Asylpolitik:Gelbe Karte

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Wohncontainer für Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die Bundesregierung hatte sich vor zwei Wochen darauf verständigt, die Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen. Doch nun bricht im Bundestag erneut Streit aus.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Mehrere Monate hat das Tauziehen um die Bezahlkarte für Asylbewerber gedauert. Die Bundesländer wollen sie, und nach einigem Zank einigten sich auch die Spitzen der Bundesregierung kürzlich darauf, die Chipkarte zügig einzuführen - und trotz großer Vorbehalte der Grünen auch in einem Bundesgesetz zu regeln. In diesen Tagen allerdings wird klar: Die Einigung zwischen Grünen, FDP und SPD gibt es noch gar nicht, jedenfalls nicht im Bundestag. Schon wieder ist die Koalition zerstritten.

Ganz überraschend kommt der neuerliche Konflikt nicht. Streng genommen hatte die Bundesregierung die strittigen Punkte zuvor gar nicht gelöst, sondern nur als Prüfauftrag an das Parlament weiter gereicht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) legte den Fraktionen einen Entwurf für eine bundesgesetzliche Regelung vor, mit der Bitte, irgendeinen Weg zu finden. Denn die Grünen-Fraktion will nicht, was SPD und FDP wollen.

Mit der Chipkarte könne man nicht die Wohnung bezahlen

Sie tat sich von Anfang an äußerst schwer mit dem Plan, Asylbewerbern kaum noch Bargeld auszuhändigen, sondern eine Chipkarte, mit der sie einkaufen gehen. Die Grünen lehnen das nicht im Grundsatz ab, sehen aber viele ungelöste Fragen. Wer eine Wohnung oder Stromrechnungen bezahlen müsse, könne das per Chipkarte nicht erledigen. Überweisungen an Anwälte, die nicht vor Ort seien, würden damit unmöglich.

Angesichts der Einwände beginnen die Koalitionspartner nun, die Geduld zu verlieren. Stillstand in der Migrationspolitik sei weder erwünscht noch vermittelbar. "Eigentlich schien das Thema Bezahlkarte schon final geklärt. Ich habe die klare Erwartung, dass wir sie vor Ostern endlich verabschieden", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Süddeutschen Zeitung. Erst kürzlich hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinem Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) deutlich gemacht, dass er von den Grünen ein Ja zur Bezahlkarte erwarte. Habeck stimmte zu, die Spitzen der Koalitionsfraktionen sollen eingebunden worden sein. Auch führende Grüne in Baden-Württemberg und Hessen unterstützen die Pläne. Sie hoffen auf Entlastung der Kommunen.

Von den Bundestags-Grünen hingegen kommt Widerstand. Strittig ist etwa der Zeitraum, in dem Asylbewerber mit einer solchen Karte ausgestattet werden sollen. Denn auf Druck auch der FDP sollen nicht etwa nur Neuankömmlinge mit der Chipkarte einkaufen müssen statt mit Bargeld, also wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben. Kommunen, so der Plan, könnten Schutzsuchenden mehr als drei Jahre lang statt Bargeld eine Karte geben. Dies könnte den Alltag deutlich erschweren. Die Grünen betrachten das als Versuch, die Anwendungsregeln immer weiter auszudehnen.

Der Aufenthaltsort von Geflüchteten soll transparenter werden

Kürzlich wurde bereits eine Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes beschlossen. Danach bekommen Schutzsuchende deutlich länger als bisher nur die abgesenkten Zahlungen für Asylbewerber: 36 Monate statt bisher 18. In dieser Zeit, also drei Jahre lang, erhalten sie kein Bürgergeld - und nur die gesundheitliche Grundversorgung. Die Bezahlkarte könnte nun sogar noch über diesen Zeitraum hinaus zur Pflicht werden, also länger als 36 Monate. Das träfe auch Geduldete, die lange in Deutschland leben und eigentlich aufgefordert sind, sich zu integrieren, Jobs zu finden oder in eigenen Wohnungen zu leben. Genau diese Integration aber würde dann erschwert, fürchtet man bei den Grünen.

Weil eine Einigung nicht in Sicht ist, hat Bundessozialminister Heil die Ampelfraktionen aufgefordert zu prüfen, wie und bei wem die Bezahlkarte eingesetzt werden soll. Die Fraktionen sollen sich über eine sogenannte Formulierungshilfe verständigen, an der das Kabinett zuletzt noch ein paar Korrekturen angebracht hat.

Zu klären ist auch, an welches Gesetz die Regelungen zur Bezahlkarte angedockt werden. Denn einen eigenen Gesetzentwurf soll es dazu nicht geben. Denkbar wäre, die Chipkarte im sogenannten DÜV-Gesetz zu verankern, das den Datenaustausch zwischen Ausländer- und Leistungsbehörden beschleunigen soll. Auch der Aufenthaltsort Geflüchteter soll mit diesem Gesetz transparenter werden. Der Entwurf ist fertig, das DÜV-Gesetz sollte nächste Woche eigentlich ins Parlament. Ob das klappt, ist offen. Auf der am Freitag vom Bundestag veröffentlichten Tagesordnung für die kommende Woche, in der das Plenum tagt, taucht das Thema Bezahlkarte bisher nicht auf.

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