Asyl:Geflüchtet aus den USA

Lesezeit: 2 min

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Deutschland nimmt Schutzsuchende aus nahezu aller Welt auf - in Einzelfällen sogar dann, wenn sie aus friedlichen Demokratien kommen. Wie kann das sein?

Von Jan Bielicki

Es kommen viele. Viel mehr als im vorigen Jahr. Etwa 150 000 Menschen haben laut den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der ersten Hälfte des Jahres einen Erstantrag auf Asyl gestellt. 60 Prozent von ihnen flohen aus nur drei Ländern: aus Syrien, aus Afghanistan und aus der Türkei. Die anderen kamen aus nahezu aller Herren Länder.

Asylanträge von Bürgern von nicht weniger als 157 Staaten hat das Amt im ersten Halbjahr 2023 bearbeitet. Dazu kommen die von 167 Staatenlosen und fast 2000 Menschen aus dem Staate "Ungeklärt", der unter den 193 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen gar nicht zu finden ist. Es gibt also gerade einmal drei Dutzend Staaten, aus denen nicht mindestens ein Bürger oder eine Bürgerin in Deutschland um Asyl gebeten hat, Österreich gehört dazu oder, obwohl durchaus autoritär regiert, der Staat Vatikanstadt.

Aber unter den Schutzsuchenden sind beispielsweise ein Mensch aus der Schweiz, drei aus Italien, vier aus den Niederlanden, neun aus Schweden und gar elf aus Großbritannien - also Bürger aus Staaten, von denen man annehmen könnte, dass es dort um die Menschenrechte nicht viel schlechter bestellt sein sollte als hier.

Im vergangenen Jahr bat sogar ein Mensch mit einem Pass des Pyrenäen-Zwergstaats Andorra um Asyl. Und im Bamf erzählt man gerne von dem Mann aus dem Saarland, der ein Asylgesuch stellte, weil er sich vom örtlichen Landrat verfolgt fühlte. Ihm konnte das Amt nicht helfen, da das Saarland 1957 der Bundesrepublik beitrat, in deren Grundgesetz der Asyl-Artikel 16a das einzige Grundrecht formuliert, das eben nicht für Deutsche gilt.

Wie jeder andere, der Deutschland erreicht, haben auch Bürger friedlicher und stabiler Demokratien daher natürlich das Recht, Asyl wenigstens zu beantragen. Überraschend ist vielmehr, dass das Bamf in Einzelfällen den beantragten Schutz tatsächlich gewährt. Das war laut Amtsstatistik 2023 schon bei einem griechischen, zwei britischen, zwei kanadischen und zwei US-Staatsangehörigen der Fall.

Wie kann das sein? Das Bamf gibt keine Auskünfte zu Einzelfällen, aber klar ist: An Krieg und Verfolgung im Herkunftsland liegt es in der Regel jedenfalls nicht. So beantragte während des Irakkriegs ein US-Soldat Asyl, weil er nicht in womöglich völkerrechtswidrige Einsätze verstrickt sein wollte. Das Amt lehnte sein Gesuch aber ab, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies seine Klage zurück.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Tatsächlich handelt es sich bei den wenigen anerkannten Flüchtlingen aus solchen Ländern laut Auskunft des Bamf in der Regel um Kinder, die während eines Aufenthalts ihrer Eltern beispielsweise in den USA oder Kanada geboren wurden und so durch Geburt ihre westliche Staatsbürgerschaft erhielten. Wenn aber die Eltern als anerkannte Flüchtlinge nun in Deutschland leben, bekommen auch deren minderjährige Kinder denselben Schutzstatus - unabhängig von ihrer Nationalität.

Anderswo sieht das nicht viel anders aus. In der Schweiz etwa stellten im ersten Halbjahr 2023 schon vier Deutsche Asylgesuche. Die Asylgewährungsquote für Deutsche lag jedoch laut Zahlen des Staatssekretariats für Migration bei überschaubaren 0,0 Prozent.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFlüchtlinge und Kirche
:Sicher im Gotteshaus?

Seit 40 Jahren bewahrt die Kirchenasyl-Bewegung bestimmte Flüchtlinge vor der Abschiebung. Nun warnt sie: Dieser Schutz könnte durch das EU-Asylpaket unter Druck geraten. Soeben erst wurde in Nordrhein-Westfalen eine kirchliche Zuflucht geräumt.

Von Annette Zoch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: