Wild in Bayern:"Die Steinböcke fremdeln nicht"

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Auswilderung bei spätwinterlichen Bedingungen: Seit April sind die ersten acht Schweizer Steinböcke an der Benediktenwand. (Foto: Manfred Neubauer)

Vor vier Monaten hat der Kreisjagdverband Schweizer Exemplare ausgewildert, um die Genvielfalt der Population zu stärken. Laut dem Vorsitzenden Morlang sind die zehn Tiere wohlauf.

Von Benjamin Engel, Jachenau

Viele Medienvertreter sind Mitte April den Berg hinaufgekommen, als die Jagdkreisgruppe acht Schweizer Steinböcke an der Benediktenwand auswilderte. Anfang Mai sind noch zwei weitere männliche Tiere aus dem südwestlichen Nachbarland dazugekommen, wie Wolfgang Morlang, Vorsitzender der Jagdkreisgruppe Bad Tölz, berichtet. Die inzwischen sieben Geißen und drei Böcke aus der Schweiz sollen die Genvielfalt der heimischen Population auffrischen. Vier Monate, nachdem das wissenschaftlich begleitete Langzeitprojekt angelaufen ist, zeigt sich Morlang zufrieden. "Alle sind inzwischen gesehen worden", sagt er auf Nachfrage. "Die Tiere vertragen sich gut, die fremdeln nicht."

Steinböcke sind in der Region um die Benediktenwand seit einigen Jahrzehnten heimisch. 1959 sichteten Wanderer ein erstes vermutlich aus dem österreichischen Tirol zugewandertes Tier. Ende der 1960er- sowie Anfang der 1970er-Jahre wurden weitere Exemplare angesiedelt. Das felsdurchsetzte Gelände bietet ihnen gute Lebensbedingungen. Derzeit soll es um die hundert Steinböcke geben. Die Population weist allerdings den höchsten Inzuchtgrad aller vergleichbaren auf. Das haben Forscher von der Schweizer Universität Zürich in den 2010er-Jahren analysiert.

Jäger haben Schweizer und heimische Tiere zusammen gesichtet

Die im April 2023 an der Benediktenwand ausgesetzten Exemplare stammen aus der Pleureur-Gruppe im Schweizer Kanton Wallis. Diese Tiere unterscheiden sich genetisch am weitesten von denen der heimischen Population. Damit sich der Genpool wie erhofft besser durchmischt, müssen sich die Steinböcke aus beiden Gruppen miteinander paaren. Wieweit das gelingt, muss sich aber noch zeigen. "Die Brunft ist erst im Herbst", sagt Jagdkreisgruppen-Sprecher Morlang. Die Kitze würden im kommenden Frühjahr zu beobachten sein. Bislang hätten Revierinhaber und Jäger aus der Hochwildhegegemeinschaft Isarwinkel zumindest Schweizer Tiere und Exemplare der heimischen Population zusammen gesehen.

Die Arbeitsgruppe Steinwild der Hochwildhegegemeinschaft Isarwinkel sowie der Kreisjagdverband Bad Tölz betreuen das Projekt zur Genauffrischung gemeinsam. Um es zu finanzieren, stellt der Bayerische Jagdverband (BJV) Gelder aus der sogenannten Jagdabgabe bereit. Zusätzlich wird um Spenden geworben. Morlang spricht von Kosten um die 100 000 Euro für das Projekt.

Zusätzliche Wildtierkameras sind zum Projektmonitoring installiert

Wie erfolgreich es ist, sollen örtliche Jäger und Forscher der Universität Zürich mittels eines langjährigen wissenschaftlichen Monitorings feststellen. Laut Morlang sind die ausgewilderten Schweizer Tiere mit Ohrmarken gekennzeichnet. Wo die Exemplare zu sehen seien, beobachteten einige Jäger aus der Hochwildhegegemeinschaft bei ihren Reviergängen. Losungsproben würden gesammelt und wissenschaftlich untersucht. "Wir haben auch zusätzliche Wildtierkameras installiert", so Morlang. Mindestens 52 Monitoring-Tage pro Jahr seien vorgegeben, um zu beobachten, wie sich die Steinwildpopulation entwickle. "Wir bekommen aber deutlich mehr zusammen", sagt Morlang. Gerade in strengen Wintern, stürzten immer wieder Tiere tödlich ab. Auch diese Fallwildverluste würden genau erfasst und die Kadaver wissenschaftlich untersucht.

Wie weit es gelingt, die Bendediktbeurer Population genetisch aufzufrischen, wird laut Morlang aber wohl erst in zehn Jahren festzustellen sein. Die Tiere waren Mitte des 19. Jahrhunderts im Alpenraum fast ausgestorben. Heutzutage besiedeln um die 45 000 Steinböcke das gesamte Gebirge. Im Freistaat soll es inklusive der Benediktenwand aktuell um die 800 Exemplare geben. Weitere Vorkommen sind im Hagengebirge bei Berchtesgaden, bei Bayrischzell, im Graswangtal sowie in den Allgäuer Alpen.

Üblicherweise bevorzugen Steinböcke hochalpine Lagen zwischen 2000 und 3000 Höhenmetern. Die Benediktenwand ist zwar mit 1801 Metern wesentlich niedriger. Doch laut Morlang hätten auch die Schweizer Exemplare den Lebensraum gut angenommen. Er sei zuversichtlich, dass das Projekt gelinge, die Genvielfalt zu stärken.

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