Frankreich:Crêpes für alle

Lesezeit: 2 Min.

Über alle Klassen hinweg lieben Franzosen die Crêpe - und nicht nur sie. (Foto: TristanBM/IMAGO/Panthermedia)

Angeblich ist der bretonische Teigfladen das beste Dessert der Welt. Ganz sicher ist er besonders sympathisch. Aber vor Fälschungen wird gewarnt.

Von Oliver Meiler, Paris

Es soll Leute geben, die ziehen den Nachtisch allen anderen Gängen vor. Zumal den süßen, das Dessert. Das Wort kommt vom französischen Verb desservir, abräumen, in diesem Fall: den Tisch. Wenn das Essen vermeintlich vorbei ist, kommt noch was für den kleinen Löffel, die kleine Gabel, der Schlussgruß aus der Küche. Die Franzosen haben ein unbestrittenes Talent darin, diesem Etwas jede Nebensächlichkeit zu nehmen.

Nun gibt es eine neue globale Bestenliste für die Kategorie, erarbeitet von der Plattform "Taste Atlas". Die hat die angeblich hundert besten Desserts der Welt aufgelistet - abrufbar im Netz, von Platz 100 bis Platz eins. Und bevor es gleich polemische Einwände gibt, hier zwei Prämissen: Ja, Rankings sind ein dubioses Genre, und ja, am Ende ist alles Geschmackssache.

Doch diese Auswahl basiert auf Zehntausenden Bewertungen, alle seien überprüft worden, schreibt Taste Atlas in der Einleitung. Man habe die Bots, die nationalistischen und lokalpatriotischen Ratings herausgefiltert. Und noch etwas spricht für diese Rangliste: Sie hat einen sympathischen Sieger, einen simplen, gewissermaßen demokratischen - nämlich die Crêpe, den Pfannkuchen der Bretonen. Geschlagen sind unter anderem: Tiramisu (4. Platz), Crème brulée (5.), Kaiserschmarrn (11.), Baklava (18.), Apfelstrudel (29.).

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Die Crêpe also. Crêpe geht immer und überall: ein Teigfladen aus Mehl, Milch und Ei, in der Pfanne oder auf einer Heizplatte beidseitig gebacken. Gesüßt mit Zucker, mit Konfitüre, mit Nutella. Die Crêpe ist so präsent und klassenlos im Alltag der Franzosen, von Kindesbeinen an, dass sie auch in einer Serie von Bonmots vorkommt. Wenn jemand sehr leicht seine Meinung ändert, dreht er sich im Französischen um "wie eine Crêpe". Der dünne, butterige Pfannkuchen als Kulturstifter.

Die Bretonen haben damit Paris erobert, an jeder Straßenecke gibt es inzwischen eine Crêperie. In den Parks stehen dafür kleine, hübsche Häuschen. Auch die Touristen lieben Crêpes. Neulich warnte allerdings die Zeitung Le Parisien, auf dem Champ de Mars, der Esplanade beim Eiffelturm, böten illegale Verkäufer Crêpes aus Teig an, den sie über Nacht in Abflussschächten lagern, ungekühlt, und dann kurz auf ihren Behelfsöfen aufwärmen und mit Vanille besprühen, damit sie nicht stinken. Sollte man vielleicht meiden.

Aber das ist nur eine kleine, üble Anekdote aus der großen Erfolgsgeschichte. Es gibt die Crêpe auch in gehobenen Versionen für den Gourmet mit teuren Zutaten. Die Kette eines Bretonen, der lange in Japan gelebt hat, ist so beliebt, dass sie Schlange stehen vor seinen Lokalen. Ihr Slogan: "La crêpe autrement", "Die Crêpe einmal anders". Eine Erwähnung verdient auch die Crêpe Suzette, die Königin: flambiert am Tisch, mit Grand Marnier.

Die Crêpe kann aber auch salzig sein, und das ist sie sogar immer öfter, mit eingerolltem oder eingefaltetem Käse, Schinken, Ei, Lachs. Wobei: Die Bretonen reden von "Galette", die sie mit Buchweizenmehl zubereiten, nicht mit Weizenmehl. Die Galette ist deshalb dunkler und nussiger als die herkömmliche Crêpe und macht dann vielleicht mal in einem Ranking der anderen berühmten Teigrondelle mit - der Pizza, sehr dubioserweise.

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