Das Ende ist immer schwierig. Schluss, aus, vorbei, wo es doch gerade so schön ist. Oder zumindest besser werden könnte. Der Wunsch, noch ein bisschen bleiben zu wollen, der scheint den Menschen in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon Kinder entwickeln hanebüchene Strategien, um abends nicht ins Bett zu müssen. Wie ist es erst dann, wenn die ganze Menschheit abtreten soll? Milliardenfache Quengelei. In Nele Stuhlers Stück "Gaia rettet die Welt" haben die Leute jedenfalls gar keine Lust, das Ende hinzunehmen. Sie zetern, schmeicheln, diskutieren, machen Vorwürfe und Schuldeingeständnisse, glauben irgendwie, Zeit schinden zu können. Sie rennen gegen etwas an, von dem sie selbst wissen, dass es final ist. Und das ist bei der Uraufführung am Staatstheater Nürnberg genauso absurd wie komisch wie traurigerweise auch: wahr.
Was früher der Kunst vorbehalten war, schwappt mit dem Klimawandel längst in unsere Realität - die Bilder einer als solche wahrgenommenen Endzeit. Wie damit umgehen? Stuhler hat dafür eine Antwort gefunden: mit Humor. Das ist wirksamer als jede Warnung und jede Moral, die von der Bühne geschleudert wird. In "Gaia rettet die Welt" - der zweite Teil einer Trilogie - befasst sich Stuhler mit dem Ende der Menschheit, ohne Sciencefiction oder Gegenwartsdiagnosen zu bemühen. Die Autorin verbindet die griechische Mythologie mit der Schöpfungsgeschichte der Menschheit und ihrem selbstverschuldeten Untergang. Und das ist großartig.
Die Leute richten alles zugrunde
Im Zentrum ihrer Trilogie steht die Urmutter Gaia. Im zweiten Teil hat diese nun das Gefühl, es fehle in ihrer Schöpfung noch etwas. So recht weiß sie aber nicht was, also probiert sie ein bisschen rum, Zeus und Prometheus dürfen auch einmal ran, und so entstehen, etwas unkontrolliert, die Leute. Die Götter lassen diese Wesen treiben, was sie wollen. Und, Überraschung, es stellt sich heraus: eine schlechte Idee, denn die Leute richten alles zugrunde. Hier verwendet Stuhler nun einen klugen Kniff: Mit Gaia als personifizierte Schöpferin und Schöpfung ist ein Dialog möglich, die Leute können mit ihr sprechen. Sie können sie anbetteln wie Kinder, dass sie noch bleiben wollen, obwohl alles kaputt ist. Diese Diskussion ist das Herzstück des Dramas - und ein äußerst gewitzter Bühnenkommentare zur hier als hohl entlarvten Klimadebatte. Humor, das führt Stuhler vor, ist ein schönes, böses Mittel. Vielleicht aber auch eines, das in ein paar Jahren bei diesem Thema niemand mehr verwendet.
Mit Regisseur Branko Janack ist in Nürnberg nun jemand da, der die in "Gaia rettet die Welt" vorhandene Komik auf die Bühne bringen kann. Trotz der Thematik ist da nichts Trauriges, ganz im Gegenteil. Das beginnt schon mit dem Auftritt der Götter zwischen den Trümmern einer kolossalen Statue (Bühnenbild: Cleo Niemeyer-Nasser). Ulrike Arnold eröffnet als Mythos das Spiel, zeichnet eine Geschichtsschreiberin mit brüchiger Grandezza, die selten willens ist, das Heft aus der Hand zu geben. Das versteht man, sobald Zeus und Prometheus auftreten. Thorsten Danners Göttervater ist emsig damit beschäftigt, seinen Samen zu verteilen, und Raphael Rubinos Feuerdieb ist von enormer Gemütsschlichtheit und -ruhe, sodass man vermuten könnte, er entspringt dem Götterolymp in Berlin-Kreuzberg.
Überzeichnen ist an diesem Abend also gewünscht und wird dabei fein austariert. Das beherrschen auch Anna Klimovitskaya, Nadège Meta Kanku und Nicolas Frederick Djuren, die ihre Leute mit dem Empörungswillen einer aufgebrachten Menge ausstatten, ohne ihnen dabei Recht zu geben. Und dann ist da noch Lisa Mies, souverän als Urmutter Gaia, die so viele Facetten zum Blühen bringt, dass sie kein Blümchenkleid gebraucht hätte. Sie alle führen nun vor Augen, wie absurd es ist zu diskutieren, wenn alles schon gelaufen ist. Zweifelsfrei ist das ein düsteres Panorama, aber eines, dass man anschauen sollte. Denn noch ist es heiter.