Viel war von einem Beben die Rede, das von der Landtagswahl ausgehen könnte. Dass die Ausläufer auch die Politik im Münchner Rathaus erreichen wird, stand schon vorher fest: Schließlich wechselt der zweite Mann der Stadt, Bürgermeister Josef Schmid, in den Landtag. Die CSU wusste deshalb schon vorher, dass sie ihr Spitzenpersonal in der Stadtpolitik neu ordnen muss.
Die Koordinaten sind nun bekannt: Schmid ist weg, Stadtrat Hans Theiss, der im Stimmbezirk Mitte vergeblich kandidierte, wird im Rathaus bleiben. Fraglich nur, in welcher Position. Weiter als Fraktions-Vize, als Chef gar oder als Zweiter Bürgermeister. Klar ist, dass der jetzige Fraktionschef Manuel Pretzl entscheiden darf, ob er auf diesem Posten bleiben will: Als sicher gilt aber auch, dass Theiss die jeweils andere Position besetzen könnte. Und wohl auch will.
Am Montag ging im Rathaus erst einmal alles seinen gewohnten Gang: Sitzung der Fraktionsspitzen, Mittagsrunde mit den Referenten, dann die Fraktionssitzung - aber natürlich war die Landtagswahl trotzdem stets Thema. Allzu viel ändern dürfte sich vorerst nicht, die Regierungsparteien haben beide kräftig Federn lassen müssen, das schweißt eher zusammen.
Am 5. November will die CSU entscheiden, wie die vakanten Rathausposten besetzt werden - zu diesem Termin wechselt Josef Schmid ins Maximilianeum. Schmid sieht die Entwicklungen des Wahlabends mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits ist da das landesweite Abschneiden seiner Partei. Andererseits das persönliche Ergebnis. Denn obwohl der Stimmkreis im Laufe des Wahlabends mehrmals zwischen Schmid und dem grünen Gegenkandidaten Hep Monatzeder hin- und herwanderte, hat es der CSU-Mann letztlich mit einem komfortablen Vorsprung von 5,1 Prozentpunkten geschafft - und damit das beste Erststimmenergebnis Münchens für die CSU eingefahren. Entsprechend entspannt sah Schmid am Montag der für den Abend anberaumten Sitzung des Bezirksvorstands entgegen. Eine "sachliche Analyse" werde es geben, prophezeit der Noch-Bürgermeister.
Wobei die CSU natürlich an einer Frage nicht vorbeikommt: Soll der bei der Wahl gescheiterte Ludwig Spaenle, zu Jahresbeginn noch Superminister und Landtagsabgeordneter, Bezirkschef bleiben? "Wir werden sehen, wie sich Spaenle erklärt", sagt Robert Brannekämper, einer der einflussreichen Kreischefs der Münchner CSU. Ein Bezirkschef ohne politisches Mandat - das sei schon "schwierig", meint Brannekämper, hält aber zunächst alle Optionen offen: "Man muss ja nicht immer ein Mandat haben, das werden wir uns in aller Ruhe anschauen." Georg Eisenreich, Spaenles Vize und Kreischef im Münchner Süden, verweist darauf, dass Spaenle gewählt sei und den Mandatsverlust nicht persönlich zu verantworten habe. "Das ist der Gesamtsituation geschuldet", sagt Eisenreich. Ob man also im Bezirksverband nicht über personelle Konsequenzen reden werde? "Das werden wir sehen", sagt Eisenreich.
"Im Rathaus haben wir jetzt eine Koalition der Verlierer."
Spaenle selbst gab sich am Montag gelassen. "Politik ist Dienst auf Zeit", sagte er zum Verlust seines Landtagsmandats. Die CSU habe einen "politischen Milieubruch" zu bewältigen, offenkundig habe man nicht mehr die Sprache und Sensibilität für Großstadtbewohner aufgebracht. In München sei es auch um eine "politische Stilfrage" gegangen. Für seine Zukunft schließt Spaenle nichts aus: Weder eine Bewerbung als Münchner Oberbürgermeisterkandidat noch eine fürs Europaparlament 2019. Er sei bereit, die "nächste größere Aufgabe" zu leisten (und auch Antisemitismus-Beauftragter der Staatsregierung zu bleiben).
Aus der Rathaus-Opposition kommen nur vereinzelt Rufe nach Konsequenzen fürs Rathaus-Bündnis. Während Gülseren Demirel, die in den Landtag wechselt, der SPD empfiehlt, "das Bündnis mit der CSU zu lösen", um damit "ein Zeichen zu setzen", halten andere Grünen-Politiker sich mit solchen Ratschlägen eher zurück. Fraktionschef Florian Roth etwa ist der Meinung, dass es der SPD "gut tun würde, wenn sie zum Beispiel bei Fragen wie Mieterschutz nicht ihr Profil verwässert, weil ihr der Konsens mit der CSU wichtiger ist". Auch der langjährige Grünen-Stadtrat und frühere Bürgermeister Hep Monatzeder fordert kein Ende des schwarz-roten Rathaus-Bündnisses, "da muss die SPD schon selber wissen was sie will". Allerdings rechnet er damit, dass die Oppositionsarbeit nun schwieriger wird: "Im Rathaus haben wir jetzt eine Koalition der Verlierer." Wie die Parteien nun miteinander umgehen, was sie wollen - das werde man erst noch sehen.