Bundeshaushalt:Alles wird teurer - auch das Bürgergeld

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Auch gestiegene Lebensmittelpreise treiben die Inflation - und damit die Kosten für Bürgergeld-Bezieher. (Foto: Uwe Anspach/DPA)

Mehr als drei Milliarden Euro muss der Bund zusätzlich für die Sozialleistung einplanen. Das war nicht einkalkuliert. Woher die Mehrkosten kommen und was Flüchtlinge aus der Ukraine damit zu tun haben.

Von Benedikt Peters, Roland Preuß und Henrike Roßbach, Berlin

Das Bürgergeld wird deutlich teurer als bisher erwartet. Arbeitsminister Hubertus Heil hat für dieses Jahr zusätzliche 3,25 Milliarden Euro angemeldet - und das, während die Haushaltspolitiker gerade intensiv um Möglichkeiten zum Sparen und Umschichten ringen. Wie es zu den Mehrkosten kommt - und wo sich weitere Konfliktpunkte bei den Staatsfinanzen anbahnen.

Wie viel gibt die Bundesregierung für das Bürgergeld aus?

Bisher war die Bundesregierung davon ausgegangen, das Bürgergeld würde sie in diesem Jahr 23,76 Milliarden Euro kosten; das entspricht etwa fünf Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Inzwischen aber ist klar, dass das nicht reichen wird. Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) den Haushaltsausschuss des Bundestags über eine "überplanmäßige Ausgabe" von 2,1 Milliarden Euro für das Bürgergeld informiert hat. Außerdem, so geht es aus einem weiteren Schreiben Toncars hervor, benötigt die Bundesregierung für Unterkunft und Heizung der Bürgergeldbezieher weitere 1,15 Milliarden Euro. Insgesamt geht es um Mehrkosten von 3,25 Milliarden Euro.

Warum wird das Bürgergeld teurer?

Die Bundesregierung nennt im Wesentlichen drei Gründe. Erstens die Preissteigerung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nennt die "hohe Inflation bei Lebensmitteln und Energiepreisen". Sein Ministerium erklärte, es habe sich gezeigt, dass Mieten, Heizkosten und sonstige Nebenkosten "stärker gestiegen sind, als wir noch vor einem Jahr erwartet haben". Ökonomen rechnen für 2023 mit einer Teuerungsrate von 6,1 Prozent, im vergangenen Jahr lag sie bei 6,9 Prozent. Auch die Mieten steigen in diesem Jahr weiter, insbesondere in Großstädten, wo viele Bürgergeldempfänger leben. Einer Studie der Beratungsfirma Jones Lang LaSalle zufolge verteuerten sich die dort angebotenen Mietwohnungen im ersten Halbjahr 2023 um 6,7 Prozent.

Der zweite Grund ist der Bundesregierung zufolge die höhere Zahl der Bürgergeldempfänger. Die deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr laut Prognosen, gerechnet wird deshalb mit einem Anstieg der Zahl der Arbeitslosen um etwa 190 000 Personen. So schätzt es das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Bisher ist die Bundesregierung laut Toncar von 3,85 Millionen erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeld ausgegangen, nun rechne sie mit 3,93 Millionen Menschen. Ein dritter Faktor sei, dass nach wie vor viele Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld beziehen.

Welche Rolle spielen die geflüchteten Ukrainer für den Anstieg der Ausgaben?

Die Ausgaben für ukrainische Flüchtlinge im Bürgergeld konnte das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage nicht nennen. Allerdings macht die Zahl der Empfänger deutlich, dass es um Milliarden Euro geht. Laut Ministerium erhielten nach den neusten Zahlen vom Juli 704 000 ukrainische Staatsangehörige Bürgergeld. Darunter waren 482 000 Personen im erwerbsfähigen Alter und 222 000 sogenannte nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, in der Regel sind das Kinder unter 15 Jahren. Das waren etwa 687 000 mehr als im Februar 2022, als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann und mehr als eine Million Menschen aus dem Land nach Deutschland flüchteten. Heil kündigte an, die Ukrainerinnen und Ukrainer, aber auch andere Geflüchtete, die einen Deutschkurs absolviert haben, nun intensiver in Arbeit vermitteln zu wollen, auch mit Druck. Sollte dies gelingen, würden auch die Ausgaben für das Bürgergeld gedämpft oder zurückgehen.

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Gibt es noch weitere Baustellen im Haushalt?

Ja. Neben dem Bürgergeld tun sich vor allem bei den Ukraine-Hilfen des Bundes und bei der Unterstützung der Länder in Sachen Flüchtlingskosten Lücken im Etat auf. Die Militärhilfen für die Ukraine soll nach dem Willen der Ampel - vor allem von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) - von bislang vier Milliarden Euro auf acht Milliarden verdoppelt werden. Woher die vier Milliarden kommen sollen, ist noch nicht klar. Was die Flüchtlingskosten angeht, so haben Bund und Länder sich darauf verständigt, dass der Bund im kommenden Jahr zunächst einen Abschlag von 1,75 Milliarden Euro zahlen soll. Veranschlagt im Haushalt sind 1,25 Milliarden Euro - die Haushälter müssen in der Bereinigungssitzung also noch eine halbe Milliarde Euro "finden".

Warum blickt die Ampelkoalition mit Sorge nach Karlsruhe?

Am Mittwoch entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob die Ampel mit dem Haushalt 2021 gegen die Verfassung verstoßen hat. Konkret geht es um die Frage, ob der Finanzminister 60 Milliarden Euro nicht genutzter Corona-Kredite in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschieben durfte, wie Christian Lindner es getan hat. Geklagt hat die Unionsfraktion im Bundestag. Verwirft Karlsruhe die milliardenschwere Umbuchung von Kreditermächtigungen ganz oder in Teilen, könnten die verbliebenen KTF-Mittel schon 2025 knapp werden.

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