Garching:Streit um hochangereichertes Uran in Forschungsreaktor München II

Forschungs-Neutronenquelle FRM-II der TU München in Garching, 2014

Als Brennstoff setzt die TU dabei hoch angereichertes Uran ein, obwohl dieser Stoff eigentlich verpönt ist.

(Foto: Robert Haas)
  • Die Technische Universität München darf in ihrem Forschungsreaktor München II auch in Zukunft hoch angereichertes Uran nutzen.
  • Die erste verbindliche Frist zur Umrüstung war am 31. Dezember 2010 verstrichen, auch an den 31. Dezember 2018 als verbindlichen Termin fühlt sich die Staatsregierung nicht mehr gebunden.
  • Die Grünen kritisieren das Vorgehen scharf, während die TU auf die laufende Forschung verweist.

Von Heiner Effern

Die Technische Universität (TU) München darf in ihrem Forschungsreaktor München II auch in Zukunft hoch angereichertes Uran nutzen. Das hat die Staatsregierung in einem Schreiben an die Landtagsgrünen mitgeteilt. Die Auflage in der Betriebsgenehmigung, den Reaktorbetrieb in Garching auf niedrig angereichertes Uran umzustellen, betreiben, entfalte "keine Rechtswirkung mehr", erklärt das verantwortliche Wissenschaftsministerium. Der Reaktor läuft seit 2004, die erste verbindliche Frist zur Umrüstung war am 31. Dezember 2010 ohne Ergebnis verstrichen. Daraufhin hatten sich Bund und Land auf den 31. Dezember 2018 als verbindlichen Termin verständigt. Daran fühlt sich die Staatsregierung allerdings nicht mehr gebunden - trotz aller Kritik.

In der Antwort auf die schriftliche Anfrage der Grünen führt das Ministerium dafür einen rein technischen Grund an: Die Umstellung sei eine "weltweit objektiv unmögliche Handlung". Die Regierung "geht davon aus", dass die Auflage deshalb nach dem bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz nicht mehr relevant ist. Vereinfacht gesagt heißt das: Geht nicht - gilt nicht. Deshalb dürfe der Reaktor bis zur Entwicklung eines geeigneten Ersatzbrennstoffs mit mehr als 90 Prozent angereichertem Uran arbeiten. "Für einen Widerruf der Genehmigung besteht kein Anlass."

Die Grünen erachten dies als unbegrenzten Freibrief und kritisieren das Vorgehen scharf. "Die TU kann machen, was sie will. Sie hat das Vertrauen verspielt. Und die Staatsregierung tut nichts", sagt die Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger. Die Forscher dürften weiterhin hoch angereichertes Material verwenden, "mit dem man eine Atomwaffe herstellen kann". Das sei unverantwortlich, gerade auch weil Terroristen zunehmend versuchten, an solche Bomben zu kommen. Steinberger fordert deshalb wie Sylvia Kotting-Uhl, die Atomexpertin der Grünen im Bundestag, einen schnellen Zwischenschritt bei der Umrüstung. Die TU solle baldmöglichst sogenannte Uransilicid-Brennstoffe im Reaktor verwenden, die bei der Anreicherung in einem mittleren Prozentbereich lägen. Gleichzeitig solle weiter intensiv an Brennstoffen geforscht werden, die mit weniger als 20 Prozent angereichert würden.

Im Forschungsreaktor, der seit 2004 läuft und der damals das berühmte Atom-Ei gleich nebenan ersetzte, wird in einer Kettenreaktion Uran gespalten. So wie in einem Atomkraftwerk, aber nicht um Strom zu gewinnen, sondern zu wissenschaftlichen Zwecken. Mit den dabei frei werdenden Neutronen werden beispielsweise Materialien untersucht.

Die TU weist die Kritik der Grünen zurück. Wie vereinbart forsche das Team unter Hochdruck an einem neuen Brennstoff, erklärt der frühere wissenschaftliche Direktor, Winfried Petry, stellvertretend für die Betreiberin. Und das "weltweit an vorderster Front". Allerdings habe man neben Fortschritten eben auch Rückschläge erlebt. Man sei nun nah dran an einem Ergebnis, der "Außenwelt" könne man die Zyklen in diesem Forschungsbereich aber nur schwer erklären. Ein wissenschaftlicher Versuch dauere zum Beispiel vier Jahre. Und nicht jeder gelinge, wie man 2012 habe erfahren müssen. Deshalb hätten die Fristen in der Betriebsgenehmigung von Anfang an keinen Sinn ergeben, sagt Petry. Das habe man aber erst lernen müssen.

Schon eine Prognose, wann der Reaktor auf niedrig angereichertes Uran umgestellt werden könne, sei schwierig. Kollegen in den USA rechneten mit der Umrüstung vergleichbarer Reaktormodelle Anfang der 2030er-Jahre. "Wir werden das kaum schneller schaffen", sagt Petry. Die Forderung nach einem Zwischenschritt hält er für wenig sinnvoll. "Das ist wissenschaftlich und finanziell nicht machbar." Der TU-Forschungsreaktor sei aufgrund seines hohen Neutronenflusses einer der besten weltweit, diesen Vorteil gäbe man aus der Hand, wenn man vorzeitig auf andere Brennstoffe umstiege. Die Leistungsfähigkeit dürfe um maximal zehn Prozent vermindert werden.

Kritik daran, dass in Garching atomwaffenfähiges Material verwendet werde, gibt es seit vielen Jahren. Die TU weist das stets zurück: Die Beschaffenheit des hoch angereicherten Urans eigne sich nicht für Kernwaffen. Zudem werde der Bestand lückenlos kontrolliert. Die Grünen überzeugen diese Äußerungen wenig. Der Weiterbetrieb wie bisher stehe "in eklatantem Widerspruch zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik", erklären die Abgeordneten Steinberger und Kotting-Uhl. Staatsregierung und TU wollten offensichtlich den Kompromiss ignorieren, der überhaupt erst zur Betriebsgenehmigung 2004 geführt habe. Wie kritisch auch die USA den Garchinger Reaktor sähen, zeige die Tatsache, dass sie der TU kein Uran in den Brennstäben zukommen ließen. Diese müsse deshalb ihr Material aus Russland beziehen.

Zudem fordern die Grünen ein Konzept für die Entsorgung der Brennstäbe, denn das Abklingbecken in Garching werde wohl schon kommendes Jahr an Kapazitätsgrenzen kommen. Vor allem verlangen sie aber, dass der Freistaat und die TU mit dem Bund verbindlich vereinbaren, wie es weitergeht. "Die machen tolle Sachen in Garching", würdigt Steinberger die wissenschaftliche Arbeit, aber "auch die Forschung muss sich an Regeln halten".

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