Haustiere und Ernährung:Ach du dicker Hund!

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Ist das noch Welpenspeck oder schon Übergewicht? (Foto: Jean-Michel Labat /imago images/Ardea)

Zu viele Snacks, zu wenig Bewegung: Übergewicht kann auch bei Haustieren zum Problem werden. Was hilft, wenn der Hund zu viel Fett angesetzt hat?

Von Titus Arnu

Obie ist eigentlich ein Dackel, sah aber früher aus wie ein brauner Kleinplanet. Als die Tierärztin Nora Vanatta auf den sechs Jahre alten Brummer aufmerksam wurde, wog er 35 Kilogramm. Er konnte mit seinen Stummelbeinen nicht mehr den Boden berühren und sich kaum bewegen. Er robbte und rollte sich voran, wenn er mal Gassi musste. In sehr traurigen Videos ist Obies unwürdiges Hundeleben dokumentiert. Es war kaum Lebensfreude in dem hilflosen Klops zu erkennen, bevor er sich einem radikalen Abspeckprogramm unterzog - selbst sein Schwanz war zu dick zum Wedeln.

Ein hilfloser Klops: Dackel Obie im Jahr 2012. (Foto: Obie Dog's Journey/Facebook)

Normalerweise liegt das Höchstgewicht von Dackeln bei neun Kilo. Obies Herrchen und Frauchen, ein älteres Ehepaar aus Portland an der US-Westküste, hatten das arme Tier komplett überfüttert und waren selbst aus körperlichen Gründen nicht mehr in der Lage, mit ihm spazieren zu gehen. Bevor die Tierschützerin Nora Vanatta sich Obies annahm und ihn auf Diät setzte, galt er als fettester Hund der Welt. Durch gesunde Ernährung und ein Fitnessprogramm gelang es Vanatta, den Dackel um gut zwei Drittel seines Gewichts zu erleichtern.

Ein ziemlich dicker Hund. Aber der schwerste Hund der Welt ist Obie längst nicht, diesen Rekord hält laut Guinness-Buch immer noch die altenglische Dogge Aicama Zorba, die vor ihrem Tod im Jahr 1989 stattliche 155,58 Kilo auf die Waage brachte. Der größte Hund aller Zeiten, die 2013 gestorbene Dogge Giant George, fraß pro Monat 50 Kilo Futter und wog bei einer Schulterhöhe von 1,10 Metern 111 Kilo. Doggen, Mastiffs und Bernhardiner sind sehr große Rassen, die schon mal zwei Zentner schwer werden können - problematisch und weit verbreitet ist Übergewicht aber auch bei kleinen Moderassen wie Mops, Beagle und Französische Bulldogge. "Bis zu 50 Prozent aller Hunde sind übergewichtig oder sogar fettleibig", warnt der deutsche Tierärzteverband.

Verkürzte Lebenserwartung

Dicke Dackel, pummelige Pudel, moppelige Möpse, beleibte Beagle, rundliche Rottweiler und füllige Foxterrier mögen auf den ersten Blick lustig aussehen. Doch die korpulenten Köter haben eher Mitleid verdient. Zu viel Speck auf den Rippen, das ist wie beim Menschen nicht nur eine Schönheitsfrage. "Es ist ein erheblicher Risikofaktor für Krankheiten wie Diabetes, Herz-, Kreislauf- und Gelenkerkrankungen, die die Lebenserwartung eines Tieres um bis zu zwei Jahre verkürzen können", konstatiert der Tierärzteverband. "Ein zu hohes Gewicht bei Heimtieren ist eine ernste Sache, die Tiere leiden", sagt Sarah Ross, Heimtierexpertin der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Übergewicht ist ein gesellschaftliches Problem, auch bei Hunden. Die meisten Hunde bekommen kalorienreiche Fertigprodukte zu fressen, gleichzeitig fehlt es an Bewegung. Fast alle Hunderassen wurden ursprünglich vom Menschen mit Aufgaben betraut, die sie physisch und psychisch forderten - Haus und Hof bewachen, bei der Jagd Fährten suchen und Beute apportieren, Schlitten ziehen, Fischernetze aus dem Wasser holen und vieles mehr. Heutzutage sind die meisten Hunde arbeitslos, sie chillen in beheizten Wohnungen, liegen faul auf dem Sofa und bekommen schon für winzige Pseudo-Anstrengungen wie "Sitz" oder "Platz" Leckerli zur Belohnung. Bei Menschen nennt man das Wohlstandsverwahrlosung.

Viele Tierhalter stecken ihren vierbeinigen Lieblingen dauernd Snacks zu, weil sie glauben, ihnen damit einen Gefallen zu tun. Der Fachhandel hält genügend passende Produkte bereit, etwa Hundeschokolade, Hundepizza mit Speck, Hundeeis und Hundechips. Da muss man sich dann nicht mehr wundern, wenn sich der Dackel nach und nach von einem Würstchen in einen Speckknödel verformt.

Es soll Hunde geben, die nur auserlesene Köstlichkeiten zu sich nehmen und sich naserümpfend abwenden, wenn man ihnen minderwertiges Junkfood vorsetzt - doch die meisten Caniden verstehen sich aufgrund ihrer genetischen Abkunft eher als Müllschlucker. Sie verschlingen vorsichtshalber alles, was sie zwischen die Beißer bekommen, man kann ja nie wissen, wann es das nächste Mal etwas zu futtern gibt. Besitzer von Labradoren berichten, dass Vertreter dieser besonders gefräßigen Rasse alles mampfen, was nicht niet- und nagelfest ist, egal ob es sich um Pappe, Kartoffelschalen, Gummibärchen, frische Chilischoten, einen halb vollen 15-Kilo-Sack Trockenfutter oder eine Tüte Gartendünger handelt.

So lässt sich herausfinden, ob ein Hund zu dick ist

Man muss nicht Tiermedizin studiert haben, um zu ahnen: So ein Fressverhalten tut nicht gut. Es macht dick und krank. Klassische Ausflüchte wie "schwere Knochen", "kräftig gebaut" und "alles Muskeln" lassen sich auch bei Hunden schnell enttarnen. Mit einem einfachen Trick kann man herausfinden, ob Fiffi zu fett ist: "Betrachten Sie die Körperform Ihres Tieres von oben und von der Seite und versuchen Sie, die Rippen und hervorstehende Knochen zu ertasten", rät Sarah Ross. Wenn keine Taille zu sehen ist und die Rippen unter dem Fettpolster nicht mehr zu spüren sind, ist es höchste Zeit gegenzusteuern. Wer es noch genauer wissen will, kann den Hunde-BMI mit Hilfe einer Formel errechnen, für die man Größe, Gewicht und Rasse angeben muss.

Abnehmen funktioniert bei Hunden theoretisch genauso wie bei Menschen: Sie müssen nur weniger Kalorien zu sich nehmen, als sie verbrauchen. Die Tiernahrungsindustrie bietet eine große Bandbreite an Diätprodukten an, vom kalorienreduzierten Low-Carb-Fressi über veganes Light-Trockenfutter bis zu Proteinshakes. Manche Hunde wie Beagle oder Labrador neigen rassebedingt zu Übergewicht, für solche Kandidaten gibt es speziell abgestimmte Futtermischungen zu kaufen. "Der erste Schritt zu einem gesunden Tier ist daher ein umfassender Gesundheitscheck beim Tierarzt und eine Ernährungsberatung", empfiehlt Sarah Ross von Vier Pfoten.

Radikale Abspeckkuren können für Hunde allerdings gefährlich sein. Nulldiäten und Saftkuren kommen nicht in Frage. Experten empfehlen eher eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Sport. Wer von diesen Gebieten so wenig Ahnung hat wie Obie, der superfette Dackel, kann sich vertrauensvoll an Hundeernährungsberater und Hundephysiotherapeuten wenden, die professionelle Abnehmprogramme anbieten. Solche Kurse werden mittlerweile auch online angeboten.

Ein rüstiger Hunde-Opa: Dackel Obie im Jahr 2021. (Foto: Nora Vanatta)

Bei Obie wirkte die Kombination von Diätfutter und leichtem Ausdauersport so gut, dass er 2013 innerhalb eines Jahres 25 Kilo abnahm. Er trat in Fernsehshows auf und wird oft als gutes Beispiel vorgeführt, auch für Menschen. Auf Facebook hat der schlanke, rüstige Dackel-Opa mehr als 380 000 Fans. Unter "Obies Dog Journey" kann man seine Senioren-Erlebnisse nachverfolgen. Es geht ihm gut, er ist 15 Jahre alt - und sieht mittlerweile aus wie ein richtiger Dackel, nicht mehr wie ein pelziger Felsen.

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