Unwetter:Millionenschäden und Dutzende Verletzte in Nordrhein-Westfalen

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In Paderborn liegt das Dach eines Baumaschinenhändlers quer auf dem Gebäude. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

In Paderborn spricht die Polizei von einer "Schneise der Verwüstung", in Lippstadt deckt der Sturm viele Dächer ab. Der Wetterdienst beobachtet drei Tornados. Zur Sicherheit sollen die Bewohner auch am Samstag noch in ihren Häusern bleiben.

43 Verletzte, Millionenschäden und Zerstörungen: Insbesondere über Nordrhein-Westfalen sind am Freitag heftige Unwetter niedergegangen, in Paderborn und Lippstadt haben Tornados schwere Verwüstungen verursacht. Eine Frau schwebte in der Nacht auf Samstag in Lebensgefahr. Die Polizei appellierte an die Bewohner in den betroffenen Gebieten, zur eigenen Sicherheit in den Häusern zu bleiben und insbesondere die Innenstadt von Paderborn wegen der Aufräumarbeiten dort zu meiden.

Insgesamt habe man drei mögliche Tornados beobachtet, teilt der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit - in Paderborn, Lippstadt und in Lütmarsen, einem Ortsteil der Stadt Höxter. Mancherorts habe es auch Hagel und Niederschläge von bis zu 40 Litern pro Quadratmeter in kurzer Zeit gegeben. Die Gewitter seien aber relativ schnell durchgezogen.

Wie die Polizei mitteilte, gibt es in Paderborn 43 Verletzte. 30 würden in Krankenhäusern behandelt, 13 seien schwerer verletzt. Eine Frau schwebe in Lebensgefahr, sie sei am Abend in eine Klinik nach Bielefeld verlegt worden. "Hier ist gerade Chaos", sagte eine Polizeisprecherin am Freitagabend. Eine Windhose habe "eine Schneise der Verwüstung von West nach Ost mitten durch Paderborn gezogen". Menschen seien unter anderem von Dachziegeln getroffen und durch umstürzende Bäume verletzt worden, hieß es. In einem Gewerbegebiet seien Dächer von Hallen abgerissen worden und Bleche und Dämmung kilometerweit geflogen, berichtete die Polizei.

Im 35 Kilometer entfernten Lippstadt zerstörte mutmaßlich ein Tornado ebenfalls zahlreiche Dächer im gesamten Stadtgebiet, wie ein Feuerwehrsprecher mitteilte. Dort gab es nach bisherigen Erkenntnissen keine Verletzten. Ein Sprecher von NRW-Innenministerium Herbert Reul (CDU) erläuterte, neben Paderborn und Lippstadt seien keine weiteren Orte bekannt, die es ähnlich getroffen habe. Landesweit seien 7500 Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Hilfsorganisationen im Einsatz gewesen, sagte Reul. Auch der Bahnverkehr war wegen der Unwetter auf manchen Strecken eingeschränkt.

Feuerwehrleute entfernen Trümmer von einer Straße in Lippstadt. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Die durch Tief Emmelinde bedingten Gewitter trafen zuerst Nordrhein-Westfalen. Für Teile des Bundeslandes hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) am frühen Freitagnachmittag eine erste amtliche Unwetterwarnung wegen schwerer Gewitter herausgegeben. Die Meteorologen weiteten die Warnung später auf Teile von Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Baden-Württemberg aus.

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In Rheinland-Pfalz und dem Saarland blieben trotz massiver Gewitter größere Schäden aus. Polizei und Rettungskräfte meldeten vereinzelt umgestürzte Bäume, Hagelschäden an Autos sowie die Überflutung von Kellern. Ein Mann starb in Rheinland-Pfalz, als er einen unter Wasser stehenden Keller betrat: Der 38-Jährige habe dabei einen Stromschlag erlitten, sei dadurch zu Fall gekommen und vermutlich mit dem Kopf aufgeschlagen, teilte die Polizei mit.

In Mittelfranken in Bayern wurden 14 Menschen beim Einsturz einer Holzhütte verletzt, darunter mehrere Kinder. Sie hatten in ihr Schutz gesucht. Aus ungeklärter Ursache sei diese dann zur Seite gekippt und zusammengefallen, teilte die Polizei mit. In Sachsen unterbrach die Band Rammstein ihr Konzert am Freitagabend wegen eines Gewitters über Leipzig für eine halbe Stunde. Die Menschen in der Red-Bull-Arena wurden aufgefordert, den Innenraum des Stadions zu verlassen und Schutz zu suchen. Nach 15 Minuten wurden sie dann zurück in den Innenraum gelassen.

Paderborn: Eine Anwohnerin schaut aus einem der zerbrochenen Fenster ihrer Wohnung. Das Unwetter hat in der Stadt enorme Schäden angerichtet. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Der Deutsche Wetterdienst rechnete damit, dass die Gewitter Richtung Polen abziehen. Am Samstag könnte es dann im Nordosten noch ganz vereinzelt kurze Gewitter mit stürmischen Böen geben, die am Nachmittag nachlassen.

NRW-Innenminister Reul hatte die Bevölkerung angesichts der Unwetterwarnungen zu besonderer Vorsicht aufgerufen. Wegen der drohenden Unwetterlage beendeten viele Schulen den Unterricht am Freitag früher, damit die Schülerinnen und Schüler sicher nach Hause kommen konnten. Auch zahlreiche Veranstaltungen wurden in Hinblick auf das Wetter vorsichtshalber abgesagt. So fiel die in Bad Münstereifel geplante Dankesfeier für Helfer der Flutkatastrophe aus. In Köln wurden unter anderem der Zoo, der Forstbotanische Garten und die Friedhöfe geschlossen. Der Dortmunder Zoo blieb den ganzen Tag über geschlossen.

Angesichts der Wetterprognosen hatte das Landesamt für Natur und Umwelt in NRW auch den Hochwasserinformationsdienst aktiviert. Zu stärkeren Überflutungen kam es bisher allerdings nicht. Bei vielen dürften angesichts der Warnungen Erinnerungen an die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt sein. Dabei kamen im Juli 2021 nach extremem Starkregen mehr als 180 Menschen ums Leben, Tausende Häuser wurden verwüstet. Bis heute leben viele Menschen in Ausweichquartieren.

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