Wie es nun weitergeht, fragen sich Millionen Menschen in den vom Erdbeben betroffenen Regionen in der Türkei und Syrien. Sie haben Familienmitglieder und Freunde verloren, ihre Häuser sind zerstört, ihre Städte und Dörfer ebenfalls. Bei aller Trauer und allem Leid muss der Blick aber nach vorne gehen, auf den Wiederaufbau, auf das Weiterleben. Die Menschen brauchen Unterstützung, bei einer Internationalen Geberkonferenz in Brüssel wurden vor einigen Tagen sieben Milliarden Euro an Hilfsgeldern angekündigt. Jede Hilfe ist willkommen, auch die Türkischen Filmtage München wollen einen Beitrag leisten. An den Kinokassen werden Spendenboxen aufgestellt, das Erdbeben und seine Folgen sind mit Sicherheit auch Thema bei den Film- und Publikumsgesprächen.
Und davon gibt es jede Menge: Obwohl die diesjährige Festivalausgabe kürzer ist als in den Vorjahren (nur vier Tage), haben sich viele Gäste aus der Türkei angekündigt, Regisseurinnen, Produzenten, Autoren, Schauspielerinnen oder Kameraleute. Fanden die Türkischen Filmtage in den Vorjahren online oder als Hybridveranstaltung statt, geht es nun wieder zurück ins Kino.
Beziehungsweise in zwei Kinos: Eröffnet werden sie am Donnerstag, 30. März, im Rio Filmpalast, alle anderen Filme kann man vom 31. März bis zum 2. April im Neuen Rottmann Kino sehen. Und am Montag, 3. April, gibt es noch eine Art Nachklapp: Da zeigt das City-Kino in Kooperation mit den Türkischen Filmtagen den Polit-Thriller "Burning Days" ("Kurak Günler"), darin geht es um eine Wasserkrise und Politskandale in einer anatolischen Kleinstadt. Der Schauspieler Erdem Senocak wird bei der Vorstellung zu Gast sein.
Auch was das eigentliche Filmtage-Programm betrifft, geht der Blick nach vorne: Der Eröffnungsfilm "Bir Zamanlar Gelecek: 2121" ("Once upon a Time in the Future: 2121") erzählt sogar eine Geschichte aus dem 22. Jahrhundert, von einer Kolonie im Untergrund. Dorthin haben sich die Menschen zurückgezogen, nachdem die Erde durch Klimakrise und Hungersnöte unbewohnbar geworden ist. Doch der Platz unter der Erde ist begrenzt, daher muss für jedes Neugeborene eine alte Person geopfert werden. Das klingt dramatisch, wird aber von Serpil Altın mit viel Humor erzählt. Die Regisseurin und ihr Team wollen ihren Film in München persönlich vorstellen.
Das türkische Filmschaffen ist vielseitig, neben dem Science-Fiction-Auftaktfilm werden auch Komödien, Dramen, Thriller oder Horrorfilme gezeigt. Insgesamt zehn Langfilme und fünf Kurzfilme haben es auf den Spielplan geschafft.
Um Vielfalt geht es auch am "Rainbow Friday": Am Freitag, 31. März, stehen drei queere Filme im Mittelpunkt, unter anderem der Dokumentarfilm "Bu Ben Değilim" ("This is not me") über schwule Familienväter, die in Istanbul ein heimliches Doppelleben führen. Deutlich komödiantischer geht es im Spielfilm "LCV (Lütfen Cevap Veriniz)" - "RSVP (Please Respond)" zu, hier werden kurz vor einer Hochzeit Geschlechterrollen und heteronormative Beziehungen infrage gestellt. Mehrere Teammitglieder, Protagonisten oder Schauspielerinnen wollen bei den Vorstellungen anwesend sein. Am Samstag, 1. April, ist zudem ein Podiumsgespräch über queere Sichtbarkeit im türkischen Kino geplant.
Sichtbar sind bei diesen Filmtagen auch Filmemacherinnen, der letzte Festivaltag ist dem weiblichen Blick gewidmet. Im experimentellen Dokumentarfilm "Cadı Üçlemesi 15+" ("Witch Trilogy 15+") etwa geht es um zwei Frauen, die ihre Männer getötet haben und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Da die Regisseurin Ceylan Özgün Özçelik sie nicht besuchen durfte, schrieben sie ihr Briefe. Diese werden von zwei Schauspielerinnen vorgelesen, es geht um Liebe und Wut, um Trennungen und Träume. Und natürlich auch um die Frage, wie es weitergeht.
34. Türkische Filmtage München, Do., 30. März, bis So., 2. April, www.tuerkischefilmtage.de