Hommage an Nina Simone:Leben, kämpfen, singen

Lesezeit: 3 min

"Pure Inspiration" ist für die schwäbische Jazz-Musikerin Fola Dada ihr Idol Nina Simone. (Foto: Sven Goetz)

Eine Show im Amerikahaus will sich dem Leben und der Kunst der Soul-Priesterin und großen Pianistin Nina Simone nähern.

Von Michael Zirnstein

Nina Simone nah zu sein, wenn sich die Gelegenheit bot, das war für ihre Jünger heilige Pflicht: ein Hochamt bei der "Hohepriesterin des Soul". Ob es auch ein Vergnügen war, das hing von ihrer Tagesform ab und den Umständen. Als die Tochter einer amerikanischen Methodistenpredigerin und eines Friseurs und Entertainers 1991 in München zur Audienz erscheinen sollte, da waren die Gegebenheiten nicht optimal für die empfindlichen Ohren und das ebensolche Gemüt der damals 58 Jahre alten Jazz-Diva. Sie sollte im Zelt des Hippie-Festivals Tollwood auftreten, und so bangte auch der SZ-Kritiker, ob die "im Umgang mit Managern, Veranstaltern und dem Publikum etwas komplizierte Lady" wirklich komme, wirklich auf die Bühne gehe "und vielleicht auch noch wirklich Lust zum Musizieren" habe.

Man muss dieses lebenslange Spannungsverhältnis verstehen. Zum Beispiel wollte Nina Simone, damals noch Eunice Kathleen Waymon aus North Carolina, die erste schwarze klassische Konzertpianistin der USA werden. Schon als Kind spielte sie nach Gehör, sie studierte - für afroamerikanische Frauen eine absolute Seltenheit - auf der Juliard School in New York, verehrte die europäischen Virtuosen Chopin, Liszt, Rachmaninov und verwendete den Bach'schen Kontrapunkt - nun, da kann man schon mal ein "aufmerksames Publikum" erwarten. Wenn sie dann aber als Unterhalterin zum Broterwerb in einem Pub, Club oder Casino auftreten musste und die Gäste schwätzten, dann ranzte sie diese eben zornig an.

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Nina Simone nicht nur lieben, sondern auch verstehen lernen - darum geht es bei einer Hommage im Münchner Amerikahaus. "Sogar ohne zu wissen, wer Nina Simone war, sind ihre Musik und ihre Interpretationen großartig, ein einzigartiger Genuss", sagt der zweimalige "Echo Klassik"-Preisträger am Kontrabass Florian Dohrmann. Bei seinem Konzept für die Show "The Nina Simone Story" ging es ihm aber um mehr: "Warum sie so singt, wie sie singt? Warum sie Klavier spielt, wie sie spielt? Warum sie sagt, was sie sagt, (...) das alles erschließt sich, je mehr man in ihr Leben eintaucht. Dann wird aus ihrer Kunst mehr als Musik: etwas zutiefst Berührendes."

"Die Hohepriesterin des Soul" wurde Nina Simone genannt. Hier eine Aufnahme von 1993. (Foto: AP-SZ)

So werden Filmauschnitte, Fotos und die Erzählungen der SWR-Rundfunksprecherin Katharina Eickhoff ihr Leben nachzeichnen, wie es schon etliche Filme, Bücher und nicht zuletzt Ninas Simones Autobiografie "I Put A Spell On You" auf ihrer Weise taten. Es geht um das Bekanntwerden Ende der Fünfziger mit Jazz- und Blues-Interpretationen etwa von Gershwins "I Loves You, Porgy". Zentral werden auch ihre gewaltsamen Protestlieder ("Mississippi Goddam") und ihr Wirken in der Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner sein - ihre erste Wut gegen den Rassismus hatte sie verspürt, als sich ihre Eltern bei einem ihrer Schulkonzerte von der ersten in die letzte Reihe umsetzen musste. Und es geht hinaus mit dem Weltstar aus dem mit ihr verkrachten Amerika, nach Südafrika, wo sie ihre afrikanischen Wurzeln suchte, nach Südfrankreich, wo sie 2003 nach langem Krebsleiden starb.

Den Geist von Nina Simone will das Ensemble um Fola Dada einfangen. (Foto: Sven Goetz)

Es war ein widersprüchliches, oft unerfülltes Leben. "Wer war Nina Simone eigentlich? Warum klang ihre Stimme so kantig, warm, widerspenstig, weich? Warum war ihr Blick so belastet?", das fragt sich Fola Dada, die an diesem Abend ihr Idol verkörpert. Die Sängerin, aufgewachsen in einer schwäbischen Kleinstadt, Stimmtrainerin etwa der DSDS-Castingshow, ausgezeichnet mit dem deutschen Jazz-Preis 2022, ist sich der unterschiedlichen "Ausgangslage" ihrer beider Karrieren bewusst. Aber gerade durch Nina habe sie verstanden, "wie stark Kunst sein kann, wenn man für etwas brennt, lebt, kämpft. Ich spürte mein Frausein und mein Schwarzsein ..."

Nina Simones "Echtheit der Musik" war dafür "pure Inspiration", und daran will Fola Dada mit ihrem Ensemble (Piano: Ulf Kleiner, Schlagzeug: Felix Schrack, Gitarre: Christoph Neuhaus) anknüpfen - jenseits einer eklektizistischen Hitparade von "My Baby Just Cares For Me" über "Ne Me Quitte Pas" und bis zu Barack Obamas Favorit "Sinnerman". Dann wird man Nina Simone nah sein - wie es damals bei Tollwood dieser "zierlichen, verhalten tippelnden Dame" mit "solch geballter Ausstrahlungskraft" auch glückte mit Beatles, Randy Newman, Brecht/Weill und Gospel: "Standing Ovations, Blumen, Zugaben, glückliche Gesichter."

The Nina Simone Story mit Fola Dada, Samstag, 27. Januar, 20 Uhr, München, Amerikahaus, www.amerikahaus.de

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