Viele Hundebesitzer sind überzeugt, dass ihr Haustier jedes Wort versteht, das sie sagen. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Wissenschaftlich erwiesen ist jetzt aber, dass Hunde tatsächlich die Fähigkeit haben, einzelne Worte in einem Redefluss zu erkennen.
Dabei gehen sie ähnlich vor wie Kinder im Alter von acht Monaten, die neue Wörter identifizieren können, lange bevor sie deren Bedeutung verstehen, schreibt ein Team um die ungarische Verhaltensforscherin Marianna Boros von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest im Wissenschaftsjournal Current Biology.
Hunde wie Kinder stellen demnach komplexe Kalkulationen an, um in einem Redefluss herauszufinden, wo ein Wort endet und ein neues beginnt. Dabei suchen sie nach wiederkehrenden Mustern, genauer gesagt Silben, und folgern: Silben, die oft gemeinsam auftauchen, sind wahrscheinlich Wörter, und solche, die das nicht tun, eher nicht.
Wölfe:Fleisch gegen Freundschaft
Warum freundete sich der Mensch vor Tausenden Jahren mit Wölfen an - und machte aus ihnen Hunde? Einer neuen Studie zufolge hatte es viel mit dem damaligen Speiseplan zu tun.
"Muster zu erkennen, ist keine typisch menschliche Fähigkeit", sagt Marianna Boros. "Viele Tiere lernen aus Regelmäßigkeiten in ihrer Umgebung." Verhaltensforscher bezeichnen diese Fähigkeit als "statistisches Lernen". Frisch geschlüpfte Küken etwa, denen man eine Abfolge von Formen wie Kreisen, Dreiecken und Vierecken zeigt, können lernen, welche davon oft gemeinsam auftauchen. Im echten Leben hilft ihnen eine solche Fähigkeit wahrscheinlich dabei, schnell zu verinnerlichen, wer zu ihrer Familie gehört und wer nicht.
Wörter in einem Redefluss zu erkennen, ist den Forscher zufolge aber noch einen Tick komplizierter: "Es reicht nicht zu zählen, wie oft bestimmte Silben gemeinsam auftauchen", schreiben sie. Vielmehr sei erforderlich zu kalkulieren, wie wahrscheinlich es ist, dass Silben gemeinsam auftauchen.
Bis jetzt war die Fähigkeit nur bei Menschen bekannt
Zu solchen Leistungen ist das Gehirn von Menschenkindern erwiesenermaßen schon im Alter von acht Monaten fähig. Und offensichtlich auch das von Hunden. "Bis jetzt war nicht bekannt, ob andere Säugetiere als der Mensch solche komplexen Berechnungen anstellen können, um Wörter aus einer Sprache herauszufiltern", sagt Boros.
In einem ersten Experiment spielten die Verhaltensforscher 19 Hunden so unterschiedlicher Rassen wie Labradoodle, Dackel und Pyrenäenberghund das Kauderwelsch zweier künstlich erzeugter Sprachen vor. Während die Hunde Wörtern wie "daropi", "golatu" und "tibudo" lauschten, wurde ein Elektroenzephalogramm ihres Gehirns aufgenommen. Dabei zeigte sich zunächst, dass die Gehirnwellen der Hunde anders waren, je nachdem, ob sie häufig vorkommende Wörter hörten oder seltene.
Das Enzephalogramm zeigte aber auch Unterschiede bei Silben, die immer zusammen vorkamen, im Vergleich zu Silben, bei denen das nur gelegentlich der Fall war - und zwar auch dann, wenn alle Wortbausteine gleich häufig waren. Das bedeute, dass Hunde nicht nur die Häufigkeit der Wörter erfassen, sondern genau wie Menschen die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der Silben gemeinsam auftauchen, sagt Lilla Magyari, die ebenfalls an der Universität in Budapest arbeitet und an der Studie beteiligt war.
Dass das Gehirn von Hunden Sprache so verarbeitet wie das von Menschen, wurde durch ein zweites Experiment gezeigt. Dabei lagen die Tiere in einem Kernspintomographen, während ihnen die Wörter vorgespielt wurden. Es zeigte sich, dass bei den Hunden ähnliche Bereiche des Gehirns aktiv waren wie bei Menschen.
Haben Hunde die Fähigkeit, Sprache auf diese Weise zu analysieren, durch ihr Zusammenlebens mit dem Menschen erworben? Oder ist diese Art des statistischen Lernens im Tierreich gar nicht so selten? In diesem Fall wären zumindest die Voraussetzungen für die Entstehung komplexer Sprache, die ja als Alleinstellungsmerkmal der Art Homo sapiens gilt, keine rein menschliche Errungenschaft.