in dem Bundesland in Umfragen bei 30 Prozent. Der Generalsekretär der Landes-CDU, Daniel Peters, sagte der Süddeutschen Zeitung nach Schwesigs Unterschrift: "Hauptsache, kiffen wird legal, war wohl die Maxime." Das Gesetz hätte nicht unterzeichnet werden dürfen: "Die Justiz steht wegen der groß angelegten Amnestie vor einem Desaster. Deutschland droht zu Europas Coffee-Shop zu werden." Allein in Mecklenburg-Vorpommern würden Gerichte und Staatsanwaltschaften durch das Gesetz damit belastet, knapp 6500 offene Vollstreckungsverfahren zu prüfen. Schwesig hätte hier "den Rechtsstaat über die Parteiräson stellen müssen".

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