Maker-Bewegung:"Das ist die nächste Stufe von Do-it-yourself"

Im Fab Lab Berlin

Die einen entwerfen Roboter, um Ostereier zu bemalen, die anderen personalisierte Geschenke.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

3-D-Drucker, Drohnenbau-Workshops, ein Ostereierbemalungsroboter: Die Maker-Bewegung trifft sich in Gemeinschaftslaboren, um zu werkeln - und um die Welt zu verbessern.

Von Titus Arnu

Auf den ersten Blick sieht es aus wie in einem Geheimlabor eines irren Wissenschaftlers. Lasercutter verrichten summend ihre Präzisionsarbeit, auf den Werkbänken stehen 3-D-Drucker. CNC-Bohrfräsmaschinen, Schweißgeräte und Schneideplotter warten auf ihren Einsatz. Zum Inventar gehören auch Vinylcutter, Bohrmaschinen, Stichsägen, Lötkolben, Generatoren und ein Ostereierbemalungsroboter namens Egg Bot. Nur: Wie will man mit einem Ostereierbemalungsroboter die Weltherrschaft erringen?

Das Fab Lab München aber ist in Wahrheit kein geheimer, machthungriger oder gar irrer Verein, sondern ein gemeinnütziger und äußerst friedlicher. 350 Mitglieder teilen sich die Kosten für Räume und Werkzeuge, auf dem Wochenprogramm stehen "Laserabende", CNC-Fräskurse und Drohnenbau-Workshops. So vielfältig wie die technische Ausstattung des Labors im Münchner Westend ist, so unterschiedlich sind die Motive der Vereinsmitglieder: Die einen wollen einfach nur ein personalisiertes Geschenk basteln, die anderen haben eine vermeintlich geniale Produktidee und wollen einen Prototypen herstellen, um ein Start-up zu gründen. Allen ist gemeinsam, dass sie etwas mit ihren eigenen Händen machen wollen - deshalb nennen sie sich Maker, Macher.

"Zu Hause lässt es sich oft schlecht maken, weil man die entsprechende Ausstattung und das Know-how nicht hat", sagt Andreas Kahler, Gründungsmitglied des Fab Lab und selbst begeisterter Maker. Ein professioneller Lasercutter, der praktisch jedes Material nach einer selbstentworfenen Vorlage millimetergenau schneidet, kostet an die 15 000 Euro - privat kann sich das kaum einer leisten, ein Verein aber schon.

Im deutschsprachigen Raum gibt es schon rund 240 solcher Orte

"Das ist die nächste Stufe von Do-it-yourself", sagt Martin Laarmann, Geschäftsführer der Make Munich, einer Messe von Makern für Maker. Während der typische traditionelle Bastler in seinem Hobbykeller alleine vor sich hin frickelt, trifft sich der Maker gerne mit Gleichgesinnten zu Workshops im sogenannten Makerspace. In vielen deutschen Städten haben sich solche experimentellen Gemeinschaftswerkstätten etabliert, sie heißen Open Lab, Happy Lab oder Makerspace, und sie haben immer mehr Zulauf. Im deutschsprachigen Raum gibt es schon rund 240 Orte, an denen Maker Werkzeuge und Wissen teilen, zu Maker-Messen kommen mehrere Tausend Besucher pro Wochenende.

Der Grundgedanke stammt vom MIT in Boston, wo der Physikprofessor Neil Gershenfeld schon im Jahr 2002 ein Fab Lab einrichtete, eine offene Werkstatt, die für alle Studenten zugänglich sein sollte. Auf spielerische Weise entstanden dort innovative Produkte, manchmal kam auch nur Schrott heraus. Misserfolge gehören bei jeder Bastelei eben auch dazu. Oft entstehen Objekte, die einfach nur deshalb existieren, weil Technikfreaks zeigen wollen, was sie draufhaben, etwa ein vollautomatisches Papierflieger-Maschinengewehr auf Basis eines Akkuschraubers. "In den Makerspaces tummeln sich natürlich viele Nerds", sagt Laarmann, der sich selbst für unbegabt in praktischen Dingen hält. Viele Maker hoffen darauf, ein bahnbrechendes Produkt zu erfinden, mit möglichst einfachen Mitteln etwas Hochkomplexes zu schaffen.

Aber etwas anderes als die Technik sei noch viel wichtiger, findet Laarmann: "die Demokratisierung der Produktionsmittel".

Wenn Maker vom Machen ins Theoretisieren kommen, hört sich das teilweise fast marxistisch an. Es gehe um die Wandlung vom Konsumenten zum "Prosumenten", kann man in den Grundsatzprogrammen von Maker-Laboren nachlesen, das Ziel sei es, nicht mehr von großen Konzernen abhängig zu sein, sondern seine Ideen selbst umzusetzen. "Die Digitalisierung muss auch der Gesellschaft nutzen, viele Leute wollen sich da nicht mehr länger ausliefern und wieder die Hoheit erlangen", erklärt Laarmann. Die günstig verfügbaren Arduino-Microcontroller spielen dabei eine Schlüsselrolle, mit ihnen kann man beispielsweise Waschmaschinen zum Sprechen und selbstgebaute Roboter zum Gehorchen bringen.

Auch der pädagogische Gedanke spielt eine große Rolle, in den Maker-Laboren werden Mitmachkurse für die ganze Familie, Senioren und Kinder angeboten. "Wir wollen den Kindern zeigen, dass man nicht alles fertig kaufen muss, sondern dass man etwas auch selber bauen und reparieren kann", sagt Andreas Kahler vom Fab Lab. Gerade Kinderkurse seien beliebt: "Es gibt ein großes Interesse am Selbermachen, denn praktisches Wissen wird in der Regelschule ja kaum noch vermittelt." Er selbst kam durch eine ähnliche Motivation zu seinem neuen Hobby und zu seinem Ehrenamt als Vereinsvorstand; der Software-Ingenieur wollte selbst mal "etwas Anfassbares schaffen".

An manchen Laboren sind mittlerweile Firmen und Universitäten beteiligt

Die "Demokratisierung der Produktionsmittel" funktioniert beim Münchner Fab Lab, indem alle Vereinsmitglieder sich die Kosten für die teuren Spezialwerkzeuge teilen. Das basisdemokratische Vereinslabor ist nur ein Beispiel, es gibt auch Modelle, die stärker an Wissenschaft und Wirtschaft orientiert sind. An manchen Laboren sind Firmen und Universitäten beteiligt, etwa am Makerspace des Unternehmer-TUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München. Gesellschafterin dieses Maker-Labors ist die Milliardärin Susanne Klatten, das erklärte Ziel der Einrichtung ist die Gründung von Hightech-Firmen. Andererseits existieren auch anarchistisch angehauchte Maker-Labore in Hamburg-Altona oder Berlin-Kreuzberg, deren Ziel garantiert nicht die Gewinnmaximierung ist.

Gemeinsam ist allen, dass sie etwas Neues machen wollen, je nach Anspruch nur auf technischem oder gesamtgesellschaftlichem Gebiet. "Es gibt viele Parallelen zu Sportvereinen, nur ohne Sport", fasst Martin Laarmann zusammen. Man muss allerdings kritisch feststellen, dass die Maker-Welt fast komplett in Macker-Hand ist. Mehr als 90 Prozent der Bastler in den Hobbylaboren sind männlich. Obwohl es auch einige Bereiche gebe, die Makerinnen ansprechen sollen, sagt Laarmann, etwa Wearables (der Einsatz von technischen Gimmicks in der Mode), ökologische Technik und so weiter. Und die computergesteuerte Stickmaschine! Und der T-Shirt-Druck! Werden bei den innovativen Bastlern etwa auch fleißig Klischees reproduziert? Nein, die CNC-Fräse steht ja theoretisch auch Frauen zur Verfügung. Es gibt also, man muss es so sagen, in dieser Hinsicht wenig zu meckern bei den Makern.

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