AfD:Höhenflug Richtung Westen

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"Heute bekommt die Ampel die Quittung", schrieb die AfD-Co-Chefin Alice Weidel am Wahltag. Tatsächlich hat ihre Partei deutliche Zugewinne erzielt. Hier die Wahlparty der AfD in München. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Die AfD hat auch am Sonntag sehr gute Resultate erzielt. Davon, dass sie lediglich eine ostdeutsche Regionalpartei sei, kann keine Rede mehr sein.

Von Roland Preuß, Berlin

Es sollte der Tag der Abrechnung werden. "Heute bekommt die Ampel die Quittung", schrieb Co-Parteichefin Alice Weidel am Sonntagmittag auf der Plattform X, vormals Twitter. Kurz nach Schließung der Wahllokale wurde dann schnell klar: Die in Teilen rechtsextreme Partei kann mit deutlichen Zugewinnen rechnen. In Bayern schafft sie es dem vorläufigen Endergebnis zufolge auf rund 15 Prozent. In Hessen gewinnt sie demnach etwa fünf Prozentpunkte hinzu und erreicht um die 18 Prozent. Damit gilt sie außer der hessischen CDU als Gewinnerin der Wahlen und liegt in beiden Ländern vor der SPD.

Die Abstimmungen in Bayern und Hessen waren auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil es die ersten Landtagswahlen waren, seitdem die AfD in bundesweiten Umfragen Rekordwerte erzielt. Im ZDF-Politbarometer von Mitte September war sie auf den neuen Höchstwert von 21 Prozent gestiegen. Aber wie stark realisieren sich diese Umfragewerte in Wählerstimmen?

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Die Bürger würden sich nach weniger Streit in der Koalition sehnen, so lautet eine der Analysen nach den beiden Landtagswahlen. Nach den Verlusten der drei Parteien am Sonntag dürfte das nicht wahrscheinlicher werden.

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Die AfD bleibt in beiden Fällen zwar deutlich unter den bundesweiten Umfragewerten, weil die Partei in Ostdeutschland noch deutlich höhere Ergebnisse erzielt. Sie kann jedoch auch im Westen von der Stimmungslage profitieren. Anders als noch vor wenigen Jahren von vielen vorhergesagt, ist sie damit nicht auf dem Wege zu einer ostdeutschen Regionalpartei. AfD-Co-Chefin Weidel sprach am Abend von einer "Denkzettel-Wahl" gegen die Ampel.

Der AfD-Vizevorsitzende Stephan Brandner hatte zuvor als Wahlziel ausgegeben, die AfD müsse jeweils "mit guten Gewinnen zweitstärkste Kraft" werden und jeweils stärkste Oppositionsfraktion. Ob sie diese Ziele erreicht, war am Sonntagabend zwar noch nicht sicher, aber wahrscheinlich. In Bayern lag die Rechtsaußenpartei zwar vor den Freien Wählern unter ihrem Vorsitzenden und Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger, aber nur knapp vor den Grünen. In Hessen allerdings holt die AfD wohl deutlich mehr Stimmen als SPD oder Grüne. Die Grünen regieren in Wiesbaden in einer Koalition mit der CDU.

Damit könnte die AfD erstmals in zumindest einem westdeutschen Land zur zweitstärksten politischen Kraft aufsteigen. Auch im historischen Vergleich der westdeutschen Bundesländer dürfte die AfD damit Rekordwerte erreichen, bisher hatte sie 2016 in Baden-Württemberg mit 15,1 Prozent der Stimmen ihr bestes Ergebnis erzielt. Sowohl in Bayern als auch in Hessen jubelten die AfD-Anhänger über die Ergebnisse.

Die Partei hatte auf bundesweite Reizthemen gesetzt wie Energiewende und Asylpolitik

Eine Perspektive für eine Regierungsbeteiligung hat sie dennoch nicht. Sowohl in Hessen als auch in Bayern hatten die anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen. Weidel sagte im ZDF zu einem Bündnis mit CDU und CSU: "Natürlich bieten wir uns an." Aus ihrer Sicht aber habe sich die Union mit einem Verbot der Zusammenarbeit, bekannt als Brandmauer, eine strategische Option verbaut. Im kommenden Jahr allerdings, so Weidel weiter, werde man bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg so stark werden, dass man "nicht mehr an uns vorbeikommt". In allen drei Ländern steht die AfD in den Umfragen bei mehr als 30 Prozent.

Dementsprechend beharrt Weidel darauf, dass die AfD einen Kanzlerkandidaten oder eine Kandidatin aufstellt, sie selbst kann sich dabei gute Chancen ausrechnen. Man liege vor der Kanzlerpartei SPD und leite davon natürlich einen Führungsanspruch ab, sagte sie. Die Entscheidung soll kommendes Jahr fallen.

Die AfD hatte zuletzt vor allem auf bundesweite Reizthemen und Polemik gegen Ampel-Vorhaben gesetzt. Die Parteiführung ätzte gegen die angeblich von der Bundesregierung verursachte Inflation, gegen die militärische Unterstützung der Ukraine, gegen die Energiewendepläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit seinem angeblichen "Heizhammer" und gegen die Asylpolitik der Ampelpartner, welche die AfD durch eine Politik der Abschottung und Abschiebungen ersetzen will.

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Die Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen legt nahe, dass die AfD damit Erfolg hatte, insbesondere mit dem Thema Migration. Auf die Frage, ob Bayern die vielen Flüchtlinge verkraften könne, antworteten 59 Prozent der Befragten mit Nein, in Hessen waren es 53 Prozent. Ein deutlicher Anstieg gegenüber den Ergebnissen aus dem Jahr der vorigen Landtagswahlen 2018. Zudem ist die Angst, dass es einem in Zukunft wirtschaftlich schlechter gehen wird als heute, bei den AfD-Wählern besonders weit verbreitet. Diese Befürchtung äußerten 55 Prozent der AfD-Anhänger, deutlich mehr als Bürgerinnen und Bürger, die anderen Parteien nahestehen.

Seit dem Frühling 2020 hing die Partei in Umfragen bei um die zehn Prozent fest und musste in den Ländern eine Reihe von Wahlniederlagen hinnehmen. Im Sommer vergangenen Jahres begann dann der Aufstieg in den Umfragen, der sich allerdings nicht durchgehend in den Ergebnisbalken niederschlug. Vergangenen Herbst konnte die Partei in Niedersachsen zwar erstmals wieder einen Zugewinn von fast fünf Prozentpunkten verzeichnen, in Berlin dagegen verlor sie diesen Februar im Vergleich zu 2016 noch mehr als fünf Punkte.

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