Neuwahl-Debatte:Gedankenspiele ums Kanzleramt

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Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, bei einer Rede im Bundestag, im Hintergrund Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Union will möglichst rasch Neuwahlen - aber es könnte bei einem Bruch der Ampelkoalition eine andere Lösung geben. Ein einflussreicher Ministerpräsident hält zumindest die K-Frage bei CDU/CSU bereits für entschieden.

Von Georg Ismar

Friedrich Merz verpackt seine Hoffnung auf eine Neuwahl im Bund in besinnliche Worte. "Zum Ende des Jahres 2023 kann ich dankbar feststellen, dass die Wählerinnen und Wähler in Deutschland Schritt für Schritt wieder dabei sind, uns Vertrauen zu schenken", schreibt der CDU-Vorsitzende in seiner wöchentlichen "Merz-Mail". Er wolle hier der "aufrichtigen Hoffnung" Ausdruck verleihen, "dass Deutschland im nächsten Jahr besser regiert wird, als in diesem Jahr", so Merz.

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Seit Wochen laufen in der Union Gedankenspiele für den Ernstfall. CSU-Chef Markus Söder hat eine Neuwahl des Bundestags parallel zur Europawahl am 9. Juni ins Spiel gebracht. Merz hat ebenfalls diesen Termin im Visier. Er und Söder seien sich "einig, dass wir so schnell wie möglich diese Regierung ablösen wollen", hat Merz nun der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Doch dafür müsste zunächst die Ampelkoalition zerbrechen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und verlieren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Neuwahlen anordnen.

Neuwahlen bei einem Koalitionsbruch sind nicht zwingend erforderlich

Zwar ist die Haushaltskrise längst nicht final gelöst und im Januar drohen wegen der Streichung der Vergünstigungen bei Kfz-Steuer und Agrardiesel neue Proteste der Landwirte - aber SPD, Grüne und FDP bekräftigten ihren Willen, weiterzuregieren und es besser zu machen im neuen Jahr. Zudem mahnen einige in der Union, dass Neuwahlen bei einem Koalitionsbruch nicht ausgemacht seien.

Interne Gedankenspiele gehen so: Bundespräsident Steinmeier könne - wie nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen die SPD - die Union dazu drängen, wegen der vielen internationalen Krisen übergangsweise in eine große Koalition unter Scholz' Führung einzutreten; auch wenn die Union mehr als doppelt so stark in Umfragen wie die SPD ist. Basis wäre aber das Ergebnis der Bundestagswahl 2021. Auch wenn Merz das nicht will, sich dem dann zu verweigern, dürfte schwer werden. Die Union könnte im Gegenzug unter anderem darauf pochen, dass das neue Wahlrecht, das besonders zulasten der CSU gehen könnte, wieder geändert wird. CSU-Chef Söder machte dies zuletzt zur Bedingung jeglicher Regierungsbeteiligung. Ein Nebeneffekt für Merz könnte bei diesem Gedankenspiel sein, dass die Kanzlerkandidatenfrage womöglich entschieden wäre, denn würde er zum Beispiel Vizekanzler, wäre er quasi für den nächsten Bundestagswahlkampf gesetzt.

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Aber zumindest auch im Fall einer vorgezogenen Neuwahl wäre ihm die Kandidatur derzeit kaum zu nehmen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die K-Frage zugunsten des Sauerländers bereits als entschieden an. "Ja, das denke ich", sagte Kretschmer der Funke-Mediengruppe. "Friedrich Merz ist Vorsitzender der CDU und der Unionsfraktion im Bundestag - und wird von Markus Söder, Alexander Dobrindt und mir sehr unterstützt bei einer Kandidatur".

Hält die Ampel, wollen Merz und Söder im Spätsommer des kommenden Jahres klären, wer Scholz bei der regulär im September 2025 anstehenden Bundestagswahl herausfordern soll. Bisher ist unklar, ob die Entscheidung vor oder nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen (beide am 1. September) und Brandenburg (22. September) getroffen werden soll. Je nach Ausgang und dem Ergebnis der AfD drohen der CDU neue Debatten um die sogenannte Brandmauer zu der in Teilen rechtsextremen Partei, die wiederum Merz' derzeit unangefochtene Stellung wieder schwächen könnten.

Die SPD hätte am liebsten Friedrich Merz als Gegner im Kampf um das Kanzleramt

Neben dem bei den Persönlichkeitswerten beliebteren CSU-Chef Söder wird auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt - der vor vorschnellen Festlegungen in der Frage warnt und CDU-Chef Merz immer wieder inhaltlich Paroli bietet. Er führt in seinem Bundesland ein schwarz-grünes Bündnis an, während Merz sich an den Grünen abarbeitet, die aber nach der nächsten Bundestagswahl neben der SPD eine der wenigen Koalitionsoptionen sein könnten. Merz selbst hält sich bisher, auch zu den eigenen Ambitionen, bedeckt - eine wichtige Wegmarke, auch für eine mögliche Vorentscheidung, könnte der CDU-Bundesparteitag im kommenden Mai sein.

Einig ist man sich in der Union vor allem darin, dass ein Machtkampf mit Söder - wie seinerzeit zwischen Armin Laschet und dem bayerischen Ministerpräsidenten - vermieden werden soll.

In der SPD und im Kanzleramt ist man sich wiederum einig, wen man dort am liebsten als Gegner hätte: Friedrich Merz. Die Kanzlerpartei hält ihn für zu unstet und zu impulsiv, der CDU-Chef werde im Wahlkampf Fehler machen. Aber bei der SPD ist dieser Tage vieles gerade auch vom Prinzip Hoffnung getragen.

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