Beauftragte der Bundesregierung:Die Berater-Inflation

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Auch der Staatsadler krallt sich im Bundestag fest. (Foto: Stefan Boness/Ipon/imago/IPON)

Unter der Ampel-Koalition ist die Zahl der Beauftragten für alle möglichen Politikfelder noch einmal gestiegen. Viele von ihnen sind der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Wie sinnvoll sind solche Sonderfunktionen eigentlich?

Von Peter Fahrenholz, München

Die Kontroverse um die für diesen Donnerstag geplante Wahl der politisch umstrittenen Publizistin Ferda Ataman zur Anti-Diskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung hat die Aufmerksamkeit auf eine Besonderheit des politischen Betriebes gelenkt, die ein wenig an einen Eisberg erinnert, von dem auch nur die Spitze aus dem Wasser ragt: die große Zahl an Beauftragten, die die Bundesregierung für alle möglichen Sonderaufgaben ernennt. Unter der Ampel-Koalition ist ihre Zahl nochmals gestiegen. Die Liste umfasst insgesamt 42 Positionen, obwohl es richtigerweise 41 sind, denn der "Koordinator der Bundesregierung für strategische Auslandsprojekte im Interesse der Bundesrepublik Deutschland" taucht in der Liste merkwürdigerweise zweimal auf.

"Wir haben da eine inflationäre Entwicklung", sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel. Tatsächlich ist es eine sehr bunte, schwer durchschaubare Mischung aus Themen und Funktionen, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet hat.

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Am einfachsten ist es noch bei den wichtigen Bundesbeauftragten, die vom Parlament gewählt werden müssen, etwa die Wehrbeauftragten oder die Datenschutzbeauftragten. Auch die Beauftragten für die Stasi-Unterlagen, deren Behörde der Einfachheit halber immer nach dem Amtsinhaber oder der Amtsinhaberin benannt wurde, wurden auf diese Weise bestimmt. Zuletzt war es die Jahn-Behörde, die vor einem Jahr aufgelöst und ins Bundesarchiv überführt wurde und damit ein Beispiel dafür ist, dass solche Sonderfunktionen auch wieder abgeschafft werden können, wenn die Aufgaben entfallen.

Sonst ist es aber schon von den Bezeichnungen her ein wildes Durcheinander. Es gibt Beauftragte der Bundesregierung, Unabhängige Beauftragte, normale Beauftragte, Sonderbeauftragte, Koordinatoren, Bevollmächtigte, Sondergesandte. Mal nehmen Staatsminister oder Staatssekretäre solche Aufgaben wahr, mal sind es Beamte. In diesen Fällen fallen "keine zusätzlichen Personalkosten für die Beauftragten an", heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2008.

"Sie schaffen Sichtbarkeit für ein Thema"

Anders sieht es aus, wenn Außenstehende oder Bundestagsabgeordnete mit solchen Aufgaben betraut werden. Dann fallen Kosten für Büros und zusätzliches Personal an, die je nach Aufgabe stark differieren können. Auch die Kompetenzen und Aufgaben der jeweiligen Beauftragten sind nicht generell festgeschrieben. "Inhaltliche und statusrechtliche Vorgaben sind vielmehr den Rechtsgrundlagen für die jeweiligen Beauftragten zu entnehmen", heißt es in dem Gutachten von 2008. Klar ist, dass Beauftragte rechtzeitig in alle Vorgaben eingebunden werden sollen, die ihre Aufgaben berühren.

Wenn man es wohlwollend betrachtet, kann man die Berufung von Beauftragten der Regierung als Beleg dafür werten, dass damit die Bedeutung eines Themas herausgestrichen werden soll. "Sie schaffen Sichtbarkeit für ein Thema", sagt die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp von der Freien Universität Berlin. Weniger wohlwollend betrachtet geben solche Sonderfunktionen der Regierung die Möglichkeit, Probleme auf die lange Bank zu schieben und sich mit regelmäßigen Berichten zufriedenzugeben.

Und die diversen Beauftragten ermöglichen den Regierungsparteien, so Kropp, "den parteipolitischen Proporz auszutarieren", indem Abgeordnete mit Sonderposten versorgt werden, bei denen sich oft die Frage aufdrängt: Braucht es das wirklich? Etwa eine "Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus". Oder einen "Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr". Diese Aufgabe wird im Verkehrsministerium vom Parlamentarischen Staatssekretär Michael Theurer (FDP) wahrgenommen, aber er könnte sie vermutlich genauso gut ohne diesen Titel wahrnehmen.

Ferda Ataman soll künftig die Antidiskriminierungsstelle des Bundes leiten, was zu heftiger Kritik geführt hat. (Foto: IMAGO/M. Popow)

Vor allem die vielen Abgeordneten (im Moment sind es zehn) sind ein Problem. Nicht nur, weil damit ein Teil der Legislative plötzlich in die Exekutive eingebunden wird. Sondern auch, weil damit "der Eindruck von Selbstbedienungsmentalität erweckt wird", sagt der Politikexperte Schroeder. Zudem werden politische Verantwortlichkeiten verwischt. "Die Leute wissen nicht, wer eigentlich zuständig ist", sagt Schroeder. Wenn politische Probleme auf Bundesbeauftragte übertragen werden, die - anders als etwa Minister - selber gar keine Entscheidungsbefugnisse haben, könne das "zur politischen Delegitimierung beitragen".

Die ständige Vermehrung von Beauftragten für alle möglichen Spezialthemen birgt auch ein anderes Problem. "Die Aufsplitterung auf sehr viele Partikularinteressen, die dann vom jeweiligen Beauftragten artikuliert werden, unterminiert die Aufgabe des Ausgleichs", sagt Kropp. Besonders deutlich wird die Zersplitterung ausgerechnet beim Thema Diskriminierung.

Um Diskriminierung kümmern sich schon mehrere Bundesbeauftragte

Denn es ist keineswegs so, dass der Kampf gegen Diskriminierung auf allen möglichen Feldern ein Randthema im Beauftragtenwesen der Regierung wäre, ganz im Gegenteil. Die Ampelkoalition hat diesen Bereich sogar massiv ausgeweitet. Es gibt jetzt neben dem Beauftragten, der sich um nationale Minderheiten kümmern soll, einen eigenen Antiziganismusbeauftragten. Der neu berufene "Queer-Beauftragte" ist für die "Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt" zuständig und soll mithin gegen Diskriminierungen in diesem Bereich kämpfen. Und im Kanzleramt wurde die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, SPD, in Personalunion auch noch zur Beauftragten für Antirassismus berufen.

Insgesamt gibt es acht Beauftragte der Bundesregierung, in deren Aufgabengebiet auch der Kampf gegen Diskriminierung und Stigmatisierung eine Rolle spielt. Was durchaus die Frage aufwirft, ob noch eine zusätzliche Antidiskriminierungsbeauftragte notwendig ist. Die Gefahr, dass es statt eines mehrstimmigen Miteinanders ein rivalisierendes Durcheinander gibt, liegt jedenfalls auf der Hand.

Politische Revierkämpfe waren auch in der letzten Regierung Merkel ein wesentlicher Grund, warum die Position des oder der Antidiskriminierungsbeauftragten vier Jahre unbesetzt blieb. Die seinerzeit im Kanzleramt für Migration, Flüchtlinge und Integration zuständige Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, CDU, soll großen Wert darauf gelegt haben, auf diesem Feld keine Konkurrenz zu bekommen.

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