SZ-Adventskalender:Dann stirbt auch noch der Hund

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Klein, aber warm: Die Küche von Birgit N. ist kaum möbliert, es fehlt ihr dafür das Geld. (Foto: Catherina Hess)

Ihr ganzes Leben lang hat Birgit N. gearbeitet, seit 2020 findet sie keinen Job mehr. Und auch die Arthrose macht ihr zu schaffen.

Von Berthold Neff

Wenn es in der alten Wohnung so richtig kalt wurde, weil die Ölheizung mal wieder ausgefallen war, dann war Pascha für die Wärme zuständig, er wärmte ihr wenigstens das Herz. Aber jetzt ist er nicht mehr da, ein Lebertumor hatte dem 15 Jahre alten Labrador so zugesetzt, dass er von seinem Leid erlöst werden musste. Wenn Birgit N. davon erzählt in der Küche ihrer kleinen, aber warmen Wohnung, geht ihr Blick hinüber zu der kleinen Anrichte, wo eine LED-Kerze vor einem Bild von Pascha flackert.

Recht verwahrlost war er, als sie sich erstmals um ihn kümmerte. Seinem damaligen Herrchen war Pascha mehr oder weniger egal, und wenn er mit seinen Kumpels im Park abhing und sich mit Alkohol zuschüttete, musste Pascha angebunden warten, bis der Mann nach Hause wankte. Irgendwann konnte Birgit N. das nicht mehr mitansehen und bot ihm an, sich um den Hund zu kümmern. Sechs Jahre alt war Pascha damals und so ungestüm, dass er ihr beim Reißen an der Leine einen Muskelsehnenriss am rechten Arm zufügte. "Aber ich habe ihn erzogen, er ist dann ruhiger geworden."

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Deshalb konnte sie ihn auch zur Arbeit mitbringen, das war eine Firma für Autoschilder in der Nähe des Pasinger Rathauses. Sieben Jahre lang hat die heute 63-Jährige dort gearbeitet, dann musste die Firma 2020 schließen, sie verlor den Job und hat bis heute keinen neuen gefunden. "Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, aber jetzt tue ich mich schwer, etwas zu finden", sagt Birgit N.

Arthrose in den Gelenken macht ihr zu schaffen, sie wurde vor elf Jahren am Lendenwirbel operiert, vor zwei Jahren stellten die Ärzte Schäden an den Halswirbeln fest. Wenigstens ist das rechte Handgelenk gut verheilt, das hat sie sich beim Gassigehen mit Pascha gebrochen, als sie beim Tritt in ein vom Laub verdecktes Erdloch das Gleichgewicht verlor und stürzte.

Geboren wurde sie im Harthof. Als sie neun Jahre alt war, zog die Familie nach Neuperlach, das damals gerade auf der grünen Wiese entstand. Sie machte einen Abschluss als Friseurin, dann arbeitete sie im Akkord bei der Produktion von Versandhauskatalogen in der Nähe vom Ostbahnhof, später bei einem Händler von Autoteilen in Neufahrn. Zwischendurch hat sie ihre beiden Kinder zur Welt gebracht, 1978 den Sohn, 1986 die Tochter. Dann zerbrach die Ehe, aber zu den Kindern hat sie bis heute einen guten Kontakt.

Sie traute sich nicht mehr, in das verwahrloste Haus jemanden einzuladen

Es war dann aber so, dass sie sich schon gar nicht mehr traute, jemanden einzuladen in das verwahrloste Haus in Pasing mit der kaputten Ölheizung, wo sie in einer kleinen Wohnung lebte. Sie war möbliert, sodass Birgit N. nun in ihrem neuen Zuhause am Michaelibad in einer Siedlung aus den 1930er-Jahren so gut wie ohne Möbel dasteht. Zwei kleine Zimmer sind es und die Küche. Sie schläft auf einer aufblasbaren Matratze, die hat ihr Sohn vorbeigebracht. Dieser wohnt zwar nicht weit, in Neuperlach, hat sich zuletzt jahrelang um seine schwerkranke Oma gekümmert, "meine Schwiegermutter". Ihr Ex-Mann war da schon längst tot, gestorben 2008 mit nur 49 Jahren, an Lungenkrebs, "als er gerade das Rauchen aufgehört hatte". Da ihr Sohn gerade eine Umschulung macht, hat er nicht so viel Zeit, um ihr mit dem Einrichten zu helfen. Hier eine Lampe für 30 Euro anbringen, dort eine Vorhangstange befestigen oder einen Duschvorhang.

"In meinem Alter ist eine Luftmatratze nicht das Richtige."

Sie hat kaum Geld, um sich das Allernötigste zu kaufen. Sie kocht das, was nicht viel kostet, es langt dann auch meistens für zwei Tage. "Es ist gut, dass ich wenigstens einen großen Kühlschrank habe, da kann ich immer dann einkaufen, wenn Sachen im Angebot sind", sagt Birgit N. Der gehört zu den wenigen Dingen, die sie aus ihrer alten Wohnung mitgenommen hat, dazu noch die abgewetzten Stühle in der Küche und der runde Tisch. "Ich brauche ja nicht viel", sagt sie. Über ein richtiges Bett würde sie sich aber sehr freuen, "in meinem Alter ist eine Luftmatratze nicht das Richtige".

Etwas einsam fühlt sie sich hier schon noch, "ich kenne die Leute ja noch nicht". Sie hat schon überlegt, "dass ich mir einen Hund aus dem Tierheim hole, der wäre dankbar dafür". Aber sie zögert: Und was ist, "wenn mir was passiert, wenn ich ins Krankenhaus muss? Das kann ich dem armen Viecherl nicht antun." Große Pläne hat sie nicht bis zur Rente, die wohl um die 800 Euro betragen wird, zuletzt hat sie ja kaum mehr eingezahlt, dem Arbeitslosengeld folgte das Bürgergeld. Aber wenn es ihr gesundheitlich einigermaßen geht, will sie wieder arbeiten, "und wenn ich nur stundenweise Regale einräume". Hauptsache "dass ich unter Leute komme und sehe, wie das Leben weitergeht."

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