Minimalistisch Wohnen:Kleine Häuser, große Hürden

Lesezeit: 3 min

Das Tiny House von Felicia Rief und Jonas Bischofberger steht in einem großen Garten in Pullach und hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. (Foto: Jonas Bischofberger/Tiny PopUp München)

Der Verein "Einfach gemeinsam leben" ist im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen daran gescheitert, eine Tiny-House-Siedlung zu realisieren. In Pullach haben Mitglieder ihr Mini-Haus errichtet - auch dank der Pionierarbeit.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Für Thorsten Thane hat sich das Projekt einer Tiny-House-Siedlung im Münchner Umland vorerst erledigt. "Das Thema ist für mich durch", sagt der Vordenker und Initiator des Vereins "Einfach gemeinsam leben". Der Filmproduzent und Regisseur aus Wolfratshausen spricht wiederholt von einem Trauerspiel - und meint damit die aus seiner Sicht mangelhafte kommunalpolitische Unterstützung. Thane selbst wohnt inzwischen in einer Wohngemeinschaft in Gelting, nachdem er seinen Bauwagen verkauft hat. Unterdessen ist der Verein "Einfach gemeinsam leben" praktisch inaktiv.

Ein Abgesang auf die Tiny-House-Bewegung im Umland Münchens? Keineswegs, findet Felicia Rief knapp 25 Kilometer weiter nördlich im Isartal. Dort hat die Wirtschaftspsychologin gemeinsam mit ihrem Partner Jonas Bischofberger ein 18 Quadratmeter großes Tiny-House selbst gebaut. Es steht im Garten eines großen Grundstücks an der Marienstraße in Pullach-Großhesselohe. "Ohne die Vorarbeit des Vereins ,Einfach gemeinsam leben' gäbe es uns hier nicht", sagt Rief. "Ich sehe das Thema nicht als abgeschlossen."

Thorsten Thane, Initiator des Vereins "Einfach gemeinsam leben", hatte keinen Erfolg mit seinen Plänen für eine Tiny-House-Siedlung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Herbst 2018 haben Thane und Unterstützer ihren Verein gegründet. Rief und Bischofberger wurden Mitglied. Damals sei der Begriff Tiny House praktisch kaum bekannt gewesen, sagt die Pullacherin. Das sei inzwischen ganz anders. Der Verein Einfach gemeinsam leben habe Pionierarbeit geleistet, um diese Art des Wohnens in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, so Rief.

Mit Lebenspartner Bischofberger hat sie das eigene Minihaus gemeinsam gebaut. Kontakte halfen, das kleine Gebäude erst auf einem Grundstück im Münchner Stadtteil Pasing aufstellen zu dürfen. Weil es sich um Außenbereich handelte, konnte das Paar darin aber nicht wohnen. Dafür organisierten Rief und Bischofberger im Zeitraum von drei Jahren Veranstaltungen mit Interessenten, Schulklassen und Politikern, um über die Tiny-House-Bewegung aufzuklären. Im Pullacher Wohngebiet ergab sich schließlich die Chance, im eigenen Tiny House auch dauerhaft leben zu können. Das 7,50 Meter lange, 2,55 Meter breite und vier Meter hohe Zuhause steht inzwischen seit mehr als einem Jahr in einem großen Garten an der Marienstraße.

Felicia Rief und Jonas Bischofberger in ihrem Pullacher Tiny House. (Foto: Jonas Bischofberger/Tiny PopUp München)

Dass sich mit dieser Art des Wohnens im Stadtgebiet nicht alle Probleme des angespannten Immobilienmarkts lösen lassen, ist Rief klar. Doch biete sich mit den kleinen aufs Nötigste reduzierten Häuschen die Chance, Lücken zu füllen. Beispielsweise gebe es in großen Gärten, aber auch auf Flachdächern oder Industriebrachen häufig viel ungenutzten Platz, um ein Tiny House aufstellen zu können. "So können wir bezahlbaren und ökologischen Wohnraum zusammendenken", sagt Rief.

Ein mobiles Tiny House versiegele keinen Boden. Ihr eigenes bestehe hauptsächlich aus regionalem Fichtenholz mit einer Hanf-Jute-Dämmung, sagt Rief. Und mit den Sonnenkollektoren auf ihrem Dach könnten sie 70 bis 80 Prozent ihres benötigten Stroms selbst produzieren. Die Fassadenbegrünung kühle das Raumklima und filtere gleichzeitig das Brauchwasser von Dusche und Spüle. Gleichzeitig habe ein Tiny House großen sozialen Charakter. Für Rentner, Studenten oder auch Pflegekräfte entstehe so bezahlbarer Wohnraum. Modelle wie Wohnen gegen Hilfe seien vorstellbar, wenn Grundstücksbesitzer sich bereiterklärten, ein kleines mobiles Häuschen in ihrem Garten zu platzieren. Um darüber zu informieren, organisieren Rief und Bischofberger regelmäßig Veranstaltungen in ihrem Tiny House.

Gebäude mit weniger als 75 Kubikmetern Brutto-Rauminhalt brauchen kein Bauantragsverfahren

Auf dem Land gibt es zwar prinzipiell mehr freien Raum, um diese Idee des Wohnens realisieren zu können. Welche Chancen sich damit verbänden, sei aber wohl noch nicht überall angekommen, meint Rief. "Das Verfahren ist eigentlich recht unkompliziert." Zwar müssten Vorgaben für Anschlüsse ans Wasser-, Strom- und Kanalnetz eingehalten werden. Für Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 Kubikmetern im Innenbereich brauche es aber kein Bauantragsverfahren. So stehe es in Paragraph 57 der bayerischen Bauordnung. Das minimiere bürokratische Hürden. "Die Verwaltung ist entlastet." Auch für Vorratsflächen von Gemeinden sei diese Wohnform eine Option. "Du verbaust Dir nichts mit einem Tiny House", sagt Rief. Um sich zu informieren, seien auch Kommunalpolitiker aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im Tiny House in Pullach willkommen.

Im Nachbarlandkreis hatte Thane mit dem Verein "Einfach gemeinsam leben" sich erst vergeblich bemüht, eine Tiny House-Siedlung im Außenbereich der Kommune Geretsried realisieren zu können. Auch in der Nachbarstadt Wolfratshausen kam er kaum voran. Zwar billigte der dortige Stadtrat nach einem Bürgerantrag mit 228 Unterschriften im Jahr 2021 einen Grundsatzbeschluss, wonach sich die Kommune zu Kleinwohnformen wie den Tiny Houses bekenne. Zum im Antrag geforderten Aufruf an Eigentümer, ihre ungenutzten Grundstücksflächen zur Verfügung zu stellen, konnten sich die Stadträte aber nicht durchringen. Das hatte Thane enttäuscht. Dass die Stadt die Idee von Tiny Houses wirklich anschiebe, sei nicht zum Ausdruck gekommen, sagt er.

Weiter südlich in Penzberg (Landkreis Weilheim-Schongau) hat der Bauausschuss des Stadtrats empfohlen, eine Tiny-House-Siedlung zu prüfen. Die könnte auf einem städtischem Grundstück neben dem Bahngleis realisiert werden. Eine Option für Thane? "Mein Hauptthema war: Ich möchte mit tollen Leuten zusammenwohnen und das finanzierbar machen", sagt er. "Eine tolle Hausgemeinschaft habe ich jetzt gefunden. Ich wohne so, wie ich mir das vorstelle." Ganz ausschließen möchte er aber nicht, dass für ihn doch irgendwann noch einmal ein Tiny House infrage kommen könnte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Filmkulissendorf am Walchensee
:Zwei Wikingerhütten bleiben

Beim Streit um das marode Flake hat sich der Gemeinderat für einen Kompromissvorschlag entschieden.

Von Petra Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: