Große Politik in Dietramszell:Eine Hymne auf den starken Staat

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Bundesinnenminister Horst Seehofer verschafft dem CSU-Landtagskandidaten Martin Bachhuber einen kernigen Wahlkampfauftritt. Das Publikum verzeiht ihm auch das falsche "Dietmarszell".

Von Claudia Koestler, Dietramszell

Direkter Draht: "Wir vergessen dich nicht, und du vergisst uns auch nicht", stellte Landtagskandidat Martin Bachhuber (rechts) gegenüber Horst Seehofer fest. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dass Bundespolitiker für Landespolitiker in die Bresche springen, und das wirklich auf dem Land, ist auch in Zeiten des Wahlkampfs ungewöhnlich: Bundesinnenminister Horst Seehofer aber war am Freitag nach Dietramszell gekommen, um den CSU-Landtagskandidaten Martin Bachhuber zu unterstützen. Er tat dies mit einer knapp eineinhalbstündigen Rede, in der er Markus Söders Arbeit als Ministerpräsident zwar mit keinem Wort emporhob, stattdessen aber seine Politik als dessen Vorgänger zur Blaupause für ganz Deutschland erklärte. Ein Dreh, bei dem zugleich der persönliche und damit direkte Draht von der Kommunalpolitik zur Bundesebene beschworen wurde, unter geschickter Umgehung jeglicher Vorwürfe auf Staatskanzleiebene zum derzeit historischen Umfragetief der Partei.

Dafür gab es konkrete Wahlgeschenke: "Ich gebe die Zusage: Ich werde am Dienstag sofort meinem Baustaatssekretär sagen, was ich hier erfahren habe", erklärte Seehofer zum Wunsch des Ortsvorsitzenden Michael Häsch, Erleichterungen für Bauvorhaben im Außenbereich zu schaffen: "Es wird angegangen von mir." Und zur Tölzer Nordumfahrung, für die Bachhuber Anfang 2019 die Planungsgenehmigung erwartet, forderte dieser vom Innenminister: "Horst, Köpfchen auf, Geldbeutel auf." Das sei vielleicht übermütig, "aber Horst hat mir noch nie einen Wunsch abgeschlagen - ohne ihn wäre die Verlängerung der S7 längst begraben." Seehofer antwortete, er wolle alles tun, "dass deine Wünsche für die Heimat realisiert werden, das war immer so und wird so bleiben".

Seinen Auftritt im rappelvollen Festsaal des Gasthofs Peiss nutzte Seehofer aber auch dazu, die Grundlagen seines Tuns zu erklären: "Sie sollten wissen, was ich im Herzen trage und im Kopf." Darunter fiel auch ein klares Bekenntnis zum Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen: Dieser sei Opfer einer politischen Kampagne. "Er war mir in den vergangenen Monaten eine ganz große Stütze, wenn es um die Bekämpfung von politischem Radikalismus ging, oder die Bekämpfung der Reichsbürger." Er sei "Lichtjahre entfernt von einer rechtsradikalen Einstellung, das dürfen Sie mir glauben, ein echter Demokrat, dem es darum geht, unserer Verfassung vor ihren Feinden zu schützen durch Aufklärung". Im Innenausschuss, der sehr sachlich verlaufen sei, seien alle Gegenargumente ausgeräumt worden, Seehofer habe das Fazit gezogen, dass er vor diesem Hintergrund keinen Anlass zu personellen Konsequenzen sehe. Anderntags habe dann die "politische Kampagne" begonnen. Doch Seehofer betonte: "Mit mir wird es niemals die Entlassung eines Beamten geben, der kein Dienstvergehen begangen und auch niemandem geschadet hat, nur weil es eine politische Kampagne gibt."

Der Innenminister forderte zudem einen starken Staat, "der zu jeder Zeit sein Gewaltmonopol durchsetzen kann". Einen Vorgeschmack hatten die Besucher schon vorab bekommen: Dutzende Polizisten und Sicherheitsdienstler riegelten den Gasthof ab und kontrollierten jeden Gast, bereits Tage zuvor seien die umliegenden Häuser auf mögliche Waffen durchsucht worden, erzählten sich Dietramszeller. Seehofer erklärte dazu, er sei "erst zufrieden, wenn wir in Deutschland die gleichen Maßstäbe haben wie in Bayern" - weshalb er mehr Beamte für die Bundespolizei will und eine bessere Ausrüstung. Ein starker Staat ist ihm zufolge kein Widerspruch zur Liberalität, die gerade in Bayern geschätzt werde: "Wer zu Staat, seinen Werten und Gesetzen steht, der muss sich vor dem starken Staat nicht fürchten."

Auch beim Thema Migration verteidigte er seine Haltung: "Dass Bayern sich abschottet, ist Käse." Wer hier Schutz wolle, der müsse sich integrieren, die Sprache lernen, seinen Lebensunterhalt verdienen, sich ans hiesige Recht halten "und nicht nach der Scharia, er muss bereit sein, mit uns zu leben, nicht neben uns oder gar gegen uns". Das funktioniere nicht endlos: "Kein Land kann unbegrenzt aufnehmen, ohne den inneren Frieden zu zerstören und sich selbst zu überfordern."

Was seine Haltung mit sich ziehe, kenne er schon: "Erst werde ich kritisiert, dann kommt eine Schweigespirale, eine Schamfrist, und dann wird's gemacht. Immer der gleiche Ablauf." Er stehe zu seinen Überzeugungen, ob in Bayern oder Berlin. "Damit habe ich annähernd 40 Jahre in der Politik überlebt und habe vor, noch einige Zeit zu überleben." Die Dietramszeller würden nun sehen, "warum ich ein böser Mensch bin", scherzte er - und meinte damit seine Darstellung in den Medien und seine politischen Gegner. Ja, auch er mache Fehler: "Aber dafür gibt es die Beichte, dann ist man wieder frei." Ob sein Politikstil-Parforceritt auch als Beichte zu verstehen war, ließ er offen, schließlich sei Bayern ja bereits "das Paradies". Dafür vergaben ihm die Dietramszeller etwas anderes: Dass er sie wiederholt als "Dietmarszeller" ansprach. Fürs abschließende Wir-Gefühl sorgte die Bayernhymne.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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