Kunst:Der nackte Wahnsinn

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Bitte, darf man so etwas wirklich noch ungepixelt zeigen? In Florida eher nicht: Michelangelos David in der Galleria dell'Accademia von Florenz. (Foto: xbrchx/IMAGO/YAY Images)

In Florida wird eine Schulleiterin geschasst, weil sie im Kunstunterricht Michelangelos nackten David zeigte. Über die Rückkehr des Feigenblatts.

Von Martin Zips

Der nackte Körper in der Kunst - das ist eine komplexe Angelegenheit. Bei Leonardo da Vinci etwa ist das Studium der Nacktheit Ausdruck eines generellen Interesses für die Welt. Woanders hat Blöße, wie bei Tizian, wenn er Maria Magdalenas Busen blitzen lässt, auch etwas mit Begierde zu tun. Am Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle hinterließ Michelangelo gleich 24 nackte Männer, und direkt über dem Papstaltar fliegt Gottvater mit entkleidetem Hinterteil.

Nun soll im US-Bundesstaat Florida eine Schulleiterin rausgeworfen worden sein, weil sie im Kunstunterricht den nackten David von Michelangelo zeigte. Der Vorsitzende der Schulbehörde, Barney Bishop, hatte der Frau ein Ultimatum gestellt, wegen der Verwendung "pornografischen Unterrichtsmaterials". Das Blatt Tallahassee Democrat berichtet, die Frau sei von Polizisten abgeführt worden.

Haut setzt Emotionen frei! In der Antike war es die Debatte über den Lendenschurz, den die Griechen nicht so gerne mochten wie die Römer. Im Spätmittelalter war Nacktheit dann derart alltäglich, aber auch problembehaftet, dass man sie nicht auch noch sonntags über sich in der Kirche sehen wollte. Und jetzt, im Zeitalter allgegenwärtiger digitaler Pornografie, muss der Mensch natürlich wieder geschützt werden. Das Feigenblatt kehrt zurück.

Sollte man die nicht auch lieber verhüllen? "Die Geburt der Venus" von Sandro Botticelli in den Uffizien. (Foto: Andre Maslennikov/imago images)

Nicht zu beneiden ist dieser Tage der Florentiner Bürgermeister Dario Nardella. Gerade erst hatte der Mann unter vollem Körpereinsatz sein Stadtparlament vor Klimaaktivisten und deren Farbe geschützt, dann hatte sich eine US-Studentin öffentlich beschwert, sie habe sich am Ponte Vecchio einfach nicht wohlgefühlt. Alles so italienisch dort. Nun, bei der David-Debatte, platzte Nardella erneut der Kragen. Es sei "einfach lächerlich", Kunst mit Pornografie gleichzusetzen, twitterte er. Die Galleria dell'Accademia, in der Michelangelos Skulptur steht, hat jetzt Schülerinnen und Schüler aus Florida eingeladen. Man würde ihnen gerne mal vor Ort das Meisterwerk erklären, so hieß es. Die geschasste Schulleiterin, ihr Vorname ist Hope, werde bald eine Auszeichnung überreicht bekommen.

Bei der Schulbehörde in Florida dürfte man sich eher auf der Seite des republikanischen Gouverneurs Ron DeSantis sehen, der mit Leibfeindlichkeit gerne punktet: So ließ er die Behandlung von Gender-Themen bis zur dritten Schulklasse untersagen, Schwule mag er auch nicht. Da kann man sich schon vorstellen, dass Hintern aus Stein bei ihm einiges an Energie freisetzen.

1863 hagelte es Verrisse von der Kritik: Édouard Manets "Olympia". (Foto: imago images/Artepics)

Und Michelangelos Männer sind ja wirklich irritierend schön. Ein Mönch hatte seinem Gekreuzigten sogar mal den Penis abgeschlagen, weil der ihn bei der Andacht störte. Kann man verstehen.

Für die, die sich nun ebenfalls ein neues Zeitalter der Prüderie herbeisehnen, gilt es nun noch einiges zu verbieten: Die nackten Dioskuren Castor und Pollux am römischen Kapitol zum Beispiel, die Venus von Botticelli oder auch "Olympia" von Édouard Manet. Und klar, man meint es ja gut, man muss doch die anderen schützen. Wie lästig, dass man selbst noch einen Körper hat.

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