Corona-Krise:Wie sich München auf den Lockdown vorbereitet

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Die Schulen bereiten sich auf Homeschooling vor. (Foto: imago images/photothek)

Schulen planen die Notbetreuung, in den Krankenhäusern wird die höchste Krisenstufe ausgerufen - in der Fußgängerzone aber geht es beschaulich zu.

Von Lea Arbinger, Julian Hans und Ekaterina Kel

Schulen und Kitas

Drei Tage vor Beginn der Weihnachtsferien müssen die Schulen wieder schließen und die Schüler in den Distanzunterricht: Von diesem Mittwoch an tauschen Tausende Klassenzimmer gegen Wohnzimmer, Schreibblock gegen Laptop und Tafel gegen Bildschirm.

"Für uns war es eher überraschend, dass es so spät gekommen ist", sagt Schulleiterin Karin Moritz vom städtischen Sophie-Scholl-Gymnasium. Distanzunterricht für alle Schüler sei - zumindest für die Lehrer - besser als Wechselunterricht, das Programm sei dann "wenigstens für alle gleich". Für einen kurzen, absehbaren Zeitraum sei Unterricht aus der Ferne auch kein Problem, "auf Dauer ist es halt keine Lösung".

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"Verrückte Zeiten erfordern verrückte Maßnahmen", sagt Klaus Kathke, Konrektor an der Helen-Keller-Realschule. "Ich hoffe, dass wir die kommende Zeit gut rüberbringen." Die Kollegen seien geschult, auch die älteren. Schüler, die keine Laptops haben, hätten von der Schule Leihgeräte bekommen. "Wir sind gut aufgestellt. Es läuft, würde ich sagen." Mit Sorge aber blickt Kathke auf die fünften Klassen, wie diese mit der neuen Situation zurechtkommen.

Im Frühjahr sei es schwerer gewesen, eine derartige Entscheidung umzusetzen, meint Andreas Kurzlechner, der Geschäftsführer der Kinderbetreuungseinrichtung Kibiku-Kinderhaus. "Da war alles neu, wir mussten alles neu erfinden. Inzwischen sind wir es ja fast schon gewohnt." Auch wenn noch nicht klar sei, welche Familien Anspruch auf Notbetreuung haben, gehen er und sein Team die Tage bis Weihnachten gelassen an. "Dass die Notbetreuung kommt, hängt ja schon seit September wie ein Damoklesschwert über uns."

Das Bildungsreferat geht davon aus, dass es bei der Notbetreuung keine Beschränkung auf systemrelevante Berufe gibt. Kitas rate man dazu, "die Möglichkeit für die Notbetreuung unbürokratisch und großzügig zu lösen". Eine Abfrage für den 21. und 22. Dezember habe "einen hohen Bedarf" aufgezeigt. "Wir gehen davon aus, dass die meisten Einrichtungen gefordert sind, eine Notbetreuung anzubieten."

Für die Kinder der Grundschule an der Bazeillesstraße gibt es laut Rektorin Sonja Schmidt bis zu den Weihnachtsferien täglich Pflicht- und Freiwilligenaufgaben. "Wir wollen schöne und motivierende Aufgaben rausgeben. Es ist ohnehin schon eine anstrengende Zeit", sagt sie.

"Jeder hat damit gerechnet, Schüler wie Lehrer", sagt Petra Riedel-Perizonius, Rektorin an der Mittelschule an der Ichostraße. Bereits im September hätte sich die Schule auf Distanzunterricht vorbereitet. "Wir arbeiten mit Microsoft Teams. Alle Schüler haben einen Zugang und wir haben im Computerraum mit ihnen geprobt." Es klappe gut, die Schulschließung treffe die Mittelschule nicht unvorbereitet. Zu einigen Schülern seien Lehrer sogar nach Hause gefahren, um dort die nötige Technik einzurichten. "Man muss die Schüler an der Hand nehmen", sagt sie.

Krankenhäuser

Wie die Lage in den Krankenhäusern ist? "Angespannt", sagt Dominik Hinzmann. Der Notfallmediziner ist zusammen mit seiner Fachkollegin Viktoria Bogner-Flatz für die Koordinierung der Kliniken verantwortlich. Allein von Samstag auf Sonntag seien 20 neue Intensivpatienten hinzugekommen, nicht nur mit Covid-19. Die Belegungsquote der Intensivbetten mit Covid-Patienten liege bei 30 Prozent. Ende November lag die Quote noch bei etwa 20 Prozent.

Deshalb wurde nun die höchste Stufe des Krisenplans der Staatsregierung ausgerufen. Damit sind jetzt zusätzliche Kliniken dazu aufgerufen, Covid-19-Patienten zu versorgen und Intensivkapazitäten zu schaffen, auch wenn sie eigentlich nicht an der Notfallversorgung beteiligt sind. Wenn möglich, müssen Operationen und Behandlungen verschoben werden. "Wir müssen unsere Ressourcen verstärkt auf das Akutgeschäft legen", sagt Hinzmann.

Auch ohne Covid-19 sei dies eine anstrengende Zeit für die Krankenhäuser. Durch andere Infekte wie die Grippe sei man es gewohnt, dass die Betten im Dezember und Januar knapp werden - nun komme die Pandemie mit erneuter Wucht obendrauf. Eines aber sei klar: "Alle Patienten, die eine intensivmedizinische Versorgung brauchen, bekommen die auch."

Einkaufen

Viele nutzten am Montag die vorletzte Gelegenheit für Einkäufe. (Foto: Florian Peljak)

Die Fußgängerzone rund um den Marienplatz ist an diesem Montagvormittag gut gefüllt, es herrscht allerdings kein Gedränge. Wer kein Zeitgefühl hat, könnte von der Schlenderer-Dichte her meinen, es sei ein normaler weihnachtsfreier Freitag nach Feierabend: Man muss schon ein wenig auf Gegenverkehr achten und kann nicht nur ins Smartphone schauen auf dem Weg zum nächsten Geschäft. Andererseits ist die Dichte noch so überschaubar, dass hier keiner hektisch wird vor Angst, an diesem Tag nicht mehr rein- und dranzukommen.

Wenn es einen Gegenstand gibt, der symbolisch für das steht, was am Montag nach Verkündung des Vorweihnachts-Shutdowns in der Stadt los ist, dann ist es der Desinfektionsmittelspender am Eingang von Karstadt an der Münchner Freiheit. Dessen Pumpmechanismus ist nämlich schon am Mittag total zerschlagen von den vielen Hieben der überwiegend weiblichen Einkäuferinnen. Die Düse versprüht höchstens noch etwas feuchte Luft aus dem letzten Loch. Jemand hat eine Flasche mit Desinfektionsmittel danebengestellt, aber die ist auch schon leer.

Voll ist es dafür vor den Kassen im Erdgeschoss. Die Schlange zieht sich unter Einhaltung der Abstandsregeln durch die ganze Parfümabteilung. Wer bedenkt, dass Oma, Tante oder Onkel fast eine Viertelstunde in dieser Duftwolke den Atem angehalten haben, um ein Geschenk zu erwerben, der weiß die neuen Socken gleich doppelt zu schätzen.

Die Angst, das vorweihnachtliche Endzeitgedränge könnte durch die Beschlüsse der Regierung nun zehn Tage vorgezogen sein, erweist sich an diesem Montag als unbegründet. Vor der Einpackstation wartet nur ein Kunde. Oben in der Spielzeugabteilung steht eine ältere Dame vor einem leeren Regal, nimmt unschlüssig einen Lego-Karton in die Hand und runzelt die Stirn. "Da steht drauf, dass die Kutsche ab acht Jahren ist. Meine Enkelin ist schon 13, aber alle anderen Harry-Potter-Sachen von Lego sind schon weg." Es gibt jetzt noch den Kampfhelm der Stormtrooper aus Star Wars, aber der sieht doch sehr finster aus, außerdem steht "18+" auf der Packung, auch nicht das Richtige für die Enkelin. Die Verkäuferin schiebt einen Container mit Paketen durch den Gang. "Schade, es ist so viel neue Ware gekommen heute früh, und jetzt müssen wir zumachen", sagt sie und stellt ein gewaltiges Forschungsschiff ins Regal.

Je näher das Fest rückt, desto weiter rückt der Lieferant im Ranking der systemrelevanten Berufe nach oben. In der Hohenzollernstraße steht an diesem Montagmittag alle hundert schritte so ein gelber Wagen oder auch ein brauner. Es sind ja nicht nur die vielen Christkinder und Weihnachtsmänner in den Familien, die sich der Dienste von Amazon und anderen Internethändlern bedienen, auch viele Einzelhändler haben in der vergangenen Woche noch Bestellungen an Großhändler geschickt, die jetzt geliefert werden - aber wohl nicht mehr verkauft werden können. "Dear Goods" zum Beispiel, ein Laden für nachhaltige und vegane Kleidung und Geschenke, hat deshalb seine Öffnungszeiten an den verbliebenen Tagen ausgeweitet: Statt um elf öffnen sie schon um neun Uhr.

Andrang gibt es vor den Buchläden. Knallrot leuchtet der große Flachbildschirm am Eingang von Lehmkuhl in der Leopoldstraße. "Bitte haben Sie ein wenig Geduld. Die maximale Anzahl Kunden ist erreicht", steht drauf. Vor der Tür wartet schon ein halbes Dutzend Frauen und Männer. Wenn die alle wegen "The Polaroid Diaries" von Linda McCartney da sind, dann gibt es Streit. Das 1500 Euro teure und von Ex-Mann Paul signierte Buch ist weltweit ausverkauft, Lehmkuhl hat aber noch ein Exemplar.

© SZ vom 15.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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