SZ-Adventskalender:Hilfe zur Hilfe

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Das "Soziale Netzwerk" unterstützt Menschen in akuter und chronischer Not. "Wir können von null auf 100 durchstarten", sagt Elfi Blank-Böckl.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen / Egling

Als Josef K. (Name geändert) den Schlaganfall erlitt, war er ganz alleine. Ohne Vorwarnung wurde dem Rentner schwindlig, die Beine versagten. Hilflos blieb der 72-Jährige zunächst am Boden liegen, bis es ihm mühsam gelang, einen Notruf abzusetzen. Wochenlang musste er im Krankenhaus bleiben, Ärzte und Schwestern versorgten ihn gut. Doch dann kam der Tag der Entlassung - und mit ihm neue Probleme: Wie sollte der Rentner, der sich nie ein Auto hatte leisten können, von nun an regelmäßig zur Nachsorge kommen? Wie sollte er Einkäufe erledigen, das Nötigste in der Wohnung richten? Welche Behördengänge und welche Anträge galt es auszufüllen, um betreut zu werden? Und wie sollte er all die finanziellen Belastungen, welche die Krankheit mit sich brachte, stemmen? Verwandte waren nicht in der Nähe, er selbst seit einigen Jahren verwitwet. Josef K. stand also alleine da, mit seinen Fragen, wie es weitergeht, und mit den Herausforderungen, den Umgang mit der neuen Situation zu lernen. Gut, dass Nachbarn deshalb den Kontakt zum "Sozialen Netzwerk" herstellten. "Denn wir verstehen uns als Retter in der Not", sagt Elfi Blank-Böckl, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft mit Sitz in Wolfratshausen.

2010 bildete sich auf Blank-Böckls Initiative hin das Netzwerk, das ehrenamtlich und unbürokratisch in Situationen wie der geschilderten hilft. Denn insbesondere die Altersarmut steige rasant an und treffe inzwischen auch jene, die während ihres Arbeitslebens noch in der Mitte der Gesellschaft standen. Mit dem Renteneintritt schrammten immer mehr Senioren "ganz knapp an den Sozialleistungen vorbei", weiß Blank-Böckl. Vor allem die Kriegsgeneration habe oft nicht viel während ihres Berufslebens einzahlen können und müsse nun mit einer mageren Rente auskommen - in einer Region, in der die Lebenshaltung aber immer teurer wird.

Sie kenne im Landkreis viele Menschen, die mit eigener Rente und vielleicht noch Hinterbliebenengeld auf gerade einmal 1000 Euro im Monat kommen. "Das klingt erst mal ganz okay, aber wenn allein die Miete schon 700 Euro beträgt, ist nicht mehr viel Luft", sagt Blank-Böckl. Wenn dann Unvorhergesehenes wie eine Hilfsbedürftigkeit im Alltag, eine Krankheit oder Medikamente dazukämen, werde es bei den meisten eng. "Viele denken lange, zu lange, es geht schon irgendwie. Aber plötzlich reicht es dann hinten und vorne nicht mehr." Doch wo sie in solchen Fällen Hilfsmittel und Hilfsangebote erhalten können, ist oftmals nicht bekannt, und so rutschen die Menschen nicht selten ab in einen teuflischen Kreislauf von Armut, Scham und unzureichender Versorgung.

Hier aber setzt das Soziale Netzwerk an: "Wir sind diejenigen, die von null auf 100 losstarten können, wenn eine Notsituation da ist", sagt Blank-Böckl. Ihr Engagement im Netzwerk fußt auf ihren Erfahrungen als Berufsbetreuerin. "Denn das ist ein sehr vielschichtiger Job. Und immer wieder wurde ich deshalb privat gefragt, ob ich Tipps zu Anträgen oder sozialen Fragen geben könnte, da ich doch wüsste, wie etwas geht." Folglich entstand die Idee, ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben - in einem Netzwerk für Senioren, pflegende Angehörige und Behinderte. Ziel ist es, Fachkräfte wie Pflegedienste, Ärzte, Haushaltshilfen, soziale Einrichtungen, Therapeuten, das Landratsamt oder den Bezirk zusammenzubringen. Es passiere nämlich häufig, dass Leute mit Problemen von einer Stelle zur nächsten geschickt würden, weil viele Anlaufstellen nur ihre eigene Zuständigkeit sähen, eine Vernetzung oder umfassendes Wissen aber fehle. Auch wenn es nicht immer den goldenen Weg geben könne, eröffneten sich oft mehr Möglichkeiten, als anfangs gedacht, wenn erst einmal der Stolz überwunden sei, Hilfe anzunehmen, sagt Blank-Böckl.

Dazu kommen in der Arbeit des Sozialen Netzwerks, das inzwischen mehr als 100 Menschen betreut, auch eine "pragmatische Herangehensweise und praktische Lösungen". Oder anders gesagt: Die inzwischen 33 Mitarbeiter des Sozialen Netzwerks stehen mit Tipps genauso parat wie mit Tatkraft. Sie fahren Hilfebedürftige zur Therapie, zum Einkaufen, organisieren Umzüge in günstigere oder behindertengerechte Wohnungen oder begleiten die Menschen zum Arzt. "Im Gesetz mag stehen, ambulant vor stationär, aber das ist auf dem Land oft kaum umsetzbar", sagt Blank-Böckl. Apotheken und Banken schlössen zunehmend, und es gebe immer weniger Ärzte, die Hausbesuche machten. In kleinere Orte führen sogar manche Pflegedienste nicht mehr.

Kein Wunder also, dass das Telefon des Sozialen Netzwerks kaum stillsteht. "Die Gesellschaft ist instabiler geworden", sagt Blank-Böckl. Doch um im Landkreis gegenzusteuern, braucht auch das Soziale Netzwerk selbst Hilfe: Es fehlt an einem Fahrzeug, um die Hilfsbedürftigen von A nach B bringen zu können. Sinnvoll wäre ein Caddy, denn in diesem können auch Menschen, die in einem Rollstuhl sitzen, mitfahren. Zudem könnte er auch als Transporter dienen, wenn die Helfer Umzüge organisierten.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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