Flüchtlingspolitik:Merz dringt auf schärferen Migrationskurs

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Im Dorf Upahl werden die ersten Container für eine Asylbewerber-Unterkunft aufgestellt. (Foto: Jens Büttner/DPA)

Die Unionsfraktion will nicht mehr auf den Kanzler warten. Sie bringt am Freitag eigene Vorschläge ein, um illegale Einwanderung zu bekämpfen und Kommunen zu entlasten. Dabei fordert sie auch neue Grenzkontrollen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war ein bemerkenswerter Auftritt des Bundeskanzlers. Nur gemeinsam werde man "den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln", sagte Olaf Scholz. Er biete allen Ministerpräsidenten, Bürgermeistern und "ausdrücklich" auch Oppositionschef Friedrich Merz einen "Deutschland-Pakt" an. Viele Menschen im Land würden "geradezu sehnsüchtig" auf solch einen Schulterschluss warten. "Tempo statt Stillstand, Handeln statt Aussitzen, Kooperation statt Streitereien", das sei jetzt das Gebot der Stunde, sagte der Kanzler - und nannte bei den Themen, um die es jetzt dringend gehen müsse, auch die Migrationspolitik.

Das war am 6. September. Doch aus Sicht der Opposition ist seitdem nichts passiert. Man habe in den zwei Wochen weder vom Kanzler noch von der Bundesregierung "irgendetwas Konkretes gehört, wie er sich das denn vorstellt mit einem solchen Deutschland-Pakt", sagt CDU-Chef Merz. "Die ausgestreckte Hand von mir und von uns ist da." Die Bundesregierung müsse jetzt aber erklären, "ob sie das ernst meint mit diesem Deutschland-Pakt oder ob das ein PR-Gag bleibt".

So viele Asylbewerber wie die Einwohnerzahl zweier Großstädte

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen will sich die Unionsfraktion nicht mehr aufs Warten beschränken. An diesem Freitag wird sie deshalb einen eigenen Antrag in den Bundestag einbringen. Unter der Überschrift "Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik - Irreguläre Migration begrenzen und steuern" stellt die Fraktion darin ein Dutzend Forderungen.

Deutschland und Europa befänden sich in einer der schwersten Migrationskrisen seit Jahren, heißt es in dem Antrag. In den ersten acht Monaten dieses Jahres seien mehr als 200 000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen - "eine Größenordnung von zwei Großstädten, die von Ländern und Kommunen aufzunehmen, zu versorgen und zu integrieren sind". Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien die Asylantragszahlen um mehr als 77 Prozent gestiegen. Hinzu kämen über eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge, die vor dem russischen Überfall auf ihr Land fliehen mussten.

"Die Kapazitäten des Staates, der Ehrenamtlichen und der Gesellschaft haben in dieser Krise längst ihre Grenzen erreicht", schreiben die Unionsabgeordneten. Bislang habe die Bundesregierung aber "keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die unerlaubten Einreisen zu steuern oder zu begrenzen". Selbst ein wirtschaftlich und finanziell starkes Land wie Deutschland, das über gefestigte demokratische Strukturen verfüge, könne "auf Dauer keine irreguläre Migration in dem derzeitigen Ausmaß verkraften". In der Unionsfraktion verweisen sie in diesem Zusammenhang auf Altbundespräsident Joachim Gauck, der am Wochenende im ZDF gesagt hatte, "dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um den Kontrollverlust, der offensichtlich eingetreten ist, zu beheben".

Söders Vorschlag wird ignoriert

Die Unionsfraktion fordert deshalb, die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten um Georgien, Moldau, Indien, Tunesien, Marokko und Algerien zu erweitern. Die Bundesregierung hat bisher nur eine Ausdehnung auf Georgien und Moldau angekündigt. Die Union verlangt außerdem, dass Bund und Länder ihre Anstrengungen zur freiwilligen Rückkehr und zur Rückführung ausreisepflichtiger Personen intensivieren. "Gesetzliche Regelungen, die Abschiebungen erschweren, sind anzupassen", heißt es in dem Antrag. Abschiebungshaft solle unabhängig von Asylanträgen möglich sein, auch bei Folgeanträgen. Folgeanträge sollen auch keine Abschiebungen mehr vereiteln können. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen ein eigenständiger Haftgrund sein. Und die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden.

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Wegen der hohen Zahl illegaler Einreisen über die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz soll die Bundesregierung "dort unverzüglich Grenzkontrollen notifizieren und etablieren", heißt es im Antrag der Union. Dabei sei das im Verhältnis zu Österreich bereits bestehende Grenzsicherungskonzept zu übernehmen - also insbesondere stationäre Grenzkontrollen und die ergänzende flexible Schleierfahndung.

Außerdem müsse im europäischen Recht klargestellt werden, "dass Personen, die bereits in anderen Mitgliedstaaten einen Asylantrag gestellt haben und entsprechend registriert worden sind, und solche Personen, die bereits einen Asylantrag gestellt und eine Ablehnung erhalten haben, bei eigenmächtiger Weiterreise innerhalb der EU an den Binnengrenzen zurückgewiesen werden können", heißt es im Unionsantrag. Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland müssten dadurch gesenkt werden, dass die Sozialstandards in der Europäischen Union für Asylbewerber und Schutzberechtigte "unter Berücksichtigung der Kaufkraft der Mitgliedstaaten einander angenähert werden".

Die Einführung einer "Integrationsgrenze" von 200 000 Migranten jährlich, die CSU-Chef Markus Söder verlangt hat, findet sich in dem Forderungskatalog der Unionsabgeordneten dagegen ebenso wenig wie der Vorschlag des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, Thorsten Frei, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen.

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