Garching:TU will weiter schwach radioaktives Wasser in Isar leiten

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  • Die Technische Universität München leitet seit 20 Jahren schwach radioaktives Abwasser aus dem Forschungsreaktor FRM II und dem Institut der Radiochemie (RCM) in die Isar.
  • Nun hat die TU beantragt, die Genehmigung um 30 Jahre zu verlängern.
  • Entlang der Isar regt sich Widerstand gegen die Praxis.

Von Gudrun Passarge, Garching

Darf die Technische Universität München (TU) auch in den nächsten Jahren schwach radioaktives Abwasser bei Garching in die Isar einleiten? Über diese Frage muss das Landratsamt München demnächst entscheiden. Die TU hat beantragt, die seit 20 Jahren bestehende Genehmigung um 30 Jahre zu verlängern, um weiterhin die Abwässer des Forschungsreaktors FRM II und des Instituts der Radiochemie (RCM) in den Fluss ableiten zu können. Insgesamt etwa 1400 Einwendungen dagegen sind beim Landratsamt eingegangen, den größten Teil machen die Mustereinwendungen aus, wie sie die Grünen-Landtagsabgeordneten entlang der Isar auf ihren Internetseiten angeboten hatten. Auch einige Kommunen haben sich gegen den Antrag gestellt, beispielsweise Ismaning. Die Gemeinde will sogar rechtliche Schritte prüfen, falls ihre Einwände nicht berücksichtigt werden.

Für Laien ist schwer nachvollziehbar, was der Antrag der TU für die Bewohner an der Isar bedeutet. "Ich sehe mich als Bürger von Garching nicht in der Lage zu entscheiden, ob es bedenkenlos ist oder nicht", stellte etwa der stellvertretende Bürgermeister, Alfons Kraft (Bürger für Garching), fest. Sein Stadtratskollege Albert Biersack von der CSU befand, jeder Stadtrat müsse für sich selbst entscheiden, ob er damit leben könne - wobei die breite Mehrheit im Rat sich für eine Genehmigung ausgesprochen hat, allerdings unter der Prämisse, die Laufzeit zunächst auf 20 Jahre zu beschränken.

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Die Garchinger hatten sich Vertreter des FRM II eingeladen, um ihre Fragen direkt beantwortet zu bekommen. Wie etwa die nach der Strahlenbelastung, der Laufzeit, der Erwärmung des Wassers oder nach anderen Entsorgungsmethoden. Zur Strahlenbelastung brachte der technische Leiter des Reaktors, Anton Kastenmüller, den Vergleich mit dem Fliegen. "Die Jahresdosis, die auf Abwässer der Forschungs-Neutronenquelle und der Radiochemie direkt an der Einleitstelle zurückgehen, beträgt für einen Säugling ungefähr so viel wie beim Hinflug von Frankfurt nach Las Palmas auf Mallorca oder etwas mehr als beim zweimaligen Röntgen von Zähnen."

Die lange Laufzeit des Antrags sei auch dem Umstand geschuldet, dass die Zeit des Rückbaus des Reaktors einkalkuliert sei, und was die Temperatur des Wassers angeht, so gab Kastenmüller ebenfalls Entwarnung. Die 30 Grad Maximaltemperatur bezögen sich auf die Messstelle direkt am Wassertank, der sich im Sommer auf diese Temperatur erhitzen könne. Doch eingeleitet werde das schwach radioaktive Abwasser mit niedrigerer Temperatur. Ein Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass sich die Temperatur der Isar durch die Einleitung im schlimmsten Fall um 0,02 bis 0,07 Grad erwärmt.

Zu alternativen Entsorgungsmöglichkeiten sagte der Leiter der Radiochemie, Christoph Lierse von Gotomski, radioaktive Stoffe zu verdampfen sei zwar eine vernünftige Methode. Doch die Abwässer des FRM II und der Radiochemie seien so schwach radioaktiv, dass sie nach einer solchen Behandlung "genau so sauber wie der Ausgangsstoff" herauskämen. Außer einem hohen Energieaufwand wäre dadurch nichts gewonnen.

Einige der Kommunen, die sich anders als Garching eher ablehnend äußerten, erheben zusätzliche Kritikpunkte. Freising etwa fürchtet unter anderem um sein Trinkwasserschutzgebiet, Neufahrn vermisst Aussagen zum "Worst-Case-Szenario bei Störfällen", einige fordern unabhängige Kontrollen und eine maximale Laufzeit von zehn Jahren, um dann je nach technischen Gegebenheiten neu zu entscheiden. Andere störten sich daran, dass keine Nulllösung geprüft worden sei. "Es geht um die Vermeidung unnötiger Belastung", sagte der grüne Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis München, Markus Büchler. Oder wie es ein Physiker des Münchner Umweltinstituts ausdrückte, das ebenfalls Einwendungen erhoben hat: "Im Strahlenschutz gilt das Minimierungsgebot. Wir sind der Ansicht, dass technisch alles Mögliche ausgeschöpft werden sollte, um die radioaktiven Einleitungen zu minimieren."

Einige Kommunen setzen auch an dem Punkt an, der den Grünen-Abgeordneten so wichtig ist. Eching beispielsweise äußerte "grundsätzliche Bedenken" am Betrieb des Reaktors mit hochangereichertem Uran. Tatsächlich verwendet der Forschungsreaktor für seine Versuche zu 93 Prozent angereichertes Uran 235. Die Grünen kritisieren die Nutzung dieses "international geächteten, waffenfähigen Materials", zumal der Reaktor bereits 2010 auf niedriger angereichertes Uran hätte umgestellt werden sollen. Eine erneute Frist verstrich Ende 2018. Trotz intensiver internationaler Forschung, heißt es von Seiten der Wissenschaftler, sei es nicht gelungen, Höchstleistungsreaktoren wie den FRM II auf Brennstoff mit einer Anreicherung von maximal 50 Prozent umzustellen. In einer Erklärung der TU und des Wissenschaftsministeriums beteuert jedoch die Staatsregierung, dass "am Ziel einer baldigen Umrüstung des FRM II auf niedriger angereichertes Uran unverändert festgehalten wird".

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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