Das Stadttor des 21. Jahrhunderts ist ein Ensemble mit vier mächtigen Türmen aus Beton, Stahl und Glas. Die Bauten mit ihren geneigten Dachflächen und geschwungenen Formen sind zwischen 46 und 84 Meter hoch.
Am Vogelweideplatz und an der Einmündung der Prinzregenten- und Einsteinstraße in die Autobahn in Richtung Riem geht die modernste Hochhausgruppe Münchens ihrer Fertigstellung entgegen. Die Glasfassaden des Neubau-Komplexes sind zwar noch nicht vollständig geschlossen, aber es zeigt sich bereits jetzt, wie stark die sogenannten Bavaria Towers den Stadteingang im Osten prägen.
Architektur:So sieht die Zukunft der Stadt aus
Das neue Baurecht entzündet die Kreativität der Architekten wie selten zuvor. Ein Vorschlag aus München illustriert eine Welt ungeahnter Möglichkeiten.
Noch vor wenigen Jahren hätte sich kaum einer vorstellen können, dass sich der verkehrsumtoste Vogelweideplatz mit den großteils wenig attraktiven Gewerbeflächen in der Umgebung zu einem städtebaulichen Höhepunkt entwickelt. Der ein paar hundert Meter entfernte Turm des Süddeutschen Verlags mit seinen 100 Metern Höhe habe eine architektonisch prominente Vorlage für den Trend zur neuen Urbanität in dieser Stadtregion geliefert, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk.
Im Jahr 2008 sind Verlag und Redaktion der Süddeutschen Zeitung aus der Innenstadt an die Hultschiner Straße gezogen. Damals nannte der frühere Oberbürgermeister Christian Ude die Gegend süffisant ein "städtebauliches Wildschweingehege". Ferdinand Spies vom Immobilienunternehmen Art-Invest Real Estate, der vor Kurzem das Hochhaus gekauft hat, bezeichnet den Turm nun als ein Landmark-Gebäude im "aufstrebenden Münchner Osten".
In den vergangenen Jahren richtete sich der Fokus der Stadtplaner hauptsächlich nach Westen - speziell auf den neuen Stadtteil Freiham und auf die Flächen entlang der Bahnachse vom Hauptbahnhof nach Pasing. Hier ist eine enorme Baudynamik zu beobachten, wobei allerdings Hochhäuser vor allem wegen der Sichtbeziehungen auf die Altstadtsilhouette oder das Nymphenburger Schlossrondell keine große Rolle spielten.
Nun ist der Osten stark im Kommen. "Hier gibt es Spielräume für die Stadtentwicklung", sagt die Stadtbaurätin. "Neue Kompositionen" könnten sich gut in bestehende Strukturen einfügen. Die Achse in Richtung Osten, hauptsächlich im Umfeld der Bahnlinie nach Rosenheim, mit bislang sehr heterogenen Nutzungen - von kleinen Werkstätten bis hin zu großen Unternehmen -, ist für Investoren interessant geworden.
Die Stadtteile wandeln sich mit ihren kleinteiligen, klassischen Gewerbezonen hin zum verdichteten Büro- und Wohnstandort. Viele Anwohner betrachten diese Entwicklung mit großer Sorge. Sie fürchten den Verkehrskollaps in ihrem Viertel. Stadtbaurätin Merk sieht das nicht so dramatisch. Die Autobahn sowie die neue Straßenbahn-Linie und die S-Bahn sind für sie wichtige Bestandteile der Infrastruktur.
Wie dieser Veränderungsprozess aktuell aussieht, zeigt zum Beispiel das Projekt Baumkirchen-Mitte auf dem ehemaligen Bahn-Betriebsgelände am S-Bahnhof Berg am Laim, in unmittelbarer Nachbarschaft zum SV-Hochhaus und nicht weit vom Vogelweideplatz. Das neue Quartier mit Hunderten Wohnungen und Arbeitsplätzen ist bereits in großen Teilen fertig. Gebaut wird zurzeit das Projekt Neo, ein 60-Meter-Hochhaus, das zu einem architektonischen Ausrufezeichen des Quartiers werden soll.
Keines der Hochhäuser im Osten überschreitet die 100-Meter-Marke, eine Anmutung von Manhattan stellt sich mithin nicht ein, prägend für die Silhouette der Stadt wirken sie aber auf jeden Fall. Wie stark sich hier die Skyline noch weiter ausbilden kann, soll eine Studie zeigen, die die Stadt vor Kurzem in Auftrag gegeben hat. Es geht dabei um mögliche Standorte neuer Hochhäuser in München, vor allem eben auch im Osten, zwischen Vogelweideplatz und der Messestadt Riem.
Die bereits vorhandenen oder im Bau befindlichen Werksviertel-Hochhäuser am Ostbahnhof, das runde Hochhaus des Baureferats, die fünf Doppeltürme des Telecom-Centers im weiteren Verlauf der Bahnstrecke, und schließlich die Bavaria Towers am Vogelweideplatz bis hin zum SV-Turm haben jedenfalls nicht zu den heftigen Protesten geführt, die man vom Anti-Hochhaus-Bürgerentscheid aus dem Jahr 2004 kennt.
Im Hinblick auf die neue Hochhausstudie stellt die Stadt klar, dass die Bedeutung der Altstadtsilhouette mit ihren Kuppeln und Türmen auch in Zukunft nicht durch hohe Neubauten beeinträchtigt werden darf. Wo sich aber Möglichkeiten einer städtebaulichen Entwicklung durch Hochhäuser auftun, wie gerade im Osten, sollen diese auch gebaut werden können.
Ein spektakulär anmutendes Projekt ist allerdings schon im Ansatz gescheitert. An der Eggenfeldener Straße und entlang der Autobahn A 94, gleich nördlich des Süddeutschen Verlags, entsteht ein Quartier mit 440 Wohnungen und 470 Arbeitsplätzen. Der Architekt Rainer Hofmann von Bogevischs Büro hat für dieses Areal ein Ensemble von zwei Hochhäusern mit 120 und 60 Metern vorgeschlagen.
Das hätte zusammen mit dem benachbarten SV-Turm, dem Neo-Hochhaus und dem Ensemble am Vogelweideplatz nicht nur ein beeindruckendes Gesamtbild ergeben, man hätte auch mehr Platz für Grün- und Freiflächen im Quartier schaffen können, sagt Hofmann.
Das Konzept sprengte jedoch die Vorgaben des Wettbewerbs, der ein deutlich niedrigeres Hochhaus vorsah. Die Juroren befürchteten wohl auch zu starke Zeitverzögerungen durch längere Abstimmungs- und Genehmigungsprozeduren beim Vorschlag Hofmanns. Nun ist nur noch ein "profilüberragendes Haus", wie es in der Fachsprache heißt, von etwa 50 Metern Höhe geplant.
Auch auf der anderen Seite des SV-Hochhauses entsteht an der Truderinger Straße ein Quartier mit 850 Wohnungen. Dort ist ebenfalls ein "Hochpunkt" mit 15 Geschossen, also auch mit rund 50 Metern Höhe, vorgesehen. Michael Wimmer vom Büro 03 Architekten hält ein Plädoyer für solche städtebaulichen Akzente. Sie verhelfen seiner Meinung nach nicht nur den Bewohnern zu einer schönen Aussicht. Auch wenn man gewiss nicht von richtigen Hochhäusern sprechen kann: Die Projekte geben dem Quartier eine eigene Identität, sie prägen den Stadtteil - und den gesamten Münchner Osten.