Zukunft im Oberland:Eine Denkfabrik in Bad Tölz

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Im Transfer- und Innovationszentrum im Oberland, kurz Tizio, soll es um die Fachgebiete Innovative Fertigung und Werkstoffe, beispielsweise Robotik oder 3D-Druck, aber auch um Management und Tourismus gehen. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

Das Transfer- und Innovationszentrum der Hochschule München am Sitec-Park geht mit einer Finanzierung von 6,9 Millionen Euro an den Start. Im "Tizio" sollen Wissenschaft und regionale Firmen voneinander profitieren.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Bernd Sibler (CSU) wunderte sich ein wenig. Obwohl Bad Tölz am Fuß der Voralpen liegt, waren vor allem maritime Vergleiche zu hören, als es am Donnerstag im großen Saal das Landratsamtes um das neue Transfer- und Innovationszentrum im Oberland - kurz: Tizio - ging. Dafür hatte der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst einen Bescheid für die Anschubfinanzierung von 6,9 Millionen Euro mitgebracht. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften München mit ihren mehr als 500 Professoren und etwa 18 000 Studierenden wird das Transferzentrum betreiben, eines von gut 20 in Bayern. "Ein großer Tanker" sei die Hochschule, sagte CSU-Landtagsabgeordneter Martin Bachhuber (CSU). Und der schicke nun seine Barkasse ins südliche Oberbayern. "Wir wollen dafür sorgen, dass er hier einen Heimathafen hat." Worauf der Tölzer Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) ergänzte, dass man auch bestrebt sei, die Barkasse in ein Schnellboot zu verwandeln. Sibler kam sich ob all der Metaphern aus dem Seewesen ein wenig vor, als wäre er in Hamburg gestrandet, nicht in Tölz.

Das Tizio, das auf dem 25 000 Quadratmeter großen Technologiecampus am Sitec-Park entstehen soll, ist dem Wissenschaftsminister zufolge ein "regionaler Think Tank". Von dort soll wissenschaftliches Knowhow in kleine und mittlere Firmen im gesamten Oberland fließen. Der Schwerpunkt der Forschung und des Wissenstransfers liegt auf den Feldern Digitalisierung und Nachhaltigkeit. "Das sind die Zukunftsthemen", sagte Sibler. Und wenn man sie mit der Energiewende kopple, "dann sind wir auf der Gewinnerseite".

Konkret geht es dabei vor allem um die Fachgebiete Innovative Fertigung und Werkstoffe, beispielsweise Robotik oder 3-D-Druck, aber auch um Management und um Tourismus. Der Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft und der vorgesehenen Laborinfrastruktur in Tölz könnten neue forschungsbasierte Kooperationen, studentische Projekte, Weiterbildung und Entrepreneurship (Unternehmertum, Anm. d. Red.) entspringen, sagte Professor Thomas Stumpp, Vizepräsident der Hochschule. Für das Tizio könne man etwa 170 Professorinnen und Professoren von ihrer Lehrverpflichtung freistellen. Dadurch entsteht an der Münchner Hochschule aber keine personelle Lücke. Das werde kompensiert, sagte Sibler: "Sie gehen nicht von der Lehre weg." Stumpp sprach von einem "historischen Moment". Erstmals in ihrer Geschichte baue die Hochschule einen Standort so weit außerhalb von München auf.

Das erste Transferzentrum im südlichen Oberbayern hat vor allem Professor Elmar Baur initiiert. Dem ehemaligen Chef des Unternehmens Eagle Burgmann in Wolfratshausen und früheren Hochschulrat fiel auf, dass die Region "ein weißer Fleck auf der Landkarte" der Hochschulen sei, sehe man einmal von "einem Punkt" ab - der Katholischen Stiftungsfachhochschule in Benediktbeuern mit ihrer sozialen Ausrichtung. Dabei sei der wichtigste Rohstoff für eine Firma die hochqualifizierten Mitarbeiter, die zwar hohe Gehälter verdienten, aber hier auch teure Mieten zahlen müssten. Und solche Beschäftigte bekomme man nur über eine bessere Aus- und Weiterbildung.

Baur zeigte sich überzeugt, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen von Tizio profitieren werden. Denn sie hätten oft nur eine ganz kleine Entwicklungsabteilung und glaubten nicht selten, dass ihre Themen für eine Hochschule kaum spannend seien; auch fehle es ihnen dort an Ansprechpartnern. Das neue Transferzentrum biete wiederum der Hochschule den Vorteil, dass sie "mit der Praxis verwurzelt" bleibe und mit ihren Forschungen nicht in Regionen abheben, wo sie niemanden mehr interessierten. Die Studierenden hätten ebenfalls einen Nutzen, weil sie wirtschafts- und praxisnah arbeiten können, anstatt für die Schublade.

Mit dem Förderbescheid über 6,9 Millionen Euro ist Sibler zufolge der politische Entscheidungsprozess zum Transferzentrum abgeschlossen. Der war nicht unumstritten. Vor allem Lokalpolitiker und Unternehmervertreter aus Wolfratshausen und Geretsried hatten die Wahl des Standorts in Bad Tölz heftig kritisiert. Wie Vizepräsident Stumpp unterstrich, sprach für die Kurstadt vor allem, dass dort bereits die Planungen für den Technologiecampus auf dem Gelände des Sitec-Parks bestanden. "Die Bauleitplanung ist fertig, alle Bauanträge sind genehmigt", bekräftigte Bürgermeister Mehner. Bauherr ist ein Privatinvestor und Immobilienentwickler. In den ersten fünf Jahren werden Landkreis und Stadt Bad Tölz die Miete fürs Tizio zahlen; die Kosten belaufen sich auf 90 000 Euro pro Jahr. Schon bis zum Sommer soll es ein Verbindungsbüro der Hochschule in Tölz geben.

Landrat Josef Niedermaier (FW) erinnerte an viele Gespräche, die der Ansiedlung des Tizio vorangingen. Mit Unternehmern. Auch mit Studenten. Zu den mittelständisch geprägten und heterogen aufgestellten Betrieben im Oberland, die oftmals hoch spezialisiert und teilweise sogar Weltmarktführer seien, passe die Hochschule sehr gut dazu. "Dieser große Tanker", wie auch der Landrat sagte.

© SZ vom 29.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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