Über Deutschland ziehen am Freitag schwere Gewitter hinweg, der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Starkregen und Stürmen, vereinzelt seien sogar Tornados möglich. Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter des DWD, erklärt, wie man sich verhalten sollte, wenn man von einem Unwetter überrascht wird.
SZ: Der Klimawandel führt vermehrt zu Unwettern, weltweit sterben jedes Jahr etwa 24 000 Menschen an Blitzschlägen. Nun soll es wieder extreme Gewitter geben, und in ganz Deutschland warnen Ministerinnen und Meteorologen zur Vorsicht. Sind wir zu unbedarft im Umgang mit den Naturgewalten, Herr Friedrich?
Andreas Friedrich: Viele denken, das Wetter kann einem in unserer hochtechnisierten Welt nichts antun. Ein mitunter verhängnisvoller Irrtum. Bei einem starken Unwetter können Blitzeinschläge und umherfliegende Teile zu einer tödlichen Gefahr werden. Auch wenn die meisten in ihrem Leben nicht betroffen sein werden: Man sollte die Warnungen ernst nehmen.
Zum Thema Gewitter gibt es einige Merksätze: Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen. Abgesehen davon, dass viele gar nicht mehr in der Lage sind, die Bäume zu identifizieren - ist so was hilfreich?
Auf Mythen sollte man nichts geben. Ein Blitz weiß nicht, um welche Baumart es sich handelt. Er wählt lediglich das höchste Hindernis. Bei Gewitter sollte man deshalb im Freien überhaupt nicht in der Nähe eines Baums sein, da er bei einem Einschlag explodieren kann. Besser eine Lichtung oder eine Geländemulde aufsuchen, Füße zusammen und in die Hocke gehen, die Arme um die Beine schlingen.
Aber das Auto ist sicher, oder?
Es bietet auf jeden Fall Schutz vor Blitzeinschlag, sofern man keine Metallteile berührt. Anders ist es bei Orkanstürmen oder Tornados, die eine immense Kraft entfalten. Ein Orkan kann ein fahrendes Auto seitlich erfassen und umkippen. Ein Tornado kann ein Auto wie einen Spielball mit sich reißen, selbst Zugwaggons wurden schon nach oben gesaugt und wieder ausgespuckt.
Woran erkenne ich, ob es ein Tornado oder ein Orkan ist?
Einen Tornado erkennt man an seinem charakteristischen Wolkenrüssel. Wenn der nicht sichtbare Wirbelwind darunter den Boden berührt, zieht er eine Schneise der Verwüstung nach sich. An dem Rüssel lässt sich aus der Ferne abschätzen, wohin er zieht, man kann ihm ausweichen, indem man quer zu ihm Abstand gewinnt. Befindet man sich bereits in seiner Nähe auf freiem Gelände, sollte man sich möglichst entfernt von Bäumen halten und sich in eine Mulde legen - im Wald oder in Parks werden immer wieder Leute von Ästen erschlagen.
Wie sicher ist es in der Stadt?
Es kommt darauf an, wo man sich befindet. Denken Sie nur mal daran, was für eine Verwüstung etwa der Gewittersturm vom Tief "Anita" im Juli 2002 oder das Sturmtief im Februar in Berlin angerichtet hat. Da fallen Bäume auf Autos und erdrücken Menschen, Dächer werden abgedeckt, Trümmerteile und Dachziegel werden zu tödlichen Geschossen. Wenn dann noch viele Menschen draußen unterwegs sind, so wie bei der Siegesfeier der Eintracht in Frankfurt am Donnerstagabend auf dem Römerberg, wo Zehntausende von wolkenbruchartigen Regenfällen überrascht wurden - da kann die Stimmung schnell in Panik umschlagen. War ja dann zum Glück nicht der Fall.
Der Innenminister von NRW hat gerade dazu aufgerufen, dass die Menschen zu Hause bleiben. Zumindest da ist man sicher, oder?
Unter bestimmten Voraussetzungen. Wir haben ja in Deutschland keine Schutzräume wie in den USA. Deshalb sollte man bei einem Tornado am besten sofort den Keller oder einen Innenraum wie zum Beispiel Badezimmer aufsuchen. Auf jeden Fall weg vom Fenster, möglichst weit nach innen und unten - Dächer von frei stehenden Häusern können abgerissen, obere Etagen zerstört werden. Selbst Garagentore werden manchmal von Trümmerteilen durchschlagen.
Da bekommt man ja Angst.
Das ist nicht nötig. Man kann zwar einen Tornado nicht ausschließen, aber er tritt in unseren Breitengraden nicht so häufig auf wie etwa in den USA. Deutschlandweit können jedes Jahr zwischen 20 und 80 Tornados nachgewiesen werden, die auch Schäden anrichten. Man muss allerdings von einer größeren Dunkelziffer ausgehen. Das eigentliche Problem ist, dass man sich nicht so gut darauf vorbereiten kann. Im Unterschied zu Gewitter oder Sturmtief können unsere Wetterstatelliten und Radargeräte Tornados nicht erkennen. Somit werden sie immer erst im Nachhinein durch Augenzeugen verifiziert.