Starnberger See und Ammersee:Was ist das für ein Sommer? Kalt, nass - und doch zu warm

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Auch an trüben Tagen lockt der Starnberger See Ausflügler und Naherholer, wie hier in Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Saison ist die schlechteste seit Jahren, trotzdem liegen die Temperaturen immer noch 1,7 Grad über dem langjährigen Mittel. Sechs persönliche Bilanzen.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren, Starnberg

An diesem Wochenende will der Sommer wohl noch einmal gut Wetter machen - versöhnliche sonnige 21 bis 22 Grad sind am Starnberger See und Ammersee angesagt. Für viele dürfte die Bilanz nicht mehr zu retten sein: Diese Saison war nichts - oder täuscht der Eindruck?

Der Meteorologe

Was viele als Totalausfall werten, sieht Wetterbeobachter Siegmar Lorenz als "einen Rückfall in den typischen mitteleuropäischen Sommer", der sich eben durch wechselhaftes Wetter auszeichne. Zwar lag die mittlere Temperatur in den drei vergangenen Monaten am Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg niedriger als in den sechs Sommern zuvor, doch noch immer um 1,7 Grad über dem langjährigen Mittel. Im Juni betrug die Abweichung sogar plus 4,4 Grad, es war der achtwärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen 1781. Der Juli lag noch um 0,7 Grad über der Statistik, der August mit einer Temperatur von 14,8 Grad dann genau im Durchschnitt. Freilich fiel der Sommer mit Unwettern und Hagel um 27 Prozent nasser aus als im langjährigen Mittel, es wurden insgesamt 596 Liter pro Quadratmeter registriert. Von Juni bis August schien die Sonne 631 Stunden lang. Laut Lorenz ein normaler Wert: Dem recht sonnigen Juni stünden "die etwas unterbelichteten Monate Juli und August gegenüber".

Die Wirtin

Das Eis ist hausgemacht, die Kuchen und Torten sind selbstgebacken: Damit hat sich der "Kiosk am See" in Utting, der zum Restaurant "Lenas am See" gehört, einen Namen gemacht. Nützt aber alles nichts, wenn Badegäste, Spaziergänger und Touristen, die sonst mit den Raddampfern Herrsching oder Diessen oder der MS Augsburg oder MS Utting ankommen, wegen Dauerregens ausbleiben. Und wenn es nicht geregnet hat, war es kalt. Normalerweise ist der Kiosk bis 22 oder 23 Uhr geöffnet, doch den meisten Gästen sei es schon am frühen Abend zu kühl gewesen im Freien. "Das ist schon sehr schade", sagt Lena Mielke, der Umsatzeinbruch sei deutlich erkennbar.

Lena Mielke erfüllte sich mit ihrem Restaurant "Lenas am See" einen Traum und führte das Lokal in Utting am Ammersee wieder in Familienhände zurück. (Foto: privat)

Seit 2017 führt sie die Gastronomietradition ihrer Familie weiter. Die Urgroßeltern hatten 1950 das "Café am See" am Uttinger Dampfersteg eröffnet. Wegen des Lockdowns habe sie sehr gutes Personal verloren, erzählt Mielke, deshalb musste sie auch einen dritten Ruhetag einführen. Trotzdem ist die 31-Jährige zuversichtlich. Es zeige sich am Restaurant, dass die Leute wieder essen gehen wollen. Und im Winter will sie den Kiosk bei schönem Wetter auch öffnen. Dann gibt es eben Waffeln, Glühwein und Wintereis.

Der Schifffahrtschef

Durchwachsen wie das Wetter nennt der Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, Michael Grießer, die Saison auf dem Starnberger See und Ammersee bis jetzt. Das mag aber an seiner persönlichen Wahrnehmung vom Sommer liegen. Denn beim Blick ins Zahlenwerk wirkt er positiv überrascht: Die Fahrgastzahlen liegen bis einschließlich August höher als im Vorjahr. Wegen Corona hatten sich die Zahlen 2020 im Vergleich zum Vorjahr auf 750 000 halbiert auf Starnberger See, Ammersee, Königssee und Tegernsee. Ganz so schlecht sieht es heuer nicht aus: Grießer spricht von 40 Prozent weniger Fahrgästen als 2019.

"Wir gehören zwar eigentlich zum öffentlichen Personennahverkehr, hätten also auch früher in die Saison starten dürfen, haben das aber zur Eindämmung der Pandemie nicht gemacht." Auch wenn er persönlich den Sommer als schlecht wahrgenommen habe, das Wettertagebuch, das die Schifffahrt führt, gibt ein anderes Bild ab. Dort wird täglich nach Schulnoten aufgezeichnet, was sich am Himmel tut: Der Juni war beispielsweise heuer mit einem Schnitt von 2,3 deutlich besser als im Vorjahr, wo dieser bei 3,6 lag. Dafür hat der Juli schlechter abgeschnitten: Lag er im Vorjahr noch bei 2,5, liegt die Bewertung heuer bereits bei 3,5. "Wir hoffen jetzt einfach auf einen goldenen September, damit das Ergebnis am Ende besser ist als erwartet", sagt Grießer.

Die Bäuerin

"Unglaublich nass", so beschreibt Anita Painhofer die Äcker, auf denen die Familie Getreide und Kartoffeln anbaut. Die Kartoffeln könnten jetzt aus dem Boden, "aber sie sind kleiner und weniger als sonst", sagt die Kreisbäuerin aus Geisenbrunn. Auf dem Saliterhof werden Pommes-Kartoffeln für eine Fastfood-Kette angebaut. Sie könne sich nicht erinnern, dass es schon einmal so nass gewesen wäre. "Das Wasser steht." Erst wenn es jetzt einige Tage trocken und windig sei, könne man ernten. Beim Weizen haben es die Painhofers noch gut getroffen. "Wir haben am 22. August geerntet, danach hat es nur geregnet", weiß Painhofer, weil sie alles in einem Büchlein aufschreibt. Der Weizen, der jetzt noch auf den Feldern stehe, habe seinen goldigen Glanz verloren und flimmere leicht schwarz. Das heißt, das Getreide könne im schlimmsten Fall nur noch als Futter verwendet werden.

Kreisbäuerin Anita Painhofer aus Geisenbrunn. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Fischerin

Die Fischer auf dem Ammersee haben diesen Sommer sehr durchmischt erlebt, genauso wie auch die Schichten im Gewässer sich reichlich mischten bei turbulenter Witterung. "Das Wetter war einfach anders als sonst", sagt Victoria Wesselmann von der Fischerei Schlamp in Herrsching. "Es war zu lange kalt und wechselhaft, dann war es plötzlich heiß, dann hat es wieder geregnet, war windig und der See wurde erst sehr spät richtig warm." Erst seit drei Wochen könne sie beispielsweise auf Renken fischen, vorher hatte sie kaum etwas in den Netzen. "Der Regen dient uns Fischern eigentlich. Aber in diesem kalten Frühjahr hat sich alles verzögert in der Natur. Wir haben oft nicht gewusst, wo die Fische sind. Die haben sich zu keinem Schwarm zusammengefunden, den man fischen konnte. Die Fische waren das auch nicht gewohnt, dass der See sich so langsam erwärmt und so langsam erst Plankton bildet", sagt die Berufsfischerin.

Fischerin Victoria Wesselmann aus Herrsching. (Foto: Arlet Ulfers)

Zuletzt seien durch die Regenfälle wieder viel Wasser und Nährstoffe über die Ammer in den See gekommen. "Erst jetzt hat sich der See richtig eingeschichtet", sagt Wesselmann. Bei der Schichtung des Ammersees im Sommer sinken die kalten Wassermassen nach unten, und oben auf dem See bildet sich eine Warmwasserschicht, die man beim Schwimmen spüren kann. Wesselmann findet jedoch, der Regen habe Mensch und Natur auch gut getan: "In dieser Corona-Lage hat uns der Regen doch eher ein bisschen runtergebracht. Wenn wir einen richtig heißen Sommer gehabt hätten und man hätte vieles nicht tun dürfen, dann wäre es bestimmt deutlich unruhiger geworden, auch am See."

Die Urlauber

"Klar, mit schönem Wetter macht's mehr Spaß, aber man muss eben das Beste draus machen", sagt Uli Herb aus Urbach im Remstal, nähe Stuttgart. "Da, wo es den guten Wein gibt", fügt der Schwabe mit einem Grinsen im Gesicht hinzu. Er fährt mit seiner Frau Meike und den beiden Töchtern Klara und Hanna seit 15 Jahren nach Kochel am See auf einen Bauernhof. Dort verbringen sie ihren Urlaub. Die Familie zieht es dann in die Berge, Richtung Garmisch-Partenkirchen zum Wandern. Und wenn es regnet, was wird dann gemacht? "Nix, ein bisschen im Wald spazieren und sich trotzdem erholen", so Meike. "Mit schlechtem Wetter muss man eben rechnen."

Urlauber (von links) Uli, Hanna, Klara und Meike Herb an der Starnberger Seepromenade. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Herbs sind seit Samstag in der Region und genießen das Urlaubsparadies für zwei Wochen. Hallenbad, Blombergbahn oder Schifffahrt - das haben sie schon alles durch. Und nach der Schifffahrt über den Kochelsee, die laut Uli "eher Rafting als eine Bootsfahrt" war, ist er etwas vom Wasser abgeschreckt. Trotzdem waren die vier Urlauber am Donnerstag das erste Mal am Starnberger See. Und: Das Wetter hat sogar mitgespielt! Die Familie genießt den Ausblick an der Seepromenade bei strahlendem Sonnenschein. Doch sie sind nicht die Einzigen. Viele Einheimische machen Urlaub zu Hause - und viele Touristen kommen in das Fünfseenland. Nach Angaben des oberbayerischen Tourismusverbands sind die meisten Unterkünfte am Starnberger See oder in der Region Garmisch-Partenkirchen bis Mitte September belegt. "Wir fahren seit 15 Jahren hierher, aber so überlaufen wie dieses Jahr war es noch nie", sagt Uli Herb mit einem Schnaufen. Das dürfte vor allem an der Pandemie liegen, von der sich manch einer erholen muss. Und dabei gilt: Urlaub ist eben Urlaub - ob mit oder ohne Regen.

© SZ vom 03.09.2021/arm, csn, abec, vaku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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