"Unfall in Ostercappeln: 85-jährige Pedelec-Fahrerin stirbt". "Zwei E-Biker schwer und lebensgefährlich verletzt nach Unfall bei Königsbach-Stein". "Kopfverletzung: E-Scooter-Fahrer mit 1,45 Promille in Apolda gestürzt". Diese Meldungen stammen alle aus Deutschland vom Mittwoch vergangener Woche. Sie könnten aber von jedem beliebigen Tag stammen, denn die Polizei meldet täglich Unfälle mit E-Scootern und E-Bikes.
Die Elektrofahrzeuge waren eine der großen Hoffnungen der Verkehrswende. Sie könnten "eine echte zusätzliche Alternative zum Auto" sein, hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor ihrer Einführung im Jahr 2019 gesagt. Stattdessen ersetzen sie meist den (mitunter betrunken angetretenen) Fußweg oder den ÖPNV, wie Studien bald zeigten. Sie regen Städter auf, die auf dem Gehweg über liegen gebliebene Roller steigen müssen, und sie sind immer häufiger in Unfälle involviert.
Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden berichtete, ist die Zahl der Unfälle mit Pedelecs, wie E-Bikes oder Elektrofahrräder auch genannt werden, seit 2014 stark gestiegen. Demnach hatten diese Unfälle auch häufig schwerwiegendere Folgen als jene mit Fahrrädern ohne Motor. Einen Grund dafür sieht Bernhard Veldhues, der beim Statistischen Bundesamt die Gruppe "Wirtschaftsstruktur und Verkehr" leitet, im höheren Alter der E-Fahrradfahrer. Die motorisierten Zweiräder sind schließlich besonders bei Senioren beliebt, und je älter der Fahrer oder die Fahrerin, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich schwer verletzen bei einem Sturz, so Veldhues. Von den 131 E-Radlerinnen und -Radlern, die 2021 ums Leben gekommen sind, waren fast 70 Prozent älter als 65 Jahre. Doch auch die Zahl der jüngeren Verletzten steigt: Im Jahr 2014 war jeder neunte Mensch, der mit einem Pedelec verunglückte, unter 45 Jahre alt, 2021 bereits rund jeder vierte.
Vor allem junge Fahrer verunglücken mit dem E-Scooter
Im selben Zeitraum hat sich die Anzahl der Pedelec-Unfälle mit Personenschaden fast verachtfacht (von etwa 2200 auf 17 300), was wohl auch daran liegt, dass immer mehr Pedelecs verkauft und genutzt werden. Bei normalen Fahrrädern sank die Zahl der Unfälle von etwa 77 000 auf 68 000. All das bezieht sich jedoch nur auf Fälle, die die Polizei aufgenommen hat, und das dürfte weniger als ein Viertel der tatsächlichen Anzahl sein, wie Unfallmediziner des Uni-Klinikums Essen im Januar in einer Studie schätzten.
Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, fände deshalb eine "offensivere Kommunikation" über den Nutzen eines Helms sinnvoll. "Rechtlich ist ein Pedelec ein Fahrrad", sagte Brockmann der Deutschen Presse-Agentur. Damit gilt: keine Helmpflicht, trotz mitunter höherer Geschwindigkeit. "Die Frage ist, ob das auf Dauer so bleiben kann," so Brockmann. Auch bei Stürzen mit dem E-Scooter könnten Helme das Risiko schwerer Verletzungen deutlich verringern, wie Crash-Tests gezeigt haben.
Die E-Scooter, jene Tretroller mit Elektroantrieb, die seit einigen Jahren die Städte fluten, sind vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt. Wenig verwunderlich waren die Menschen, die 2021 auf einem E-Scooter verletzt (4882) oder getötet (fünf) wurden, im Durchschnitt 31 Jahre alt, also deutlich jünger als die mit einem Fahrrad Verunglückten. In den Großstädten sieht man Jugendliche oft zu zweit, teilweise auch zu dritt darauf fahren, was verboten ist. Der häufigste Grund für einen Unfall war laut der aktuellen Statistik neben einer falschen Straßenbenutzung der Alkoholeinfluss. Beim E-Scooter gilt wie beim Auto die 0,5-Promille-Grenze beziehungsweise 0,0 Promille in der Probezeit und unter 21 Jahren - sofern man überhaupt einen Führerschein hat. Schließlich dürfen schon 14-Jährige die Tretroller steuern.