Aschewolke über Deutschland:Ramsauers Kampf an drei Fronten

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Der unbekannte Verkehrsminister findet sich im gleißenden Rampenlicht wieder: wie Peter Ramsauer mit seinem Krisenmanagement sowohl die Airlines als auch die Piloten gegen sich aufbringt - und nun auch Kritik von Koalitionspartnern einstecken muss.

Birgit Kruse

Eines wollte Peter Ramsauer auf keinen Fall: als Minister ins Bundeskabinett zu wechseln. Immer wieder war der 56-Jährige für solche Posten im Gespräch. Immer wieder konnte er es abwenden, den Posten des CSU-Landesgruppenchefs aufzugeben. Bis nach der Bundestagswahl 2009: Da stand ein Wechsel ins Kabinett von Kanzlerin Merkel unter anderen Vorzeichen.

Verkehrsminister Peter Ramsauer ist derzeit Deutschlands oberster Krisenmanager - und hat es mit Kritik von drei Seiten zu tun. (Foto: Foto: ddp)

Da war Ramsauer plötzlich nicht mehr nur als Ersatzmann für einen glücklosen Michael Glos vorgesehen. Erstmals hatte er die Aussicht darauf, mindestens eine ganze Legislaturperiode am Kabinettstisch zu sitzen. Als Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung würde er mitten in der Wirtschaftskrise zudem noch über den größten Investitionshaushalt der Regierung verfügen. Für Ramsauer war ein Wechsel ins Kabinett also durchaus eine attraktive Option.

Und auch in Bayern war man froh, dass das strategisch so wichtige Ministerium wieder in CSU-Hand war. Als "kriegsentscheidend" bezeichnete ein Parteifreund dieses Ressort einst für die Bayern. Bis dahin war Ramsauer in den eigenen Reihen eher durch markige Sprüche denn durch große Taten aufgefallen. Merkel hielt von dem Raufbold aus Bayern ebensowenig wie der eigene Parteichef Horst Seehofer. Doch das spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Lieber träumte man schon von neuen Verkehrsprojekten im Freistaat.

Doch seit die Asche des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull Europa auf den Boden zwingt, gerät der Minister aus dem oberbayrischen Traunwalchen immer mehr zwischen die Fronten seiner Kritiker.

Am vergangenen Wochenende war er als Krisenmanger noch zur Höchstform aufgelaufen als die Fluggesellschaften ihn wegen der Sperrung des Luftraums angegriffen hatten. Eben diese Kritik ist es, die Ramsauer besonders ärgert. Und dass sie ihn in dieser schwierigen Situation öffentlich unter Druck setzen wollen. "Sicherheit muss höher gewichtet werden als Geschäftsinteressen", entgegnet er ihnen knapp und klar. Dass Ramsauer sich früher oft als Mann der Wirtschaft gab, spielt in diesen Tagen keine Rolle. Zumal der Minister selbst Opfer der Aschewolke geworden war. Mit dem Auto musste der Minister von Berlin nach Bayern reisen, um an der Vorstandsklausur seiner Partei in Wildbad Kreuth teilnehmen zu können.

Doch die Fluggesellschaften lassen nicht locker. Vor allem der Air-Berlin-Chef Joachim Hunold findet deutliche Worte, um seiner Kritik an Ramsauers Krisenmanagement Ausdruck zu verleihen. "Wir haben schon am Samstag angeboten, selber Testflüge zu machen und unsere Erkenntnisse in die Beurteilung mit einfließen zu lassen", sagte Hunold in der ARD-Sendung Beckmann am Montagabend.

Ihn habe umgetrieben, dass aufgrund von Computermodellen Gefahrensituationen aufgezeigt würden, "obwohl seit vier Tagen von Kiel bis Berchtesgaden blauer Himmel" geherrscht habe. "Ich selbst hatte Sonntagabend einen so schönen Sichtflug, wie ich ihn noch nie gehabt habe." Er habe weder Aschewolken gesehen, noch gab es Beschädigungen am Flugzeug oder den Cockpit-Fenstern. Die Bereitschaft seiner Fluggesellschaft, im Dialog mit den Behörden Lösungswege zu finden, sei nicht angenommen worden. Ihn habe besonders gestört, "dass wir keine gesicherte Erkenntnis haben und trotzdem den Luftraum brachliegen lassen".

Inzwischen hat Ramsauer nach einer Telefonkonferenz mit den EU-Verkehrsministern das Flugverbot wieder gelockert - und schon kommt die nächste Kritik. Diesmal von der Pilotenvereinigung Cockpit. Sie zweifelt an der wissenschaftlichen Einschätzung der Gefährlichkeit der Wolke und findet die Sondergenehmigungen, die es Piloten erlaubt, auf Sicht zu fliegen, unverantwortlich. Für die Pilotenvereinigung hat die Politik die Risiken der neuen Sichtflug-Regelungen auf die Piloten abgewälzt. Kurz vor dem ersten Messflug am Montagnachmittag habe man "schnell die Lufträume durch juristische Winkelzüge geöffnet, um dann loszufliegen", so der Vorwurf. Die Vorgehensweise sei aus Sicht der Piloten inakzeptabel, "zumal die Verantwortung jetzt voll auf die Piloten abgeschoben wird". Außerdem fehle die wissenschaftliche Grundlage für eine Wiederaufnahme der Flüge.

Die Piloten hätten nur wenig Spielraum, sich gegen die jüngste Sichtflug-Regelung zu wehren: "Wir können nicht viel machen", erklärte ein Cockpit-Sprecher. Wenn der Pilot sich jetzt weigern sollte, wäre dies Arbeitsverweigerung, dann müsse er um seinen Arbeitsplatz fürchten. Von der Politik müssten endlich verlässliche Aussagen kommen.

Auch von dieser Kritik will Ramsauer nichts hören. Er handle verantwortlich und "nicht hauruckmäßig", betont er im ZDF- Morgenmagazin. Mit den eingeschränkten kontrollierten Flügen habe Deutschland gewissermaßen eine "konstruktive Schrittmacherfunktion" in Europa übernommen, verteidigt er sich. Nicht einmal von seinen "Verbindungen in die besten Pilotenkreise" habe er sich unter Druck setzen lassen, versichert er. Von dort höre er seit "drei Tagen nichts anderes als 'mach doch bitte alles, dass wir wieder fliegen können'".

So viel Kritik wie in den letzten Tagen musste Ramsauer in dem halben Jahr seiner bisherigen Amtszeit nicht einstecken. Bis jetzt lief für den gelernten Müllermeister alles nach Plan. Die Einweihungen von Tunneln, Ortsumgehungen oder Straßenbauabschnitten machte er zum Medienereignis. Mit der Forderung nach einer Pkw-Maut bestimmte er die Schlagzeilen und auch die Abschaffung zahlreicher Anglizismen in seinem Ministerium verschaffte ihm Aufmerksamkeit.

Dass sich nun ausgerechnet die Abgeordneten des eigenen Koalitionspartners gegen ihn wenden und damit die dritte Frontlinie im Kampf um den Luftraum eröffnen, muss den CSU-Mann schmerzen - unterkriegen lässt er sich von dem Störfeuer aus Berlin jedoch nicht.

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Der FDP-Verkehrspolitiker Patrick Döring stößt sich vor allem an der Wortwahl Ramsauers, der den Fluggesellschaften zynisches Aufrechnen von Umsatzeinbrüchen und Risiken für Leib und Leben von Passagieren vorgeworfen hatte. "Das ist nicht meine Wortwahl. Ich hätte die Sicherheitsphilosophie der Fluggesellschaften nicht in Zweifel gezogen", sagt Döring, um im selben Atemzug den Minister wieder in Schutz zu nehmen: "Ich kann nicht erkennen, dass man dem Minister Vorwürfe machen kann."

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Deutlicher wird Dörings ehemaliger Fraktionskollege Horst Friedrich. Er kritisiert die Amtsführung Ramsauers. Der Bild-Zeitung sagt der FDP-Verkehrsexperte: "Es ist doch ganz selbstverständlich, dass die Sicherheit vorgeht. Aber der Verkehrsminister hat zu starr ausschließlich die Sicherheit im Blick und vernachlässigt die Probleme von den Leuten, die im Ausland darauf warten, endlich zurückzukommen."

Aus Sicht von Andreas Lämmel, CDU-Obmann im Wirtschaftsausschuss, muss sich Ramsauer fragen lassen, wie die unterschiedlichen Bewertungen der Lage zu erklären seien. "Es darf nicht sein, dass wir uns angesichts der immensen wirtschaftlichen Schäden vor allem im Tourismus allein auf Messungen berufen, die höchst umstritten sind."

Doch all die Kritik ficht Ramsauer nicht an. Er scheint sich trotz der zahlreichen Kritiker in seiner Rolle als Krisenmanager wohl zu fühlen.

Unterstützung erhält Ramsauer außerdem aus den eigenen Reihen. "Der Minister habe von Anfang an alles richtig gemacht", betont CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Sicherheit gehe vor. "Das ist die entscheidende Botschaft. Wir können da kein Risiko eingehen". Und auch Parteichef Seehofer stellt sich hinter den CSU-Minister. Ramsauer habe seine "uneingeschränkte Unterstützung", betont Seehofer. Zu dessen Einstellung, dass Sicherheit Vorrang vor ökonomischen Interessen habe, gebe es keine Alternative. "Wir brauchen die Flüge, aber nicht zu jedem Preis."

Derzeit warten Wirtschaft und Unternehmen gespannt auf die Auswertung der Daten des Forschungsfluges. "Die Wissenschaftler haben bis in die frühen Morgenstunden gearbeitet", heißt es aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Daten sollten noch heute dem Verkehrsminister und dem Deutschen Wetterdienst übergeben werden.

Und auch Ramsauer wird gespannt auf den Anruf aus Oberpfaffenhofen warten. Denn sollten die Messungen bestätigen, dass Flüge durch die Aschewolke lebensgefährlich gewesen wären, kann Ramsauer aufatmen. Dann hat er alles richtig gemacht. Auch auf der Sondersitzung des Verkehrsausschusses im Bundestag verteidigt Ramsauer noch einmal seine Position. Bei der derzeitigen Lage handele es sich um "ein Phänomen, wie wir es in der europäischen Luftfahrt noch nie hatten." Selbst dem Bundestag wird Ramsauer Rede und Antwort stehen. Am morgigen Mittwoch wird er sich in einer Regierungserklärung im Bundestag zum Krisenmanagement äußern.

Sollten die Experten nach der Auswertung der Daten nun doch zu dem Ergebnis kommen, dass Fliegen durchaus möglich gewesen wäre, wird der Druck auf Ramsauer noch weiter zunehmen. Dann muss er sich schleunigst um die nächste Krise kümmern - um seine ganz persönliche.

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