Kriminalität - Berlin:Bei Geldautomaten-Sprengungen zeichnet sich Rekordwert ab

Baruth/Mark
Ein Blaulicht leuchtet an einer Polizeistreife. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Mainz (dpa/lrs) - Sie kommen mitten in der Nacht mit hochmotorisierten Autos. Sie sind maskiert und ihr Coup dauert meist keine fünf Minuten: Die Rede ist von Geldautomaten-Sprengern, die in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz bereits 25 Mal zugeschlagen haben. Mit dieser Zahl zeichnet sich nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) ein Jahres-Rekord bei Geldautomaten-Sprengungen für das Bundesland ab. Man könne davon ausgehen, dass in 2020 der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2018 mit insgesamt 26 Fällen übertroffen werde, sagte der Sprecher vom LKA in Mainz der Deutschen Presse-Agentur.

Automaten-Sprengungen rissen Anwohner in der Pfalz, in Rheinhessen und in der Eifel aus dem Schlaf. Bislang zum letzten Mal in diesem Jahr knallte es am 11. September in Strohn im Kreis Vulkaneifel. Es gebe keine regionalen Brennpunkte, sagte der LKA-Sprecher. Aber: "Im Vergleich zu anderen Regionen lassen sich vermehrt Tatorte entlang der Rheinschiene feststellen." Man gehe davon aus, dass die meisten Taten auf das Konto von ausländischen, professionellen Tätergruppen gingen, so der Sprecher.

Deshalb sei es richtig gewesen, dass das LKA vor gut ein Jahr die Ermittlungen in diesem Delikt-Komplex zentral übernommen habe. Vor allem, weil es einen hohen Bedarf an Abstimmung und Koordinierung über Ländergrenzen hinweg gebe. So seien Kontakte zu in- und ausländischen Dienststellen ausgebaut worden. Und im Juli sei es gelungen, Kriminelle beim Versuch einer Sprengung zu schnappen. Zwei Männer und eine Frau stünden im Verdacht, in vier Fällen Sprengangriffe auf Geldautomaten verübt zu haben.

Das "Phänomen der Geldautomaten-Sprengungen" ist noch relativ jung. Erst seit 2013 wird es nach Angaben der Ermittler im Land beobachtet. Anfangs habe es vier Fälle im Jahr gegeben - heute ist es das Sechsfache. In diesem Jahr ist es laut LKA in acht Fällen beim Versuch einer Sprengung geblieben. Auch in Luxemburg hat es in diesem Jahr mehrere Fälle gegeben: "Anlassbezogen" könne es auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit geben, hieß es aus Mainz.

Die Täter sind nicht nur schwer zu fassen, weil sie im Schutz der Dunkelheit kommen und so schnell sind. Die Spurensuche am Tatort werde erschwert, weil durch die Explosion vieles zerstört werde, sagte der LKA-Sprecher. Zu der Höhe der insgesamt erzielten Beute gibt es keine Angaben.

Es gibt aber bundesweite Zahlen: In 2019 ging das Bundeskriminalamt von insgesamt 15,2 Millionen Euro aus, die durch Sprengungen aus Geldautomaten gestohlen wurden. Mehr als zwei Drittel der Täter seien "reisende Täter", die vor allem aus den Niederlanden stammten. Die meisten Sprengungen gab es in Nordrhein-Westfalen (105), Hessen (53) und Niedersachsen (45). In Rheinland-Pfalz standen 22, im Saarland 6 Fälle in der Liste.

Neben der Beute richten oft die Explosionen hohe Schäden an: So bezifferte die Polizei Anfang August den Schaden nach einem Angriff auf zwei Automaten in einem Geldinstitut in Dannstadt-Schauernheim (Rhein-Pfalz-Kreis) auf 300 000 Euro.

Nach polizeilichen Erkenntnissen werden die Automaten häufig gesprengt, indem die Täter ein Gas oder Gasgemisch einleiten und dann zünden, zum Beispiel mit einem verbundenen Elektroschocker. Manchmal werden statt Gas auch Pyrotechnik, selbst hergestellte oder gewerbliche Sprengstoffe eingesetzt. Insgesamt hat es 2019 bundesweit 349 Geldautomaten-Sprengungen gegeben. 142 Mal gelang es den Tätern, Beute zu machen - in 207 Fällen blieb es beim Versuch.

Warum sind Geldautomaten bei Kriminellen scheinbar so beliebt? Martin Kluge von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) und -prüfung in Berlin berichtet: Die Automaten seien bisher vor allem gegen "mechanische Angriffe" von außen gesichert worden, zum Beispiel mit Brechstange oder Bohrmaschine. Aber für eine Krafteinwirkung von innen wie bei einer Sprengung seien sie nicht ausgelegt. Allerdings werde nun nachgebessert.

Neu zugelassene Automatentypen müssten von der Konstruktion her jetzt explosionssicher sein, berichtete Kluge als stellvertretende Leiter des Fachbereichs Konstruktiver Brand- und Explosionsschutz Gase bei der BAM. Das Gerät dürfe bei einer Sprengung nicht auseinanderfliegen und vor allem: Geldkassetten dürften nicht zugänglich sein.

Möglich werde das, indem der sogenannte Wertschutzbehälter mit dem Geld durch Materialien wie Stahl so verstärkt werde, dass er dem inneren Druck Stand halten könne. "Der Behälter platzt nicht mehr auf." Kluge ist sich sicher: Würden die Automaten neuen Typs flächendeckend eingesetzt, würde das zu einem deutlichen Rückgang von Geldautomatensprengungen führen.

Noch seien aber vor allem Automaten alten Typs im Einsatz. Die Umstellung auf den neuen Typ von Automaten sei sehr "zeit- und kostenintensiv". Es gebe auch Nachrüstungs-Varianten - in Form von Antigas zum Beispiel, das eine Sprengung verzögere. "Das Sicherste ist aber, die Grundkonstruktion zu ändern", sagte Kluge auf dem Testgelände in Baruth/Mark (Brandenburg).

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