Afghanistan-Politik:Guttenberg korrigiert Guttenberg

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Verteidigungsminister Guttenberg plädiert für Kontakte zu gemäßigten Taliban - vor zwei Jahren klang er noch ganz anders.

Stefan Braun, Berlin

Es ist, vorsichtig ausgedrückt, ein schwieriges Thema, das Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg anfasst. Als hätte er mit dem Streit um die Entlassung seines früheren Generalinspekteurs und um seinen Kurswechsel in der Bewertung des Luftangriffs von Kundus nicht genug Probleme, öffnet Guttenberg eine weitere, vor allem politische Kampfzone: Er plädiert in einem Interview mit der Welt am Sonntag dafür, die bisherige Quasi-Kontaktsperre zu gemäßigten Taliban-Gruppen in Afghanistan aufzulösen.

Vor zwei Jahren kannte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg noch "niemanden, der je einen vernünftigen Taliban getroffen hätte". Jetzt erklärt er selbst den Dialog mit afghanischen Aufständischen für möglich. (Foto: Foto: Reuters)

Dabei erinnert er an den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger, der solche Strategien als "Kommunikationskanäle" bezeichnet hatte. Guttenberg will nun prüfen, ob man Kissingers Idee mit Blick auf Afghanistan "nachschärfen" müsse. Doch was konstruiert klingt, hat eine klare Botschaft: Um eine realistische Abzugsperspektive zu haben, müsse Deutschland mit manchem reden, den es derzeit noch bekämpfe. Denn, so der Verteidigungsminister: "Nicht jeder Aufständische bedroht gleich die westliche Gemeinschaft."

Wer sich daran erinnert, wie der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck attackiert wurde, als er im Frühjahr 2007 eine ähnliche Idee zum Besten gab, der ahnt, dass Guttenberg entweder ein Ablenkungsmanöver startet, um die Aufmerksamkeit von seinen innenpolitischen Querelen um Schneiderhan und die Umstände des Luftangriffs wegzulenken.

Oder der Minister will tatsächlich - in einer Situation, in der eine bislang oft verschämt geführte Afghanistan-Debatte aufbricht - die Zeit für eine grundsätzliche Diskussion nutzen. Guttenberg selber sagt, in der derzeitigen Debatte liege eine "große Chance", weil sie "die Defizite der Behandlung des Themas Afghanistan in den letzten Jahren" schonungslos offenlege.

Guttenberg reagierte mit Hohn auf Beck

Angesichts dessen darf man gespannt sein, wie schonungslos die Diskussion diesmal geführt wird. Als Kurt Beck 2007 empfahl, Gespräche mit gemäßigten Taliban "auszuloten", erntete er heftige Kritik, auch aus der Union. Der damalige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einem "abstrusen" Vorschlag; der außenpolitische Sprecher der Union, Eckart von Klaeden, erklärte, Becks Vorschlag sei "nicht sonderlich gut durchdacht."

Klaedens Begründung: Mit Aufständischen ins Gespräch zu kommen, "wäre eine internationale Aufwertung der Taliban, die die Autorität der gewählten Regierung von Hamid Karsai beschädigen würde". Der CSU-Mann Hans-Peter Uhl sprach "von einer abenteuerlichen Vorstellung".

Das ganze Ausmaß dessen, was Guttenberg jetzt anstößt, wird erst klar, wenn man Guttenberg an Guttenberg selbst erinnert. Denn auch er reagierte vor zwei Jahren mit Hohn auf Becks Einlassungen. Zunächst nannte er Becks Reden von moderaten, vernünftigen Taliban "irreführend", dann lästerte er, außer Kurt Beck und dem damaligen Regierungssprecher Thomas Steg (der Beck verteidigt hatte), kenne er "niemanden, der je einen vernünftigen Taliban getroffen hätte".

Und schließlich hatte er in einem besonders forschen Moment der Financial Times Deutschland erklärt: "Wer Afghanistan in einen Friedhof für ausländische Soldaten verwandeln will, kann kein Verhandlungspartner sein."

Viele halten Guttenberg für kanzlerfähig

An dieser Ansicht, das darf man annehmen, hat sich für Guttenberg nichts geändert. Ansonsten zeigt sein neuer Kurs, wie anders er die Dinge inzwischen sieht.

"Es gibt", sagt Guttenberg jetzt, "Unterschiede zwischen Gruppen, die aus der radikalen Ablehnung des Westens die Bekämpfung unserer Kultur zum Ziel haben, und etwa solchen, die sich ihrer Kultur vor Ort verbunden sehen."

Für die SPD kommt Guttenbergs Neuausrichtung überraschend. Eine Reaktion darauf ist deutlich schwerer als ein Angriff auf den Verteidigungsminister wegen seines Streits mit Ex-Generalinspekteur Schneiderhan. Das Ziel der SPD: Sie will den Konflikt der beiden Chefs ins Zentrum des Untersuchungsausschusses rücken - und hofft, dass irgendwas hängenbleibt am in der SPD verhassten Politaufsteiger der Union. Bislang gibt es dafür keine Hinweise.

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass sich an Guttenbergs Popularität seit Ausbruch der Krise nichts geändert hat. Bei einer zweiten wollen die Meinungsforscher gar ermittelt haben, dass die Mehrheit Guttenberg für kanzlerfähig halte.

© SZ vom 21.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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