Geplante Trambahn-Trasse:Streit beim MVG-Spaziergang

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Moderator und Stadtplaner Andreas Bernögger (rechts) offenbarte großes Talent, Tram-Kritiker zu beruhigen. (Foto: Robert Haas)

Die einen wollen sie unbedingt, die anderen auf gar keinen Fall: Bei der Besichtigung der künftigen Tram-Nordtangente prallen Gegensätze aufeinander. Besonders umstritten ist das Teilstück durch den Englischen Garten.

Von Wolfgang Görl

Am Habsburgerplatz sieht es für kurze Zeit so aus, als würde der dem Informationsaustausch dienende Bürgerdialog in einer wüsten Streiterei enden. Die etwa dreißig Teilnehmer fallen sich gegenseitig ins Wort, alle reden durcheinander, und es kommt zu kleinen Gehässigkeiten. Doch Andreas Bernögger, der als Moderator fungiert, bleibt gelassen. Mit österreichischem Charme gelingt es ihm, die erhitzten Gemüter wieder herunterkühlen. Einfach ist es nicht, denn die Gegensätze, die hier aufeinanderprallen, sind grundsätzlicher Natur: Die einen sind für eine Trambahn hier in der Franz-Joseph-Straße, die anderen sind strikt dagegen.

An diesem späten Freitagnachmittag geht es um ein Teilstück der geplanten Tram-Nordtangente, die, sollte sie verwirklicht werden, den Romanplatz mit der Haltestelle St. Emmeram verbindet. Auf dem größten Teil der insgesamt 13 Kilometer langen Strecke gibt es bereits Straßenbahnschienen, lediglich der etwa 2,2 Kilometer lange Abschnitt zwischen Elisabethplatz und Tivolistraße müsste neu gebaut werden. Besonders umstritten ist das etwa 800 Meter lange Teilstück, das entlang der bisherigen Busstraße durch den Englischen Garten führt. Das gesamte Projekt befindet sich derzeit noch im Stadium der Vorplanung, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) hofft, die fertigen Entwürfe gegen Ende des Jahres dem Stadtrat vorlegen zu können. In den kommenden Wochen wollen MVG und Stadtwerke die Bürger bei Spaziergängen und einer Radtour über den Stand der Dinge unterrichten.

Zum Spaziergang am Freitag, der vom Elisabethplatz entlang der Franz-Joseph-Straße sowie der Martius- und Thiemestraße bis zum Eingang des Englischen Gartens führt, sind vor allem Gegner des Trambahn-Projekts gekommen, zumindest sind sie am deutlichsten vernehmbar. Einer von ihnen ist der Schriftsteller P.J. Blumenthal, der bereits auf den ersten Metern den MVG-Planungsleiter Ulrich Osthöver in Beschlag nimmt und schimpft: "Sie verunstalten unsere schöne Franz-Joseph-Straße." Osthöver gibt zurück: "Wir verunstalten gar nichts. Da kommen nur Gleise in die Mitte." Blumenthal: "Das glaub' ich nicht. Und ich befürchte, dass die schönen Bäume gefällt werden." Osthöver: "Wir fällen keine Bäume. Nur an den Haltestellen müssen Bäume gefällt werden, aber die werden nachgepflanzt." Blumenthal: "Das glaub' ich nicht."

Ein generelles Misstrauen gegenüber den Planern ist unüberhörbar, was auch die Projektleiterin Anja Wetzel beim ersten Stop am Habsburgerplatz zu spüren bekommt. Die Schwabing-Aktivistin Birgit Sasowski bezweifelt, dass es überhaupt einen Bedarf an der Straßenbahnlinie gibt. "Ich fahr oft diese Strecke mit dem Bus, und der ist schwach besetzt." Wetzel kontert mit Expertenprognosen über künftige Fahrgastzahlen, aber auch diese werden angezweifelt. Gerd Schulz aus Bogenhausen, der insbesondere die Tramtrasse durch den Englischen Garten für Unfug hält, macht sich im anschwellenden Palaver mit der Frage vernehmbar, warum man nicht eine durchgehende Buslinie einrichte. "Der Bus reicht nicht mehr aus", sagt Anja Wetzel, die angesichts der aggressiven Töne erstaunlich ruhig bleibt. "Mit Bussen stoßen wir schnell an Kapazitätsgrenzen. Wir müssen aber langfristig denken, bis 2030. Und da ist Bedarf da."

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Einige Fragen, etwa nach der exakten Zahl der Autoparkplätze, die am Habsburgerplatz oder in der Thiemestraße wegfallen würden, können Wetzel und Osthöver nicht mit letzter Sicherheit beantworten, weil die Planung nicht abgeschlossen ist. "Wir sind immer noch in der Vorplanung", sagt Wetzel. "Das merkt man", schallt es polemisch zurück. Offen bleibt auch, ob an der Einfahrt zum Englischem Garten - die Tram soll im denkmalgeschützten Park oberleitungsfrei verkehren - Bäume gefällt werden müssen, und wenn ja, wie viele. Derzeit, berichtet Wetzel, werde untersucht, ob die fraglichen Bäume die Bauarbeiten verkraften können.

Vor dem Kreisverkehr am Kißkaltplatz setzt es abermals Hohn und Spott. "Der Kreisel wurde gerade für viele Millionen umgebaut", ätzt eine Frau. "Den könnt's jetzt gleich wieder verkaufen. Mir hams ja." Auch die Offiziellen räumen ein, dass dies nicht ganz glücklich sei, aber nun leider nicht mehr zu ändern. Die Gegner des Tramprojekts aber lassen nicht locker und werfen abermals die Lärmfrage in die Debatte, die bereits in der Franz-Joseph-Straße die Zwietracht verstärkt hatte. Am Kißkaltplatz beschwören sie die Quietschgeräusche herauf, die unweigerlich entstünden, wenn die Tram dort einen Schwenk mache. Das Quietschen könne man mit Schmierstoff verhindern, wirft Trambahnfahrer Karl Nibler ein, der für die Grünen im Bezirksausschuss Bogenhausen sitzt. Ob die Schmiere auch biologisch abbaubar sei, fragt daraufhin ein Teilnehmer, um Nibler, der sich ohnehin schon unbeliebt gemacht hat, zu provozieren. Nibler winkt ab. Und so bleibt auch diese Frage offen und ein Thema für die nächste Runde. Manches werden auch die Experten nicht klären können. Die Tram verschandele die Franz-Joseph-Straße, hatte Blumenthal beklagt. Darauf ein Ruf aus der Menge: "Die Tram gehört zum Münchner Straßenbild."

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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