Städtebau:Wie München Wachstum und Klimaschutz versöhnen will

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In der Siedlung in Ramersdorf sollen rund 500 neue Wohnungen entstehen. (Foto: Catherina Hess)

Wird eine Nachkriegssiedlung im Stadtteil Ramersdorf zum Modellprojekt über die Grenzen der Stadt hinaus? In dem Quartier sollen 500 zusätzliche Wohnungen mit günstigen Mieten entstehen, zugleich soll der CO₂-Ausstoß drastisch sinken.

Von Sebastian Krass

Ein Quartier von 750 auf mindestens 1250 günstige Wohnungen nachverdichten und zugleich fast 90 Prozent des CO₂-Ausstoßes gegenüber dem Status quo einsparen: Diese ehrgeizigen Ziele will die Stadt in einer Siedlung ihrer Wohnungsbaugesellschaft Gewofag in Ramersdorf verwirklichen, die direkt am U-Bahnhof Karl-Preis-Platz liegt. Einstimmig hat der Planungsausschuss des Stadtrats am Mittwoch den Grundsatzbeschluss gefasst, ein "Klimaquartier Ramersdorf" zu schaffen.

Dieser sieht eine umfassende energetische Sanierung der Bestandsgebäude und Abriss nur in kleinem Umfang vor. Zudem sollen die Gebäude in Holzbauweise aufgestockt und schnellstmöglich an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Lediglich zur Frage, wie viele Parkplätze das Quartier künftig noch bieten soll, und wie die Schulversorgung geplant werden soll, gab es unter den Fraktionen unterschiedliche Ansichten.

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Es geht bei dem Projekt um die Siedlung "Ramersdorf Süd" mit insgesamt gut 900 Gewofag-Wohnungen, die sich zwischen Claudius-Keller-Straße, Rosenheimer Straße, Wilramstraße und Laibacher Straße erstreckt. Das Gebiet ist 9,4 Hektar groß, was etwa 13 Fußballfeldern entspricht. Entstanden ist die Siedlung zwischen 1949 und 1965 als eine sogenannte "Ami-Siedlung", seit den Sechzigerjahren gehört sie komplett der Gewofag. Ein Teil der Wohnungen, gut 150 an der Zahl, befindet sich in drei höheren Gebäuden am östlichen Rand, sie waren aus den aktuellen Überlegungen ausgenommen, weil es für sie schon ein Sanierungskonzept gibt.

Der Rest der Siedlung besteht aus Zeilengebäuden mit großen oberirdischen Parkplatzflächen. Die Gebäude sind baulich in gutem Zustand und technisch identisch gebaut, was eine serielle Sanierung und Aufstockung ermöglicht. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat ein interdisziplinäres Team unter Leitung der Gewofag ein 120-seitiges Konzept für ein "klimaneutrales und klimaresilientes Quartier" und neuen bezahlbaren Wohnraum erarbeitet. Aus verschiedenen Szenarien hat sich die Version mit einer Nachverdichtung von etwa 500 Wohnungen als die vorläufig beste herausgestellt.

(Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/HERE)

Vorgesehen ist auch ein neuer Quartiersplatz, Flächen sollen entsiegelt und möglichst viele Bäume erhalten werden. Zudem bekommen die Wohnungen Balkone. Die Neugestaltung ist in drei Phasen geplant, die Mieterinnen und Mieter sollen währenddessen in ihren Wohnungen bleiben können. Die erste Phase soll schon 2024 mit einer energetischen Sanierung in den Riegeln entlang der Claudius-Keller-Straße beginnen. Ab 2027 sind in einer zweiten Phase weitere Sanierungen sowie Aufstockung und Anbauten mit insgesamt 200 neuen Wohnungen geplant. In der dritten Phase ab 2028 stünden dann der Abschluss der Sanierung und noch einmal Neubau in größerem Stil an. Details dazu sollen Architekturbüros in einem Wettbewerb ausarbeiten.

"Wir beschließen heute ein sehr gutes Viertel", sagte Grünen-Stadtrat Christian Smolka in der Debatte. Er sprach von einem "Präzedenzobjekt", das über die Stadtgrenzen hinaus wirken werde. Christian Köning (SPD) sprach gar von einer "eierlegenden Wollmilchsau", weil es hier gelinge, oft widerstreitende Ziele wie Wohnungsbau und Klimaschutz unter einen Hut zu bringen.

Noch prägen oberirdische Parkplätze das Bild der Gewofag-Siedlung in Ramersdorf, doch das soll sich ändern. (Foto: Catherina Hess)

Lob kam auch aus der Opposition. Man könne aus der Beschlussvorlage "viel über Klimaneutralität lernen", sagte Brigitte Wolf (Linke), etwa wie wichtig die Sanierung von Bestandsgebäuden sei, aber auch, "dass das erste, was wir angehen müssen, die Umstellung auf die Fernwärme ist". Durch den Umstieg von Erdgas auf Fernwärme beim Heizen sänken die Emissionen von Treibhausgasen in den Bestandsgebäuden um 95 Prozent, heißt es in der Vorlage. Dirk Höpner (München-Liste), der das Wachstum Münchens und somit oft auch neue Wohnbauprojekte kritisch sieht, nannte das Konzept "das Beste, was ich in meinen Jahren im Stadtrat gelesen habe".

Grundsätzlich begrüßen auch CSU und FDP das Vorhaben. Sie kritisieren aber, dass der Stellplatzschlüssel von derzeit 0,7 auf 0,3 sinken soll, es also rechnerisch nur noch für 30 Prozent der Wohnungen einen Parkplatz gäbe. Dafür sollen Angebote für Carsharing und Radfahren ausgebaut werden. Obwohl das Quartier nahe einer U-Bahn-Station liege, warne er vor dieser "krassen Reduktion" von Parkplätzen, sagte Fabian Ewald (CSU), die seien dort jetzt schon knapp. Jörg Hoffmann (FDP) ergänzte, er halte es für falsch, dass "die, die da hinziehen werden, sich dem Mobilitätsdiktat beugen müssen und kein Auto mehr haben können".

Zudem mahnte Ewald an, dass schon "vor dem Eintritt in Phase drei" ein neuer Schulstandort benannt werden müsse. Dem stimmte der Grüne Smolka im Prinzip zu, gab sich aber optimistisch, dass eine Lösung machbar sei.

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