Thalkirchen:"Dort gibt es keine Häuser, dort will niemand hin"

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Eine Straße mit Gestaltungspotenzial sehen Politiker und Behörden im nördlichen Teil Am Isarkanal. Mit Kurt Lichtwitz sei jedoch der südliche Teil verbunden, der (hier nicht sichtbar) vorne am Kanal verläuft, sagen die Kritiker. (Foto: Robert Haas)

Eine Straße am Isarkanal soll in Kurt-Lichtwitz-Straße umbenannt werden. Doch jetzt wird Kritik laut: "Ein schmuddeliger Parkplatz" sei ein unwürdiges Gedenken für den Arzt und Menschenfreund.

Von Birgit Lotze, Sendling/Thalkirchen

Eigentlich war alles so schön geplant und hat auch zügig und glatt die Gremien durchlaufen: Kurt Lichtwitz, der von 1920 an die "Wasserheilanstalt Bad Thalkirchen" am Isarkanal auf Höhe des Flauchers zu einer modernen Klinik für innere, neurologische und gynäkologische Krankheiten ausbaute, der als Menschenfreund galt, der für alle, die es brauchen konnten, eine tägliche Mittagstafel einführte, soll mit einer Straßenbenennung geehrt werden. Am Donnerstag hat der Kommunalausschuss die letzten Weichen dafür gestellt, jetzt könnten die Straßenschilder ausgetauscht werden. Doch nun droht sich, was als Würdigung geplant war, zum Skandal zu entwickeln.

Was die Stadt plane, sei beschämend für Kurt Lichtwitz, sagt der Herzspezialist Sigmund Silber. Er hat die Ehrung für Lichtwitz mit einem Antrag vor drei Jahren ins Rollen gebracht. Am Freitagnachmittag forderte er Oberbürgermeister Dieter Reiter auf, den Prozess der Straßenumbenennung sofort zu stoppen. Das von Ältestenrat und Kommunalausschuss beschlossene, für die Ehrung vorgesehene nördliche Teilstück der Straße Am Isarkanal sei "ein schmuddeliger Parkplatz", eine schlecht befestigte Durchgangsstraße. "Dort gibt es keine Häuser, dort will niemand hin, kein Taxifahrer wird je gebeten werden, in die Kurt-Lichtwitz-Straße zu fahren. So geht das Andenken an Dr. Lichtwitz unter."

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Bislang hat OB Reiter nicht reagiert. Seitens des Stadtrats hat Anna Hanusch, Fraktionschefin der Grünen, am Montag Unterlagen angefordert. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) wurde von Silber am Dienstag aufgefordert sich einzumischen. Es gelte auch, Schaden von der SPD fernzuhalten, heißt es in dem Schreiben.

Silber sagt, nicht das nördliche, sondern das südliche Ende der Straße von Am Isarkanal sei das Richtige, dort existierten noch Originalteile der später "arisierten" Klinik. "Dort - und nicht an dem schmuddeligen Parkplatz - war die Wirkstätte von Dr. Lichtwitz." Es gelte jetzt, das Aufstellen der neuen Straßenschilder sofort zu stoppen, bis die notwendige Korrektur erfolgt sei - oder die Aktion ganz zu stornieren.

Silber steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Dorle Gribl, die bei Recherchen für ein Thalkirchen-Buch den Sohn des Klinikgründers kennenlernte, ist, sagt sie, "entsetzt und todtraurig". Der Vater sei ihr im Zuge der Recherchen ans Herz gewachsen, auch Sohn Friedemann Lichtwitz sei "ein wunderbarer Mensch" gewesen. "Dass man Lichtwitz jetzt ausgerechnet mit Thalkirchens hässlichstem Straßenstück ehren will, ist eine bodenlose Unverschämtheit."

Wie konnte das passieren? Silber hatte seinen Antrag 2018 bei OB Reiter eingereicht, dort wurde er, reguläres Prozedere, in erster Instanz den der Straße Am Isarkanal anliegenden Bezirksausschüssen (BA) vorgelegt, zunächst dem Gremium in Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln, zuständig für den südlichen Teil der Straße.

Die Fraktionssprecherin der SPD, Dorle Baumann, erinnert sich, dass die CSU dagegen gewesen sei, die ganze Straße Am Isarkanal umzubenennen. Dann würden die ansässigen Kliniken nicht mehr gefunden, so das Argument. Auch wurden Probleme mit Anwohnern befürchtet. Ein "Kompromissvorschlag", den nördlichen Straßenteil umzubenennen, ging mehrheitlich durch. Dorle Baumann ist heute sichtlich unglücklich darüber. "Das war ein Fehler", sagt sie. "Wir haben uns geirrt." Dass dann auch der Sendlinger BA sein Plazet gab, war eher Formsache.

Am Dienstagnachmittag deutete das Kommunalreferat an, dass die Stadt keinen Anlass für eine Revidierung sieht. Professor Silbers Wunsch, den südlichen Teil der Straße Am Isarkanal in Kurt-Lichtwitz-Straße umzubenennen, sei wegen sachlicher Gründe abschlägig beschieden worden, hieß es. Die Landeshauptstadt nehme grundsätzlich keine Umbenennungen vor, wenn Anrainer vorhanden seien und kein triftiger Grund für eine Umbenennung vorliege. Der Anlass für eine Umbenennung sei nicht Silbers Antrag, sondern der der beiden angrenzenden BAs. Das Kommunalreferat gibt auch zu bedenken, dass die beschlossene Benennung eine Straße für Kurt Lichtwitz in der Nähe seiner Wirkungsstätte ermögliche, dieser Bezug könne nur selten hergestellt werden.

War dies nun das letzte Wort? Kritiker der aktuellen Lösung haben auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, aufmerksam gemacht. In einer ersten Reaktion sagte sie, man solle noch Gespräche führen.

© SZ vom 10.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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