Migration:Neuer Streit über Asylpolitik

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Die Chipkarten sollen bewirken, dass Geflüchtete weniger Geld in Herkunftsländer überweisen. (Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa)

Muss die Einführung der Bezahlkarten für Geflüchtete zentral vom Bund geregelt werden? Das war eigentlich anders gedacht - aber jetzt wird ein Machtwort des Bundeskanzlers gefordert.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Kaum ist die neue Bezahlkarte für Asylbewerber beschlossen, rollt schon eine neue Kontroverse los. Ein Machtwort des Bundeskanzlers müsse her, forderte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Die FDP drohte mit Ausstieg aus der Koalition und warf den Grünen vor, sie wollten ein wichtiges Vorhaben der Migrationspolitik blockieren. Bei den Grünen: Kopfschütteln. "Wir brauchen keinen Streit mit großer Geste, sondern Leute, die sachlich und konstruktiv handeln", erklärte Fraktionsvize Andreas Audretsch.

Die Bezahlkarte für Asylbewerber soll dafür sorgen, dass Geflüchtete weniger Geld in Herkunftsländer überweisen. Bund und Länder haben deshalb im November vereinbart, den Großteil staatlicher Leistungen künftig per Chipkarte auszuhändigen. Überweisungen ins Ausland sind damit nicht möglich, es ist auch kein Konto angeschlossen. In Hamburger Erstaufnahme-Einrichtungen bekommen Geflüchtete pro Monat 185 Euro auf die Chipkarte plus 50 Euro in bar, dazu zehn Euro pro Kind.

Der Streit dreht sich um eine Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz

Dass jedes Bundesland Details selbst regelt, gilt als ausgemacht. Nun aber gibt es Streit, ob die Einführung der Bezahlkarte auch per Bundesgesetz geregelt wird. Noch im Oktober 2023 sah man im Bundeskanzleramt dafür keinen Grund. Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister seien sich einig, "dass dafür keine gesetzliche Änderung notwendig ist", hieß es in einem Schreiben von Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Schon jetzt erlaubt das Asylbewerberleistungsgesetz den Umstieg auf Sachleistungen. In einer Formulierungshilfe des Arbeitsministeriums hieß es allerdings wenig später, die Bezahlkarte werde "ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen".

Inzwischen gibt es allerdings neue Wünsche. Die Chipkarte soll nicht nur nach der Ankunft Pflicht werden, sondern auch, wenn Asylbewerber in eine Wohnung umziehen. "Um den praktischen Einsatz von Bezahlkarten zu unterstützen, sollte der Bund die rechtliche Grundlage erweitern", sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Der Vorrang von Barzahlungen solle auch "bei der Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen gestrichen" werden. Chipkarte statt Bargeld, das gälte dann bis zum Ende des Asylverfahrens. Die FDP hofft, dass Migranten dann auf Klagen verzichten.

Er wünscht sich "ein Machtwort" von Olaf Scholz zur Bezahlkarte: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). (Foto: Arne Dedert/dpa)

Hier aber ziehen die Grünen nicht mit. Die Chipkarte komme wie verabredet, hieß es hier. "Wir brauchen auch mehr Zuverlässigkeit im Kanzleramt, damit solche Prozesse nicht im Chaos enden", so Fraktionsvize Audretsch. Denn anders als zunächst vom Kanzleramt signalisiert, besteht auch die SPD jetzt auf einer bundesweiten Reform. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Grünen sich weigern, das umzusetzen, was in der Formulierungshilfe vereinbart wurde", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Hartmann der SZ.

Während Boris Rhein nach einem Machtwort rief, drohte FDP-Fraktionsvize Wolfgang Kubicki gar mit dem Ende der Regierung. "Sollten die Grünen diesen minimalinvasiven Eingriff in das Asylbewerberleistungsgesetz tatsächlich torpedieren, stellt das die Fortsetzung der Koalition infrage", sagte er der Bild-Zeitung. Schnelle Einigung? Eher nicht in Sicht.

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