Studieren im Kloster:"Wo man einfach keine Nummer ist"

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Trotz Großbaustelle geht das Studierendenleben auf dem Campus Benediktbeuern weiter. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Rund 550 junge Leute sind in Benediktbeuern für Religionspädagogik oder Soziale Arbeit eingeschrieben. Viele schätzen es, in familiärer Atmosphäre und überschaubarem Rahmen zu studieren.

Von Nina Becker und Philipp Rahn, Benediktbeuern

"Ich bin hier nicht mehr weggekommen", sagt Anna Fellner im Audimax des Campus Benediktbeuern zu den zwei Dutzend möglichen neuen Studierenden beim Infotag. Fellner ist Absolventin des Benediktbeurer Modells, eines Doppelstudiums aus Religionspädagogik und Sozialer Arbeit. Sie ist in Nordrhein-Westfalen geboren, zum Studium zog sie 2018 nach Bayern. Nach ihrem Abschluss 2022 hat sie eine Stelle beim Jugendpastoralinstitut im Kloster Benediktbeuern bekommen. Beim Studieninfotag begrüßt sie die Interessierten mit Kaffee und Keksen von einem Bollerwagen. Mit diesem Gefährt sei sie jeden Mittwoch im Innenhof des denkmalgeschützten Klosterbaus unterwegs, um mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen, erzählt sie.

1971 wurde der Campus im Kloster als einer von zwei Hochschulstandorten der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) gegründet. Am Standort der KSH in Benediktbeuern werden die Bachelorstudiengänge Religionspädagogik und Soziale Arbeit angeboten, entweder als Einzel- oder als Doppelstudium. Das Einzelstudium dauert sieben, das Doppelstudium elf Semester.

"Uns ist es wichtig, hier ein Studentenleben hinzukriegen", sagt Ralf Gaus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Derzeit seien etwa 550 Studierende in Benediktbeuern eingeschrieben, wovon etwa 80 Religionspädagogik studierten, sagt Studiengangsleiter Ralf Gaus. "Wir haben ein sehr großes Einzugsgebiet in der Religionspädagogik, weil wir auch aktuell der einzige Anbieter in ganz Bayern sind", erklärt er. "Wir bilden für alle bayerischen Diözesen aus. Das kann auch heißen, dass Leute vom Bayerischen Wald hierher pendeln." Von den 80 Religionspädagogen absolvierten derzeit etwa 55 das Doppelstudium. "Die Leute kommen wegen des Doppelstudiums hierher. Weil sie in den allermeisten Fällen sagen, ich habe zwei Abschlüsse und stehe damit am Ende gut da und muss mich nicht für das Eine entscheiden."

Theresa Kober weiß die Familiarität der KSH zu schätzen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Theresa Kober ist speziell wegen der theologischen Zusatzausbildung hier. Diese können die Studierenden neben ihrem Hauptfach belegen, um ihren Studienverlauf in eine konkretere Richtung zu lenken. Neben der theologischen werden auch musikpädagogische sowie umwelt- und erlebnispädagogische Zusatzausbildungen angeboten. Diese werden vor allem neben dem Studium der Sozialen Arbeit belegt, können aber auch von Religionspädagogen wahrgenommen werden.

Kober studiert im sechsten Semester Soziale Arbeit an der KSH. Nach Benediktbeuern habe es sie durch Mundpropaganda von Bekannten, die bereits dort studiert haben und begeistert waren, gezogen. Sie kommt aus einem Dorf und hatte keine Lust auf eine größere Stadt: "Ich wollte an einem Ort studieren, wo man so eine Familiarität hat und wo man nicht einfach eine Nummer ist."

Familiär ist die Atmosphäre auf dem Campus allemal, sogar das Prüfungsamt befindet sich im Haus. Die Studierenden gehen noch ganz oldschool selbst dorthin, um sich für die Prüfungen anzumelden. Seminare und Vorlesungen finden in kleinen Gruppen von rund 25 bis 30 Personen statt. Dadurch kennen die Dozentinnen und Dozenten ihre Studierenden persönlich.

Für Tobias Huhn macht neben der Natur und der Nähe der Alpen vor allem die Atmosphäre des Klosters den Reiz des Studiums in Benediktbeuern aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein Problem sei jedoch derzeit der Wohnraum, so ist zu hören. Durch den Hagelschaden im vergangenen August seien auch die Studierenden-WGs im Kloster zerstört worden. Es gibt zwar ein Wohnheim mit 50 Plätzen - das Kolping Studierendenwohnheim, in dem auch Theresa Kober wohnt - und ein weiteres soll gebaut werden. Trotzdem sei es schwer, eine Wohnung in der Umgebung des Klosters zu finden. Etwa die Hälfte von ihnen wohnt in einem Umkreis von fünf Kilometern.

Dies sei auch wichtig für das Leben auf dem Campus, sagt Tobias Huhn. Er ist im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der KSH und lebt in Benediktbeuern. "Das Studi-Leben ist gestützt auf Eigeninitiative, es braucht ein hohes Engagement", sagt er. Es gebe feste Termine, wie die Dienstagsparty in wechselnden WGs oder donnerstags im Bierstüberl des Wohnheims. Zudem gebe es jedes Semester ein Sportprogramm, immer abhängig davon, was die Studierenden selbst anbieten können. Heuer sind dies Fußball, Volleyball, Yoga und Spikeball.

"Es lebt auf dem Campus"

Dazu gibt es eine offene Werkstatt, in der die jungen Leute kreativ mit Holz oder Ton arbeiten können, und das Zentrum für Musik mit Tonstudio. Auch Theresa Kober gestaltet das Uni-Leben mit. "Es lebt auf dem Campus", sagt sie. Auch sie ist Mitglied im AStA und war im Umweltreferat. Es gebe viele Möglichkeiten, wie die Studierenden sich einbringen können, zählt sie auf: im Kulturreferat, im Umweltreferat oder im Technikreferat. Das Kulturreferat veranstalte Events wie Beerpong-Turniere, Karaoke, Pyjamapartys oder Spieleabende; das Umweltreferat Kleidertausch-Aktionen oder Fairteiler - Regale, an denen die Studierenden Essen vorbeibringen und kostenlos mitnehmen können.

Und es gibt ein Queernessreferat. Gerade weil es sich um eine katholische Stiftungshochschule handelt, werde dieses Thema sensibel angegangen, meint Kober. Dass ihre Hochschule konfessionell gebunden ist, habe sie nur durch ihre Arbeit im AStA gemerkt. Da sie weiß, wie die Finanzierung gesichert ist, sehe sie persönlich, wo der Unterschied zu einer staatlichen Hochschule ist. "Aber als Student merkt man das nicht. Man muss nicht katholisch sein." Auch in der Theologischen Zusatzleistung könne man sich kritisch mit der Kirche auseinandersetzen.

Die Studierenden können Zusatzangebote wahrnehmen, wie hier in der Keramikwerkstatt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das bestätigt Gaus: Man könne in Benediktbeuern Soziale Arbeit studieren, ohne irgendwas mit Theologie zu tun zu haben. Doch viele der Studierenden kämen später zu einem kirchlichen Arbeitgeber, weswegen die Idee der theologischen Zusatzausbildung aufgekommen sei. Etwas anders sei das beim Studium der Religionspädagogik. Zwar habe man am Ende einen allgemeinbildenden Bachelorabschluss, mit dem man viele andere Berufe ausüben und an den man auch einen Master dranhängen könne. Dennoch: "Wenn ich hierherkomme und Religionspädagogik studiere, dann muss mir bewusst sein, dass zumindest die zwei Hauptberufe Religionslehrerin oder -lehrer und Gemeindereferentin, -referent sind."

"Wir hatten auch schon muslimische Studierende"

Gaus betont jedoch, dass man nicht katholisch sein müsse, um an der KSH zu studieren. "Wir hatten auch schon muslimische Studierende, und wir freuen uns darüber. Das ist offen für alle. Man muss sich halt nur bewusst sein, ob man beruflich in diese Richtung möchte."

Tobias Huhn hat sein Studium in Benediktbeuern nie bereut. Er schätzt das Alpen-Panorama, die Natur und das schöne Kloster. Zudem sei die familiäre Atmosphäre besonders. Nur eine unschöne Phase gab es: "Corona war schwierig. Da war hier gar nichts." Gaus sagt, das sei auch der Grund, weshalb trotz der Großbaustelle nach dem Hagelschaden der Hochschulbetrieb weiterlaufe. Vor einigen Wochen ist der Corona-Jahrgang verabschiedet worden. Die Studierenden hätten mit dem Campus gehadert, wegen des coronabedingten Online-Studiums.

"Uns ist es wichtig, hier ein Studentenleben hinzukriegen", sagt Gaus. "Deshalb war auch unser Signal trotz Hagelschaden: Wir lehren. Ja, anfänglich mit Plane vor den Fenstern und es war ein bisschen frischer. Manche Toilette ist auch noch gesperrt. Aber wir sind im vollen Betrieb und machen das trotz Hindernissen."

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