Gesundheitspolitik:"Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" soll gegendert werden

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In deutschen Apotheken arbeiten zu 80 bis 90 Prozent Frauen. (Foto: imago images/Westend61)

Weil in Praxen und Apotheken mehr Frauen als Männer arbeiten, wollen die Berufsverbände den für Werbung verpflichtenden Satz umformulieren. Gesundheitsminister Lauterbach unterstützt eine entsprechende Gesetzesänderung.

Von Kassian Stroh

In Deutschland arbeiten in etwa so viele Ärztinnen wie Ärzte, in den Apotheken sind - je nach Statistik - sogar 80 bis 90 Prozent der Beschäftigten Frauen. Mit der Realität hat der Satz, der in fast jeder Werbung für Arzneimittel zu lesen oder zu hören ist, also wenig zu tun: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker."

Das Problem ist nur: Die Hersteller von Medikamenten müssen in ihrer Werbung den Satz nennen, und zwar so und nicht anders. Das steht in Paragraf 4 des Heilmittelwerbegesetzes - für jegliche Werbung für Arzneimittel "außerhalb der Fachkreise". Nicht nur die Formulierung ist gesetzlich vorgeschrieben, sondern zum Beispiel auch, dass der Satz "von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar" sein und im Fernsehen auch vorgelesen werden muss.

Diverse Berufsvereinigungen fordern jedoch, den Satz neu und geschlechtsneutral zu formulieren - und haben nun für ihre Initiative einen prominenten Fürsprecher gefunden: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. "Ich wäre sehr dafür, wenn Ärztinnen ausdrücklich genannt würden. Es entspricht der Realität der Versorgung", sagte der SPD-Politiker der Bild -Zeitung.

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Er ist nicht der erste, der sich des Themas annimmt: 2005 hatte die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) folgende Formulierung angeregt: "Holen Sie ärztlichen Rat ein und fragen Sie Ihre Apothekerin oder Ihren Apotheker". Weil es zu viel Wirbel gab, ruderte die rot-grüne Regierung damals wieder zurück. Seit April 2021 liegt dem Bundestag auch eine Petition für eine gendergerechte Umformulierung vor, zum Beispiel mit "Ärzt:innen und Apotheker:innen". Die hat mit gerade mal 51 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern allerdings noch keine politische Wucht entfaltet. Das dürfte sich nach der Initiative der Berufsverbände nun ändern.

Die Frage ist freilich, wie der Satz genau umformuliert werden könnte. "Der Pflichttext sollte durch eine neutrale und dennoch leicht verständliche Formulierung ersetzt werden", fordert Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt. Die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Christiane Groß, plädiert dafür, ihn zu entpersonalisieren: "Fragen Sie in Ihrer ärztlichen Praxis oder Apotheke nach." Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, fordert hingegen eine Formulierung im Gesetz, die mehrere Varianten ermöglicht: "Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihre Apothekerin", "Fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Apothekerin" oder "Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker".

Den Pharmafirmen wiederum dürfte auch wichtig sein, dass der Satz nicht zu lang wird: Bei TV-Werbespots muss er auch gesprochen werden; je länger er also ist, desto teurer wird die Ausstrahlung. Das ist nebenbei wohl auch der Grund dafür, warum dieser Satz der gefühlt am schnellsten gesprochene im deutschen Fernsehen ist. Die Pharma-Lobby war es im Übrigen auch, auf deren Betreiben hin der Satz 1990 in das Gesetz aufgenommen wurde: Damit gelang es ihr, ein Werbeverbot für Medikamente zu verhindern.

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