Oktoberfest:Auf dem Oktoberfest geht nicht nur deftig

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Ein Magentratzerl vorweg: Hier wird gerade das Kronfleisch serviert und die Tradition des "Voressens" wiederbelebt. (Foto: Stephan Rumpf)

Im neuen Zelt "Zur Schönheitskönigin" auf der Oiden Wiesn gibt es Hechtenkraut oder Chabeso-Limo. Was klingt wie Hipster-Foodtrends, ist in Wahrheit altehrwürdige Münchner Küche.

Von Marcelinus Sturm

Möchte man sich wirklich so ernähren, wie die alten Münchner es zur Prinzregentenzeit getan haben? Mit viel Kraut und Rüben, der aus anderen Zusammenhängen bekannten Brennsuppe und Kutteln, Hirn oder gebackenem Euter, beispielsweise? Aber keine Angst, im Volkssängerzelt "Zur Schönheitskönigin" auf der Oiden Wiesn wird's gar so authentisch dann doch nicht.

Obwohl sich die Wirtsleute Gerda und Peter Reichert, normalerweise im Seehof zu Herrsching am Ammersee zu Hause, mit großer Liebe zum Detail daran gemacht haben, eine Altmünchner Vorstadtwirtschaft nachzuempfinden. Und zwar in der hübschen Ausgestaltung des Zeltes, die Wiesn-Kitsch weitgehend vermeidet, über das Musik-und Kabarett-Programm (das weitgehend von der Münchner Couplet AG verantwortet wird) bis in die Speisekarte hinein.

Das Speisenangebot auf dem Oktoberfest ist ja die letzten zehn, 15 Jahre immer raffinierter geworden. Das obligate Wiesn-Hendl liegt zwar immer noch in Führung bei den Verkaufszahlen, aber die sind doch stark zurückgegangen zugunsten anderer Gerichte. Auch in der Schönheitskönigin ist die Auswahl groß.

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Besonders erfreulich: Hier wird die fast vergessene Tradition des Münchner "Voressens" gepflegt, das meist aus der sogenannten Kronfleischküche bestand. Dabei wurden die weniger edlen Teile des Schlachtviehs verarbeitet - Zwerchfell etwa, Lunge, Bries, Herz und Zunge.

Für die reicheren Münchner war das ein Magentratzerl vorneweg, für die ärmeren, die sich nur selten Fleisch leisten konnten, fast ein Festmahl. In der Schönheitskönigin gibt es das Voressen täglich am Mittag bis 14 Uhr, und man wird damit schon ganz gut satt - jedenfalls schaut die Bedienung ganz erschrocken, wenn man gleich noch eine Hauptmahlzeit dazubestellt: "Des packen sie nia ned!" Das Kesselfleisch (8,50 Euro), mit Schweinswammerl, Züngerl und Herz - in einer Art verschlanktem Pichelsteiner Eintopf gelegen - war sehr zart und schmackhaft.

Sturms Favorit war freilich das Kronfleisch (8,90), ein Stück Zwerchfell vom Rind im Wurzelsud mit Salzkartoffeln und Meerrettich - ein schönes Beispiel dafür, dass dieses stark unterschätzte Stück ein Gedicht sein kann, wenn man es gut behandelt.

Was das Kochhandwerk angeht, gibt es im Volkssängerzelt nichts zu beanstanden. Hier kommt erkennbar nichts aus der Tüte oder dem Eimer. Die Rindsbrühe ist hausgemacht, ebenso wie der hervorragende Kartoffelsalat (4,50), der eine wunderschöne Konsistenz hat. So viel Sorgfalt in der Küche zahlt sich aus, etwa bei der Leberspatzlsuppe (5,50) oder bei der Fischsuppe (12,90), die mit ihren Stücken von Süßwasserfischen und den durch Rahm gebundenen Safransud gehobenen Ansprüchen genügt.

Nur die veredelnde Garnele hätte es nicht gebraucht - bis man die von ihrem Panzer befreit hat, ist die Suppe kalt. Wobei das Warmhalten der Speisen manchmal ein Problem zu sein scheint, wenn man außerhalb der Stoßzeiten ins Zelt kommt. Einmal kehrte die Runde um halbzwei ein und bekam ein eher lauwarmes, wenngleich sehr gutes Hendl (10,90) serviert und einen ebensolchen Zwiebelrostbraten (26,00), an dem sonst rein gar nichts zu beanstanden war.

Überhaupt fällt die hohe Qualität der Zutaten auf. Ihre Herkunft wird auf der Speisekarte auch ordentlich dokumentiert. Die Preise sind durchaus gerechtfertigt, was auf der Wiesn ja nicht immer der Fall ist. Der Rehbraten mit Wacholdersauce und Hauberlingen, ein Schmalz-Hefe-Gebäck aus Weizen- und Roggenmehl, sowie fein abgestimmtem Ratatouille war mit 26 Euro jedenfalls fair bepreist.

Geradezu ein Preiswunder ist das ganze Bio-Giggerl aus Österreich (23,00), wo man sonst auf dem Festgelände bei Bio-Qualität für ein halbes schon 19,50 Euro zahlt. Das zeigt, was alles möglich ist, wenn man wie in Österreich die biologische Erzeugung von Lebensmitteln fördert und die Standards eben nicht herunterschraubt, wie es der Münchner Stadtrat gerade mit seinen neuen Bewertungsregeln für die Wiesn getan hat.

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Marcelinus und seine Runde waren auch von einer Wiederentdeckung beeindruckt: dem Hechtenkraut (23,00), angeblich die Lieblingsspeise von König Ludwig, der bei seinen umfangreichen Abendessen ja so allerhand verdrückt hat. Hechtenkraut kommt im Reindl und besteht aus Hecht, gewaschenem Sauerkraut, verrührtem Ei, Semmelbröseln und Parmesan.

Es schmeckt herrlich würzig und ist recht üppig, zur Not werden auch zwei Personen davon satt. Gleiches gilt für die ganze Schweinshaxe (23,00), die erstaunlich saftig war. Nur die Nachspeisen enttäuschten ein wenig. Apfelstrudel (7,90) und Dampfnudel (7,50) waren ein bisschen und die "kleine Bayerische Creme" (6,90) schon arg klein.

Und die Getränke? An der Hofbräumass vom Holzfass (10,70) gab's nichts zu meckern, lustig ist die Chabeso-Limo nach einem Originalrezept von 1900 "mit rechtsdrehenden Milchsäurebakterien" (3,90). Wein gibt's leider nur flaschenweise, vom 2016-er-Riesling von Carl Loewen für 30 Euro bis hinauf zum Cabernet reserva aus dem Jahr 2000 vom Weingut Vignalta aus dem Veneto für 190 Euro. Sturm hielt sich nach guter Münchner Tradition ans Wiesn-Bier.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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