Filmreihe:Nachts in Europa

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"E Nachtlang Füürland" ist ein Streifzug durch Berner Kneipen und WGs. (Foto: Ombra-Films)

Clemens Klopfenstein gilt als Vater des Schweizer Autorenkinos. Im Münchner Werkstattkino ist er nun mit einer eigenen Filmreihe zu Gast.

Von Jürgen Moises

Sein filmisches Erweckungserlebnis hatte Clemens Klopfenstein in Rom. Da hatte der Schweizer schon mehr als zehn Jahre lang Kurz- und Experimentalfilme gedreht und drei Jahre als Kameramann für Filmstudenten in München und Zürich gearbeitet. Dann wurde ihm die ganze Filmapparatur aber zu schwerfällig. Und er nutzte 1974 die Gelegenheit, per Stipendium nach Rom zu gehen, um dort den Roman "Die Handschrift von Saragossa" von Jan Potocki zu illustrieren. Was dort entfacht wurde, war eine andauernde Liebe zu Italien (Klopfenstein lebt seit 1975 in Umbrien). Zudem machte er dort bald die Entdeckung, dass man mit Handkamera, neuen Objektiven und hochempfindlichem Material Filme ganz anders drehen kann.

Weil ihm die große Filmapparatur zu schwerfällig war, begeisterte sich Clemens Klopfenstein für die Handkamera. (Foto: Ombra-Films)

Das Ergebnis waren Werke wie "E Nachtlang Füürland" und "Geschichte der Nacht" (beide 1981), welche der Schweizer Filmemacher nun persönlich im Münchner Werkstattkino vorstellt. Denn vom 12. bis 18. Januar ist dort eine von ihm selbst kuratierte, kleine Werkschau zu sehen. Hinzu kommen von ihm ausgesuchte Werke von neueren Schweizer Regisseuren wie Cyril Schäublin und Carmen Stadler sowie Filmklassiker von Godard, Rossellini oder Melville, die zusammen als "Carte Blanche" laufen. Mit Letzteren huldigt er seinen Vorbildern. Denn die Nouvelle Vague, der Neorealismus, auch sie hatten ihn damals beflügelt. Und ihm gezeigt, dass man freier und spontaner drehen kann, mit wenig Budget und wenigen Leuten.

Da es sich dabei meist um eigene Freunde handelte, wurde dafür der Begriff "Cinema copain" geprägt. Und der 1944 in Täuffelen geborene Klopfenstein gilt heute als dessen Vorreiter. Genauso wie er als Vaterfigur des schweizerischen Autorenkinos gilt. Ruhm gab es dafür nie wirklich. Dafür war und ist Klopfenstein zu unangepasst, auch wenn er für "Das Schweigen der Männer" von 1997 den Berner und Schweizer Filmpreis gewann, Filme mit Stars wie Bruno Ganz ("WerAngstWolf") und 1999 auch mal einen " Tatort" gemacht hat. Dazu gehört, dass es sich mal Maler und mal Filmemacher nennt. Auch einer Film- oder Künstlergruppe war er nie wirklich zuzuordnen. Und er dreht der Unabhängigkeit wegen nicht nur mit wenig Geld, sondern agiert oft auch als Autor, Produzent und Kameramann.

In "Ruf der Sybilla" geht es durch die Bergwelt Umbriens. (Foto: Ombra-Films)

In "E Nachtlang Füürland" sieht das Ergebnis so aus, dass Max Rüdlinger als Radio-Sprecher nachts durch Kneipen und WGs in Bern driftet. Für "Geschichte der Nacht" hat Klopfenstein 150 Nächte lang die Straßen und Plätze von mehr als einem Dutzend europäischer Städte in den Stunden nach Mitternacht gefilmt. In "Ruf der Sybilla" geht es mit einem Liebespaar durch Spirituosenläden und die Bergwelt Umbriens. Und im als Preview gezeigten "Das Ächzen der Asche - Die Glocke der Santa Chiara" spiegelt sich Klopfensteins anhaltende Neugier. Denn angeregt wurde das Werk von Tiktok. Ein aus dem Jemen geflohener Junge hat ihn zu dem sozialen Medium gebracht. Die Schnelligkeit, das Hochformat sind Dinge, die ihn begeistern. Und man darf gespannt sein, was er daraus macht.

Carte Blanche für Clemens Klopfenstein, 12. bis 18. Jan., Werkstattkino, Fraunhoferstraße 9, werkstattkino.de

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