Bundesregierung:Wie hält es das Außenamt mit der Religion?

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Der Kölner Dom und ein Minarett der Zentralmoschee der Ditib. Die Zahl der Gläubigen nimmt weltweit absolut gesehen zu. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Die Ampel steht unter dem Verdacht, zu kirchenfern zu sein. Seit am Rande des G-7-Außenministertreffens im Rathaus von Münster ein Kreuz entfernt wurde, gibt es auch Kritik am Auswärtigen Amt.

Von Annette Zoch

"Grotesk! Völlig unverständlich!" Als vor knapp zwei Wochen am Rande des G-7-Außenministertreffens im Historischen Rathaus von Münster das mehr als 500 Jahre alte Holzkreuz - vermutlich von einem übereifrigen Mitarbeiter - zur Seite geräumt wurde, da war die Aufregung groß: Was ist da los? Soll das Christentum etwa aus dem Bild der Öffentlichkeit verschwinden? Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), selbst evangelisch, aber nach eigenem Bekunden "nicht ganz gläubig", versicherte, dass sie von der Entfernung des Kreuzes nichts gewusst und diese auch nicht gebilligt habe.

Seit dem Regierungsantritt der Ampel steht diese unter dem besonders von Unionspolitikern befeuerten Generalverdacht, die Religionen aus den Augen zu verlieren. Und die Kirchen, sich ihres eigenen Schrumpfens schmerzlich bewusst, fühlen sich in diesem Eindruck bestätigt. Zuletzt entzündete sich die Kritik am Verzicht des Auswärtigen Amts auf externe Religionsberater - dabei stammt diese Entscheidung noch aus der vergangenen Legislaturperiode.

Im Jahr 2018 wurde nach einer Initiative von Frank-Walter Steinmeier im Außenamt das "Referat Religion und Außenpolitik" ins Leben gerufen, dafür wurden auch Religionsvertreter als Berater engagiert: zuerst der Benediktinermönch Pater Nikodemus Schnabel, dann der evangelische Pastor Peter Jörgensen, der Rabbiner Maximilian Feldhake und zuletzt die Vizevorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan.

Deren Berufung hatte allerdings Kritik ausgelöst, ihr war vorgeworfen worden, sich nicht ausreichend von Antisemitismus und Islamismus zu distanzieren. Soykan hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, nichtsdestotrotz legte das AA das Projekt auf Eis, alle Verträge liefen noch in der Amtszeit von Heiko Maas (SPD) aus.

"Das Thema ist stärker in den Hintergrund getreten"

Unter der neuen Ministerin Baerbock wurden keine neuen Verträge geschlossen und sind auch nicht geplant. Pater Nikodemus Schnabel, er lebt heute in der Dormitio-Abtei in Jerusalem und ist dort Migrantenseelsorger des Lateinischen Patriarchats, kritisiert das. "Es zeigt sich für mich, dass im Auswärtigen Amt eine gewisse Form von Kompetenz und Sensibilität in diesem Themenfeld verloren zu gehen droht", sagt Schnabel der SZ. "Ich glaube nicht, dass das aus bösem Willen geschieht, aber das Thema ist stärker in den Hintergrund getreten, und das halte ich für fatal."

Er und seine Beraterkollegen hätten sich für eine "religious literacy" im Außenamt eingesetzt, sprich, sie hätten eine Übersetzer- und Erklärfunktion für Religionsgemeinschaften übernommen. Während in Deutschland immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, ist die Entwicklung in anderen Teilen der Welt gegenläufig. 84 Prozent der Menschen bekennen sich weltweit zu einer Religion, Tendenz steigend. "Diese Kluft zwischen der abnehmenden Religiosität in Deutschland und der zunehmenden Religiosität in der Welt ist ein starkes Argument für eine Kompetenz im Auswärtigen Amt", sagt Schnabel.

Dies sei gerade mit Blick auf die zahlreichen Krisen und Konflikte in der Welt wichtig, nirgendwo seien Religionen so stark wie im Bereich Friedenserziehung und Mediation. "Man merkt, wie hilflos Staatenlenker nach Katastrophen und Krisen sind, wenn es um Versöhnung geht", sagt Schnabel. "Wenn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine irgendwann einmal hoffentlich endet, dann wird man irgendwann auch wieder mit Russland reden müssen. Und hier könnten Religionen einen großen Beitrag leisten."

Die Öffentlichkeit fixiere sich zu sehr auf die toxische Rolle, die der Patriarch von Moskau als Kriegstreiber spiele, dabei gebe es viele Menschen, die vor allem in der Ukraine, aber auch in Russland aus ihrem Glauben heraus Nein zur russischen Politik sagten.

Religionen bilden in vielen Ländern der Welt maßgebliche soziale und politische Strukturen, heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt. Pläne für eine Wiederaufnahme des Beraterprogramms gebe es zwar nicht. Aber: "Ob zum besseren Verständnis der Gesellschaft im Gastland, im Rahmen von Friedensmediation oder bei der Umsetzung von humanitärer Hilfe: die Diplomatie profitiert davon, religiöse Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu haben." Man stimme sich dazu eng "mit anderen Ressorts, Auswärtigen Diensten und weiteren Partnern ab" und werde diesen "wichtigen Aufgaben weiter nachgehen".

Die Haushaltslage setzt der Kooperation enge Grenzen

Als einen Kooperationspartner nennt das Auswärtige Amt auch die interreligiöse Organisation "Religions for Peace" - diese Organisation mit Sitz in New York hatte gemeinsam mit der "Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft" seit 2019 mehrere größere Konferenzen in Lindau veranstaltet. Doch just jener Stiftung hatte das Auswärtige Amt zuletzt die finanzielle Förderung gestrichen, das Büro in Lindau wurde geschlossen. "Im laufenden Jahr scheint ein Perspektivwechsel im Auswärtigen Amt vollzogen zu werden", teilte die Stiftung hierzu mit.

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Im AA selbst heißt es dazu, man habe die Stiftung in den Jahren 2019, 2020 und 2021 aus eigenen Mitteln auf Projektbasis gefördert, eine langfristige Zusage habe es aber nicht gegeben. Zudem setze die Haushaltslage sowie eine nicht abgeschlossene Prüfung des Bundesrechnungshofs und des Bayerischen Obersten Rechnungshofs zu einem Projekt der Stiftung einer weiteren Förderung Grenzen. Dabei geht es um eine ausstehende Rückzahlung an Bund und Freistaat Bayern im sechsstelligen Bereich.

Das Auswärtige Amt habe sich, darauf verweist der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, dafür eingesetzt, dass der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) Ende August seine Vollversammlung in Karlsruhe abhalten konnte. "Ich bin dankbar, dass sich das Außenministerium der Bedeutung dieser Vollversammlung bewusst war", sagte Bedford-Strohm, der im September zum Vorsitzenden des ÖRK-Zentralausschusses gewählt wurde, der SZ. Mit Blick auf das Religionsreferat im Außenamt sagte er: "Es wäre sehr weise, wenn dieses Programm nicht nur weiterbestehen würde, sondern gestärkt werden könnte."

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