Bundeswehr in Mali:Operationsziel: schnell raus

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Bundeswehrsoldaten im Camp Castor in Gao. Die Truppe ist in der Bevölkerung beliebt, aber die Militärjunta in Mali will sie schnell loswerden. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Militärjunta in Mali will die UN-Truppen, die das Land stabilisieren sollen, loswerden. Die Bundesregierung muss sich auf einen rascheren Abzug der 1000 deutschen Soldaten einrichten.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Am Donnerstag übergab Oberst Heiko Bohnsack anlässlich des islamischen Opferfestes Eid al-Adha einen Hammel an den Imam der Askia-Moschee in Gao. Die Bundeswehr ist im Nordosten Malis, wo sie ihr großes Feldlager hat, beliebt in der Bevölkerung. Die Präsenz der Soldaten, die immer wieder auf Patrouillen in die Umgebung starten, gibt ein Gefühl der Sicherheit in einem unruhigen, von Kämpfen erschütterten Land. Aber lange werden die Soldaten nicht mehr hier sein.

Die Militärjunta in der Hauptstadt Bamako will die UN-Stabilisierungsmission Minusma aus dem Land werfen, zu der auch das deutsche Kontingent mit derzeit etwa 1000 Soldatinnen und Soldaten gehört.

Mitte Juni hatte der Außenminister der von Putschisten gebildeten Übergangsregierung, Abdoulaye Diop, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York den Abzug der Blauhelmtruppe mit etwa 13 500 Soldaten aus dem von islamistischem Terror bedrohten Land gefordert. Seine Regierung arbeitet seit geraumer Zeit mit regulären russischen Militärausbildern zusammen, vor allem aber mit Söldnern der Gruppe Wagner von Jewgenij Prigoschin - jener Prigoschin, der am Wochenende eine Meuterei gegen die russische Militärführung angezettelt hatte und sich nun im Exil im Belarus befinden soll.

Das Mandat für die 2013 eingerichtete UN-Mission läuft zum Monatswechsel aus

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat angekündigt, sein Land wolle die Wagner-Aktivitäten in Afrika fortsetzen, ohne jedoch genau zu erläutern, wie sich Präsident Wladimir Putin dies vorstellt. Lange hatte der Kreml jegliche Verbindungen zu Wagner geleugnet. Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte aber Mitte Juni ein Dekret erlassen, das die Integration privater Söldnerfirmen in die regulären Streitkräfte anordnet.

Der Hebel, um den Abzug der UN zu erzwingen, ist für die Militärjunta unter Oberst Assimi Goïta das Mandat des Sicherheitsrates für die 2013 eingerichtete Mission: Es läuft zum Monatswechsel aus.

Zwar könnte der Sicherheitsrat den Einsatz theoretisch gegen Malis Willen verlängern; sie war nach Kapitel 7 der UN-Charta beschlossen worden. Allerdings kann Russland, inzwischen zum wichtigsten politischen und militärischen Unterstützer der Putschisten aufgestiegen, dies jederzeit mit einem Veto verhindern.

Nun suchen die Truppensteller einen Ausweg. Frankreich, das selbst seinen von Minusma unabhängigen Anti-Terror-Einsatz in Mali auf Druck der dortigen Regierung schon länger beendet hat, hat die Federführung für das Dossier im Sicherheitsrat und schlägt in einem Resolutionsentwurf einen Abzug bis Jahresende vor. Das wäre eine deutlich kürzere Frist als bislang von der Bundesregierung geplant.

Der Bundestag hatte im Mai letztmalig das Mandat für den größten noch verbliebenen Auslandseinsatz der Bundeswehr um ein Jahr verlängert, um einen geordneten Rückzug der Bundeswehr sicherzustellen, der bis zum Mai 2024 abgeschlossen sein sollte. Deutschland dringt auf eine längere Übergangsfrist. Unklar ist aber schon, ob sich der Sicherheitsrat auf den französischen Vorschlag verständigen kann.

Es gibt gar keinen Frieden zu wahren, sagt die malische Übergangsregierung

Die malische Übergangsregierung hat den unverzüglichen Rückzug von Minusma verlangt. Es sei "unmöglich, den Frieden zu wahren in einer Situation, in der es keinen Frieden zu wahren gibt", teilte sie mit. Sie warf der UN-Mission vor, das Mandat zur Unterstützung der malischen Autoritäten ins Gegenteil verkehrt zu haben. Zugleich sicherte sie aber auch zu, mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten bei den Modalitäten des Abzugs.

Sollte der Sicherheitsrat bis zu diesem Freitagabend kein neues Mandat beschlossen haben, besteht noch ein Abkommen über den Status ausländischer Truppen in Mali, das nach Auffassung der Truppensteller nicht kündbar ist. Damit bestünde weiter eine Rechtsgrundlage für einen geordneten Abzug. Allerdings wäre in diesem Fall die Frage, ob sich die Regierung weiter kooperativ verhält. Sie hat bereits ein Dekret erlassen, das die weitere Einfuhr von Waren für Minusma untersagen würde. Bislang habe man aber keine Behinderungen festgestellt, heißt es bei der Bundeswehr.

Die Truppe wäre in der Lage, auch einen beschleunigten Abzug zu stemmen, wie der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Oberst Arne Collatz, am Mittwoch in der Regierungspressekonferenz deutlich machte. Allerdings könne dies höhere Kosten verursachen.

Der Abzug hat längst begonnen. Mit Ausrüstung und Material im Volumen von etwa 1500 Containern haben es die Logistiker der Bundeswehr zu tun. Ein beträchtlicher Teil davon, weit mehr als ein Drittel, wird gar nicht zurückgebracht, sondern verschrottet oder lokalen Händlern zum Kauf angeboten. Im Angebot: Drucker, ausrangierte Fahrzeuge und Anhänger. Bei einer Auktion kam kürzlich sogar eine Tankstelle inklusive Tanks unter den Hammer.

Seit Wochen schon wird sicherheitsrelevantes Material ausgeflogen. Die Engstelle dabei sind Transportkapazitäten aus Mali heraus. Vom deutschen Standort in Gao muss das Material mit Transportflugzeugen der Bundeswehr vom Typ Airbus A400M außer Landes gebracht werden und in Nigers Hauptstadt Niamey in größere Charter-Maschinen umgeladen werden, die in Gao nicht landen können. In Niger unterhält die Bundeswehr ein Luftdrehkreuz.

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Sollte das Minusma-Mandat früher als erwartet enden, dann muss die Bundeswehr auch bestimmte Aufträge nicht mehr erfüllen. Bis September beispielsweise hatte sie der Minusma-Führung zugesagt, Aufklärungsdrohnen beispielsweise vom Typ Heron vorzuhalten. Einsetzen darf sie die Drohnen jedoch seit Monaten schon nicht, weil die Machthaber in Mali das nicht mehr erlauben. Sie könnten nun deutlich früher abtransportiert werden.

Weil gegebenenfalls alle Minusma-Partner schneller aus Mali abziehen müssen, besteht großer Abstimmungsbedarf unter den Truppensteller. Deutschland stellt mit seinen Hubschraubern sicher, dass die Rettungskette funktioniert, falls jemand im Einsatz verwundet wird. Die Helikopter zumindest dürften deshalb bis zum Ende bleiben - wann immer das auch sein wird.

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