Die Diskussion um Fahrverbote für ältere Diesel-Pkws wurde vor allem durch die unerhört hohen Stickoxidmengen ausgelöst, die viele Fahrzeuge ausstoßen. Doch es gibt weitere Luftschadstoffe, die der Umwelt und der Gesundheit von Menschen und Tieren zusetzen. In manchen Fällen gäbe es technische Lösungen, um den Schaden zu begrenzen, in anderen müsste vor allem der Mensch sein Verhalten ändern. Und nicht immer sind Autos Schuld an der verpesteten Luft.
Die gute Nachricht: Unterm Strich ist die Belastung durch viele Schadstoffe in den vergangenen Jahren gesunken. Was nicht bedeutet, dass man aufhören könnte mit dem Umweltschutz. Zwar wird die Luft in Deutschland immer besser, doch weltweit sterben jedes Jahr mehr als drei Millionen Menschen durch Luftverschmutzung, die sich vermeiden ließe.
Langfristig betrachtet bereitet der Menschheit vor allem ein Stoff Probleme, der gar kein Schadstoff wäre, würde ihn der Mensch nicht im Übermaß produzieren: das Treibhausgas Kohlendioxid, CO₂. Den Klimakiller in den Griff zu bekommen ist eine noch viel größere Herausforderung, als die Luft in deutschen Städten zu verbessern.
Stickoxide
Stickoxide werden auch als NOx abgekürzt: Ein Stickstoff-Atom (N) und x Sauerstoff-Atome (O). Am häufigsten geht es dabei um Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Beide entstehen bei Verbrennungsprozessen: zum Beispiel in Kohlekraftwerken, aber auch, und das ist die weit größere Quelle, in Automotoren, die Benzin oder Diesel verbrennen. Die Belastung ist seit 1990, anders als bei fast allen übrigen Luftschadstoffen, nur wenig zurückgegangen.
Wenn Benzin oder Diesel verbrannt werden, entsteht Stickstoffmonoxid, das in der Luft teils zu Stickstoffdioxid reagiert - nur dass man die giftigen Partikel beim Benziner mit den seit Jahrzehnten vorgeschriebenen Katalysatoren relativ gut herausfiltern kann. Darum ist hier der Schuldige recht eindeutig: Es ist der Dieselmotor. Mehr als zwei Drittel der Stickstoffdioxid-Emissionen im Straßenverkehr gehen laut dem Umweltbundesamt auf Diesel-Pkws zurück, Benziner trugen nur bescheidene vier Prozent bei.
Von gut 500 Messstationen des Umweltbundesamtes verzeichneten stolze142 im Jahr 2015 eine Überschreitung des Grenzwertes; alle liegen an größeren Straßen. Statt dem erlaubten Jahresmittel von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden am Neckartor in Stuttgart 87 Mikrogramm gemessen.
61 Mal lagen dort sogar die Stunden-Mittelwerte bei mehr als 200 Mikrogramm. München folgt mit einem Rekord von im Jahresmittel 84 Mikrogramm pro Kubikmeter an der Landshuter Allee direkt dahinter. Das Gerät am Stachus landet mit 64 Mikrogramm bundesweit immerhin noch auf Platz acht. An der Lothstraße, in Allach und in Johanneskirchen werden die Grenzwerte hingegen eingehalten.
Gesundheitlich sind Stickoxide vor allem für Asthmatiker und Menschen mit chronischer Bronchitis ein Problem. Aber langfristig ist es für niemanden gesund, an stark belasteten, verkehrsreichen Straßen zu leben. Husten und Lungenkrankheiten werden häufiger. Inwiefern auch die Sterblichkeit allein durch NOx zunimmt, ist umstritten; sicher ist indes, dass aus Stickoxiden die eindeutig gesundheitsschädlichen Stoffe Feinstaub und Ozon entstehen.
Auch der Umwelt schaden Stickoxide: Aus Stickstoffdioxid kann Salpetersäure entstehen, neben Schwefelsäure eine der Hauptursachen des Sauren Regens, der in den Achtzigerjahren viele Wälder belastete. Außerdem entstehen aus Stickoxiden Nitrate, welche die Pflanzen ringsum unerwünscht düngen.
Ammoniak
Ammoniak ist wie so viele chemische Stoffe in der Biologie: einerseits lebenswichtig, andererseits tödlich. Die Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff hat einen stechenden Geruch nach schlecht geputztem Urinal, kann als Gas die Atemwege verätzen und Augen schädigen. In den Zellen ist der Stoff in gebundener Form wichtig als Baumaterial. Überschüssige Mengen wandelt der Körper in ungiftigen Harnstoff um und scheidet ihn mit dem Urin aus. Auch Pflanzen kommen nicht ohne den Stickstoff aus, der im Ammoniak gebunden ist. Deshalb wird die Chemikalie massenhaft zu Kunstdünger verarbeitet.
In die Luft gelang Ammoniak hauptsächlich durch die Landwirtschaft. Es entweicht den Ställen und gast aus Gülle und Mist, die Bauern als Dünger auf ihren Feldern verteilen. Laut Umweltbundesamt (UBA) entstehen um die 95Prozent der Gesamtemissionen auf diesem Weg, die von 1990 bis 2014 um gut sieben Prozent sanken.
Den größten Beitrag zur Emissionsminderung leistete nach Angaben des UBA der Abbau der Tierbestände in den neuen Bundesländern unmittelbar nach der Wiedervereinigung. In den vergangenen Jahren stieg der Ausstoß jedoch wieder leicht an, was unter anderem an den wachsenden Mengen von Gärresten aus Biogasanlagen liegt.
Es gibt technische Lösungen, um bis zu 90 Prozent des Ammoniaks aus der Stallluft zu filtern. Sie treiben jedoch den Fleisch- und Milchpreis geringfügig in die Höhe. Beim Düngen ließen sich die Emissionen durch Verfahren reduzieren, die den Dünger direkt in den Boden einarbeiten, sodass wenig Gas entweichen kann. Die neue Düngeverordnung soll außerdem den Einsatz von Düngemitteln reduzieren.
Ammoniak belastet nicht nur direkt die Luft, sondern trägt auch zur Bildung von Feinstaub bei. In der Atmosphäre wandelt sich das Gas über verschiedene Reaktionen in Ammoniumsulfat und Nitrat um. Beide Stoffe tragen dazu bei, dass sich Feinstaubpartikel bilden, die der menschlichen Gesundheit schaden.
"Die Landwirtschaft ist damit global gesehen die Ursache von einem Fünftel aller Todesfälle durch Luftverschmutzung", heißt es in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. In manchen Ländern, zum Beispiel in der Ukraine, Russland und Deutschland, liege der Anteil sogar bei mehr als 40 Prozent. Jedes Jahr sterben weltweit 3,3Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung.
Kohlenmonoxid
Kohlenmonoxid, chemisch CO, entsteht zu drei Vierteln bei der unvollständigen Verbrennung von Kraftstoffen, wenn zu wenig Sauerstoff vorhanden ist. Das passiert vor allem im Straßenverkehr, aber auch etwa in Kohlekraftwerken. Zu einem Viertel stammen die Emissionen in Deutschland aus der Industrie.
Viel zu merken ist nicht von dem Gas: Man sieht es nicht, man riecht es nicht, man schmeckt es nicht. Aber es ist in hohen Konzentrationen ein starkes Atemgift, das die Sauerstoff-Aufnahme von Menschen und Tieren stört und laut dem Umweltbundesamt Auswirkungen auf das Zentralnervensystem haben kann.
Über längere Zeit können auch geringere Belastungen problematisch sein, vor allem für Kinder, Schwangere, ältere Menschen sowie für Herzkranke, deren Herzgefäße verengt sind. Außerdem trägt es dazu bei, dass am Boden Ozon entsteht. Richtig gefährlich ist Kohlenmonoxid aber vor allem in Innenräumen: Immer wieder kommt es zu teils tödlichen Vergiftungen, wenn aus kaputten Gasheizungen Kohlenmonoxid ausströmt.
Seit 1990 sind die Emissionen um fast 90 Prozent zurückgegangen, teils dank besserer, effizienterer Benzin-Motoren, deren Verbrennungsprozesse so abgestimmt sind, dass weniger CO entsteht, was auch Benzin spart. Vor allem aber dank der Einführung von Katalysatoren. Bei Dieseln wird ohnehin wenig CO erzeugt. Seit dem Jahr 2005 gilt in Europa ein Grenzwert von zehn Milligramm pro Kubikmeter als Mittelwert über acht Stunden. An den Münchner Messstationen sind es üblicherweise weniger als zwei Milligramm.
Feinstaub
Staub gibt es in vielen Varianten: Gröber oder feiner, eher feucht oder eher trocken, natürlich oder unnatürlich. Wissenschaftler teilen Feinstaub nach zwei Kriterien ein: Einerseits gibt es den "primären" Staub, der direkt entsteht, sei es in Heizungen, Autos, Kraftwerken, in der Industrie oder wenn der Wind über kahle Böden fegt.
Andererseits ist da der "sekundäre" Feinstaub, der chemisch entsteht, aus Vorläufern wie Ammoniak, Schwefel- oder Stickoxiden. Und dann wird der Dreck, egal welcher Herkunft, noch nach Größe sortiert: Partikel mit bis zu zehn Mikrometer Durchmesser ("PM10") haben andere Auswirkungen als solche, die kleiner sind als 2,5Mikrometer (PM2,5). Größere Teile reizen die Schleimhäute, kleinere können bis in den Blutkreislauf eindringen.
In Städten stammt der meiste Feinstaub aus dem Straßenverkehr, vor allem aus Dieselmotoren, aber er entsteht auch durch den Abrieb von Reifen auf der Straße oder beim Bremsen. Auch Heizungen, Kamine und Holzöfen tragen zur Belastung bei. Meist ist im Winter Feinstaub-Saison, was nicht nur an der zusätzlichen Belastung aus den Schornsteinen liegt, sondern auch daran, dass die Luft weniger durchmischt wird.
Das ist besonders in Talkesseln ein Problem, so dass auch wieder das geplagte Stuttgart die Rangliste anführt: Am Neckartor wurden in den ersten drei Monaten des Jahres bereits an 35 Tagen Mittelwerte von mehr als 50 Mikrogramm PM-10 pro Kubikmeter gemessen, öfter darf das eigentlich im ganzen Jahr nicht vorkommen. Auch am Stachus in München wurde die 50-Mikrogramm-Grenze heuer schon 21 Mal überschritten.
Ozon
Je nachdem, wo sich Ozon befindet, ist es erwünscht oder unerwünscht. Hoch oben, in der Stratosphäre, schützt die Ozonschicht die Erde vor UV-Strahlung. Das in den Achtzigerjahren erstmals beobachtete Ozonloch über der Antarktis war ein Schock für die Menschheit; das darauf folgende weltweite Verbot der Ozon-zerstörenden FCKW ein großer Erfolg der Umweltbewegung. Seit einigen Jahren ist die Ozonschicht eindeutig dabei, sich zu erholen, das ist eine gute Nachricht.
Anders sieht es aus, wenn Ozon in Bodennähe auftritt. Denn dass man es in der Stratosphäre durchaus braucht, ändert nichts daran, dass das farblose, in höheren Konzentrationen stechend riechende Gas giftig ist. Es stört die Lungenfunktion und reizt die Atemwege, besonders bei sportlicher Anstrengung. Obendrein steht es im Verdacht, krebserregend zu sein. Das Gas entsteht am Boden unter anderem aus Stickoxiden, wenn die Sonne darauf scheint. Darum tritt, anders als beim Feinstaub, Ozon-Smog im Sommer auf.
Eigentlich sollte die Konzentration im Acht-Stunden-Mittel nie mehr als 120 Mikrogramm pro Kubikmeter betragen, dieses Ziel wird in Deutschland fast nirgendwo erreicht. Allerdings ist die Zahl der Überschreitungen seit den Neunzigerjahren deutlich zurückgegangen. Besonders betroffen sind paradoxerweise ländliche Gebiete, weil die Schadstoffe in der Stadtluft Ozon über Nacht wieder abbauen. In München hat denn auch ausgerechnet die Messstelle des Umweltbundesamtes am Stachus den Grenzwert im Jahr 2016immer eingehalten, während es in Allach 17 Überschreitungen gab.
Schwefeldioxid
Schwefeldioxid (SO₂) entsteht überwiegend bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle oder Erdöl. Dabei reagiert der im Brennstoff enthaltene Schwefel mit Sauerstoff aus der Luft und verwandelt sich in das giftige, stechend riechende Gas, das in hohen Konzentrationen Tieren und Pflanzen schadet. Seit 1990 sind die SO₂-Emissionen um mehr als 90 Prozent gesunken, berichtet das Umweltbundesamt (UBA).
Grund dafür sind technische Maßnahmen, um das Gas aus den Abgasen zu filtern, und der Einsatz schwefelarmer Brennstoffe. "Die Reduktionsziele sind damit alle vorzeitig erreicht oder sogar übererfüllt worden", heißt es auf der Webseite des UBA. Dennoch wird die Einhaltung der Grenzwerte noch immer überwacht, Überschreitungen gibt es fast nicht mehr.
Einmal in der Atmosphäre kann Schwefeldioxid zu "saurem Regen" führen, der nicht nur empfindlichen Ökosystemen wie Wäldern und Seen zu schaffen macht, sondern auch Hausfassaden angreift und erodieren lässt. In den Achtzigerjahren wurde befürchtet, dass saurer Regen ein flächendeckendes Waldsterben auslöst.
Heute stoßen Schiffe wahrscheinlich die größten Schwefeldioxidmengen aus, für sie gelten höhere Grenzwerte für den Schwefelgehalt im Treibstoff als für andere Verkehrsmittel; erst im Jahr 2020 soll die maximal erlaubte Schwefelmenge deutlich sinken. Neben dicker Luft an Schifffahrtsstraßen führt das auch dazu, dass in der Nähe großer Überseehäfen dichtere Wolkendecken entstehen als im Umland. SO₂ in der Luft wirkt als Kondensationskeim für winzige Wassertröpfchen und regt so die Wolkenbildung an.
Kohlendioxid
Eigentlich zählt Kohlendioxid gar nicht zu den Luftschadstoffen: Menschen atmen es aus, Pflanzen könnten ohne CO₂ nicht überleben, in normalen Konzentrationen ist das Zeug absolut harmlos. Trotzdem ist es unter allen hier aufgeführten Stoffen derjenige, der langfristig den größten Schaden anrichtet, und zwar mit Abstand. Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist seit der vorindustriellen Zeit von etwa 280 "parts per million" auf etwas mehr als 400 angestiegen; das ist auch etwa der Wert, den das Umweltbundesamt an den Messstationen im Südschwarzwald und auf der Zugspitze misst.
Die Folge ist ein bereits heute deutlich spürbarer Klimawandel, im Schnitt ist es in Deutschland seit dem Ende des 19. Jahrhunderts um rund 1,4 Grad wärmer geworden. Das führt im Schnitt zu mehr sehr heißen Tagen, die für Kranke und Alte belastend sind, sowie zu mehr Extremwetter-Ereignissen wie den Starkregenfällen mit schweren Überschwemmungen im Mai und Juni 2016, ganz abgesehen von den katastrophalen globalen Folgen.
Vom CO₂ selbst jedoch ist meist wenig zu merken. So gesehen kann man den anderen Schadstoffen doch fast eine gute Seite abgewinnen: Oft sind sie der einfachste Hebel, um auch das CO₂ in den Griff zu bekommen. Das sieht man in chinesischen Städten, wo die unerträgliche Luftverschmutzung Kohlekraftwerke immer unpopulärer macht, oder in den USA, wo strengere Schadstoff-Grenzwerte viele Kohlemeiler vom Markt gedrängt haben. Und sollten Fahrverbote wegen schmutziger Luft dazu führen, dass in München oder Stuttgart dereinst weniger Auto gefahren wird - dann wäre das auch für das Klima gut.