Staatsangehörigkeit:Noch ein Härtefall für die Ampel

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Polizeibeamte begleiten einen abgelehnten Asylbewerber auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Grüne und FDP streiten um Reformen der Gesetze für Einbürgerung und Abschiebungen. Gerüchte, die Verhandlungen stünden vor dem Aus, weisen beide Seiten zurück.

Von Markus Balser und Constanze von Bullion, Berlin

Es raucht hinter den Kulissen, der Ärger ist erheblich. Aber keiner will schuld sein an dem Streit. Kurz vor Jahresende gibt es zwischen den Ampelparteien neue Auseinandersetzungen über die Migrationspolitik. Nach Angaben aus Koalitionskreisen scheiterte am Dienstag der Versuch, bei zwei wichtigen Vorhaben die abschließende Beratung und Abstimmung auf die Tagesordnung des Bundestags zu setzen. Es geht um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und um das sogenannte Rückkehrverbesserungsgesetz, mit dem die Bundesregierung Abschiebungen beschleunigen will. Auch ein Gespräch der Fraktionschefs im Bundeskanzleramt am Dienstag brachte keinen Durchbruch.

Streitpunkt Nummer eins: das geplante neue Staatsangehörigkeitsrecht. Es soll Ausländerinnen und Ausländern die Einbürgerung erleichtern, aber auch Mehrstaatigkeit und den Doppelpass zulassen. Bedingung für Einbürgerungen ist unter anderem, dass Bewerber für die deutsche Staatsbürgerschaft sich zur Verfassung bekennen - und in der Lage sind, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie ohne staatliche Hilfe zu erwirtschaften. Hier allerdings sollte es Ausnahmen geben. Menschen, die nicht selbst zu verantworten haben, dass sie staatliche Stütze brauchen, etwa wegen einer Behinderung, weil sie alleinerziehend sind oder Angehörige pflegen, sollten der Anspruch auf Einbürgerung nicht verlieren, auch wenn sie auf Sozialleistungen angewiesen sind. So war das Gesetz anfangs geplant.

Auch wer unverschuldet Hilfe vom Staat braucht, soll nicht Deutscher werden können

Auf Druck der FDP wurde dieser Passus gestrichen. Auch wer unverschuldet staatliche Leistungen bezieht, soll jetzt keinen Anspruch auf Einbürgerung mehr haben und kann bestenfalls noch über eine Härtefallklausel und nach Ermessen der örtlichen Behörde Deutscher werden. Etliche Sachverständige haben diese Regelung bei einer Anhörung kritisiert, auch mit Verweis auf das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Die Grünen fordern nun Korrekturen. Unverschuldet benachteiligte Gruppen sollen im Staatsangehörigkeitsgesetz explizit als Härtefälle benannt werden, die einbürgern dürfen - und zwar im Haupttext des Gesetzes, nicht nur wie bisher in seiner Begründung.

Für die FDP kommt eine solche Korrektur bisher nicht infrage. Man habe sich schon äußerst schwer damit getan, in Deutschland Mehrstaatigkeit zuzulassen, heißt es hier. Im Gegenzug für dieses Zugeständnis habe die FDP wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Bedingung der Einbürgerung gemacht. Dass die Grünen das Paket nun wieder aufschnüren wollten, sei nicht nachvollziehbar.

Von Scheitern will keiner reden: "Dann machen wir es halt im nächsten Jahr."

Vor dem Scheitern allerdings stehe das wichtige Vorhaben nicht, versicherten alle Beteiligten. Man habe Zeit, hieß es am Dienstag in der FDP. "Dann machen wir es halt im nächsten Jahr", sagte Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Auch die Grünen-Fraktion wies Gerüchte zurück, die Verhandlungen stünden vor dem Aus. "Wir sind in sehr guten, konstruktiven und kollegialen Gesprächen", betonte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz. "Vieles ist geeint, weniges offen. Wir sind zu jeder Zeit gesprächsbereit." Und auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sieht die Koalition "kurz vor der Zielgeraden".

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Nur dass es da eben noch Streitpunkt Nummer zwei gibt: das geplante Rückführungsgesetz. Es soll der Polizei Abschiebungen erleichtern, enthält aber auch einen Passus, wonach Asylbewerber länger als bisher reduzierte staatliche Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen sollen. Bisher stand ihnen nach 18 Monaten in Deutschland das höhere Bürgergeld zu und damit auch voller Zugang zum Gesundheitssystem.

Um Deutschland weniger attraktiv für Einwanderer zu machen, wurde der Zeitraum mit abgesenkten Leistungen auf Wunsch der FDP verlängert, von 18 auf 36 Monate. Man stehe auch bei den Ländern im Wort, die damit finanziell entlastet würden, sagen Liberale. Das wiederum hat die Grünen auf den Plan gerufen. Sie verwiesen schon vor Wochen auf verfassungsrechtliche Bedenken: Das Bundesverfassungsgericht habe die abgesenkten Leistungen für Asylbewerber mehrmals als zu niedrig gerügt. Das Existenzminimum dürfe hier nicht unterschritten werden. Es wird verhandelt, vermutlich bis ins neue Jahr.

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