Kürzlich musste Ulla Schneiders die Verkehrswende in der Region unfreiwillig ausbremsen. Eigentlich hatte ihr Verein vier Carsharing-Autos in Bad Tölz stehen. Doch mittlerweile sind es nur noch zwei. Und das, obwohl es mehr Mitglieder gibt. "Doch die fahren alle nicht Auto", sagt sie. Die Kosten blieben am Verein hängen, also wurde die Flotte halbiert.
Wie überall im ländlichen Raum haben es Anbieter von Carsharing auch hierzulande nicht einfach. Das zeigen die Zahlen. Ganze zehn Autos gibt es in der Region, die unter Carsharing fallen: drei in Penzberg, eins in Benediktbeuern und sechs in Bad Tölz. Ähnlich sieht es in den Nachbarlandkreisen aus: In Weilheim-Schongau sind es neben den Penzbergern noch zehn, in Starnberg drei Autos.
Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: weniger Luftverschmutzung, geteilte Kosten, weniger Versiegelung durch Parkplätze. Kurzum: ein kleiner Baustein in der großen Verkehrswende, die auch der Landkreis vorantreiben möchte. Doch wer mit den Betreibern in der Region spricht, bekommt den Eindruck, dass hier vor allem Idealismus den Laden am Laufen hält. Was sind die Knackpunkte? Und was wären mögliche Lösungen?
Einer, der sich mit den Schwierigkeiten des "Auto-Teilens" auf dem Land auskennt, ist Thomas Martin. Der Wolfratshauser war Geschäftsführer eines Carsharing-Unternehmens, das 2012 nach knapp zwei Jahren insolvent ging. Er weiß, dass es in der Region vor allem darum gehen muss, "Zweitautoverzichter" ins Visier zu nehmen. Und er hat gelernt: "Auf dem Land kann man da kein Geschäftsmodell draus machen." Die geringe Dichte, schlechte ÖPNV-Anbindungen, dazu der Aufwand mit Versicherung, Stellplatz, Kooperationen - das zusammen kreiert einen schwierigen Balanceakt zwischen Angebot und Nachfrage.
An dem waren die Autoteiler offenkundig gescheitert. "Wir sind zu schnell gewachsen", sagt Martin. Weil das Interesse zunächst so groß war, schafften sie schnell einen kleinen Fuhrpark mit zehn Wagen an - die dann oft, genau wie Privatautos, herumstanden. Die Zukunft des Autoteilens in der Region sieht er in gemeinnützigen Formaten wie Nachbarschaftsprojekten, Quartierslösungen, Vereinen. Also Einrichtungen wie dem Tölzer Verein "Stattauto Isarwinkel". Bereits seit 2004 gibt es den Verein. Wo es anfangs vier Autos waren, teilen sich die 55 Mitglieder nun zwei. Immer noch aus gutem Grund: Der Stundensatz liegt deutlich unter den Preisen städtischer Anbieter, "DriveNow" etwa nimmt mit neun Euro in der Stunde mehr als fünfmal so viel als der Verein. Mitglieder müssen einen der Wagen im Voraus buchen - und gleichzeitig auch eine gewisse Flexibilität mitbringen: Denn ein Anrecht hat niemand. "Wenn man sich in die Quere kommt, ändern unsere Mitglieder auch schon mal ihre Termine", sagt Schneiders. Verträge erneuern, Abrechnungen machen - zwischen einer und sechs Stunden freiwillige Arbeit investiert Schneiders in der Woche. Ihr Beispiel zeigt: Ohne ehrenamtlichen Einsatz läuft Carsharing kaum.
Ein Problem, das man auch 45 Kilometer nordwestlich kennt. Von der Nachbarkreisstadt Weilheim aus koordiniert Martin Heinz für den Verein "Ökomobil Pfaffenwinkel" 300 Nutzer mit 24 Fahrzeugen in acht Kommunen, darunter auch in Benediktbeuern und Penzberg. Betreuung der Teilnehmer, Abrechnungen, Kündigungen, Fahrtenberichte, Autopflege - "es gibt niemanden, der sich soweit ehrenamtlich engagieren kann", sagt er. Deshalb ist der ehemalige Mitarbeiter von "Stattauto München" als fest angestellter Geschäftsführer eingestiegen. Als solcher weiß er, dass die Nachfrage nicht gerade überbordend ist: "Es funktioniert", sagt er diplomatisch, demnächst sollte der Verein schwarze Zahlen schreiben.
Martin Heinz kennt die Hürden des Carsharings in der Region: Erst melden sich viele an. Dann merken die Teilnehmer, dass sie ohne das Auto ganz gut leben können und fahren kaum noch, sodass sich das Modell nur noch gerade so aufrechterhalten lässt. Weil alle immer weniger fahren, braucht er immer wieder neue Namen in seiner Mitgliederkartei. "Das ist typisch", sagt er.
Das Dilemma ist der Balanceakt zwischen Verfügbarkeit und gesunder Auslastung: Wenn es zu wenige Autos gibt, springen die Leute ab, wenn es zu viele gibt, muss der Verein draufzahlen. Zudem sei das Auto auf dem Land "immer noch ein Statussymbol". Weil oft Mittel für Werbung fehlten, sei vielen gar nicht bewusst, dass es auch hier Carsharing-Angebote gibt. So ist auch das Wachstum trotz Nachfrage aus verschiedenen Kommunen gebremst: "Wir können es uns im Moment nicht leisten, die Kosten für ein Auto vorzuschießen und das Defizit zu tragen", sagt er. Einen Vorteil sieht er aber auf dem Land: "Der politische Rückhalt ist größer."
Rückhalt gibt es auch 25 Kilometer südöstlich in Penzberg. Hier sitzt die "Energiewende Oberland". Die Bürgerstiftung für erneuerbare Energien und Energieeinsparung unterstützt Initiativen - und geht mit gutem Beispiel voran: Jeder kann das E-Dienstauto der Stiftung über ein Onlineportal buchen. Genau in solchen Modellen sieht der Geschäftsstellenleiter Stefan Drexlmeier einen Ansatz: "Es gibt viele Dienstautos, die vielleicht ein, zwei Stunden am Tag bewegt werden", sagt er. Das Dienstauto für alle, eine Idee, über die er auch Unternehmerkreise informiere.
Wie man zu diesem kommen könnte, darauf gibt der Bundesverband Carsharing in einem Leitfaden Hinweise. Die wären: Bürgerinitiativen, die auf Bedarf reagieren, die sich mit Gemeindeverwaltungen und Vereinen vernetzen und gewerbliche Ankermieter anlocken. Dass es funktionieren kann, zeigt das Beispiel Ebersberg: Im Landkreis östlich von München gibt es die größte Dichte an Carsharing-Vereinen, aus mindestens 20 Autos können Bewohner im relativ kleinen Landkreis wählen. Der hat sich ein Ziel gesetzt: Bis 2030 soll ein wirtschaftlich tragfähiges Carsharing-Angebot aufgebaut werden. Und hier? Gibt man sich trotz der Situation optimistisch. "Im Prinzip ist es ein Zukunftsmodell", sagt Thomas Martin von den gescheiterten Autoteilern. "Viele junge Leute haben nicht mehr den Anspruch, ein Fahrzeug zu besitzen." Ähnlich sieht es der Wolfratshauser Bürgermeister. "Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass sich der Mobilitätsgedanke auch hier umstellen muss. Wir haben die Fläche nicht mehr", sagt Klaus Heiliglechner (BVW). Er verweist auf das Stäwo-Bauprojekt in der Schlesier Straße, für das Carsharing geplant sei. Ein Projekt, das Drexlmeier von der Energiewende Oberland gefallen dürfte. Er zieht einen Vergleich zur Solarenergie: zunächst als exotisch belächelt, dann immer mehr Mainstream. "Und irgendwann ist es State of the Art", sagt er, also neuer Standard.