Kultur im Herbst:Was die Theater fürs junge Publikum zu bieten haben

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Nachts, wenn die anderen Tiere schlafen, ist der Bär (Enea Boschen) mit dem Mond alleine. Auf Matratzen verfolgen die Zuschauer der Orchesterhauptprobe in der Parkettgarderobe des Nationaltheaters die Geschichte. (Foto: Wilfried Hösl)

Kultiges wie der "Pumuckl" und Premieren wie "Der Mondbär" oder "King A": Diese Stücke ermöglichen Kindern erste Theatererfahrungen - oder vertiefen sie.

Von Barbara Hordych

Was kommt heraus, wenn ein Klabautermann auf einen bayerischen Grantler trifft? Jede Menge Schabernack, das zeigten schon die Hörspiele und die Fernsehserie von Ellis Kaut um den Kobold "Pumuckl" und seinen Gastgeber wider Willen, Schreinermeister Eder. Auch für das Musical von Franz Wittenbrink und Anne X. Weber, das vor drei Jahren im Gärtnerplatztheater uraufgeführt wurde, gilt: Der Besuch lohnt für die ganze Familie. Wunderbar ist dabei nicht nur, wie der Bariton Christian Schleinzer, der schon als Kind mit seinen Schwestern die Serie auf Schallplatten und Kassetten hörte, in der Titelrolle das neue Gesangsfach "Kobold-Countertenor" meistert. Sondern auch, wie es den Requisiteuren gelingt, Zuckerdosen fliegen und den Hammer wandern zu lassen.

Angeklebt: Als Pumuckl, der reimverliebte Kobold mit den roten Haaren (Christian Schleinzer) an den Leimtopf von Meister Eder (Ferdinand Dörfler) gerät, wird er sichtbar - fortan sind die beiden ein Paar wider Willen. (Foto: Christian Pogo Zach)

Seine ganz spezielle Vorliebe verriet Schleinzer bei der Rolle auch schon: Zum "Zwetschgenlied" darf er, ausgerüstet mit einem Hammer, Marmelade kochen - und dabei nach Herzenslust herumsauen, bis er schließlich selbst wie ein Schweinchen aussieht. Nun, wenn das kein Kindertraum ist (Spielzeitpremiere So., 14. November, 16 Uhr; alle Termine unter www. gaertnerplatztheater.de; hier der Trailer auf Youtube)

Storchentanz

Michael Tasche ist als künstlerischer Leiter des Münchner Theaters für Kinder Autor und Regisseur in Personalunion. In seinen Stücken, einerlei ob selbst erfunden oder Bearbeitungen traditioneller Märchenstoffe, wird eigentlich immer gesungen und getanzt. Dazu ist er ein ideenreicher Bastler, wovon seine originellen Figurenkreationen zeugen, die er selbst als "Marionettenzwitter" bezeichnet. Die hatten beispielsweise in der Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit "Kalif Storch" ihren großen Auftritt.

Der ahnungslose Kalif (Daniel Haucke, rechts) kauft einem Händler (Daniel Lambach) einen vermeintlich harmlosen Zauber ab. (Foto: Rolf Demmel)

Dort versuchen die langbeinigen Vögel einen angesagten Modetanz. Dabei gehen sie so unbeholfen zu Werke, dass die heimlichen Beobachter, ein Kalif und sein Diener, in Lachen ausbrechen. Dumm nur, dass ein Zauberer sie dazu verflucht hat, zu genau dem Tier zu werden, über das sie sich lustig machen. Also staksen die beiden fortan als Störche durch Wilhelm Hauffs Kunstmärchen. Und haben Mühe, mit Hilfe ihrer Liebsten und viel List ihre Menschengestalt zurückzugewinnen (Fr., 22. und Sa., 23. Oktober, 15 bzw. 10 Uhr; alle Termine unter www. mtfk.de).

Prinzenrolle

Ähnlich listenreich und lustig geht es auch bei dem zweiten Neuzugang im Spielplan, "König Drosselbart", zu. Eigentlich ist das Märchen eine Variante von "Der Widerspenstigen Zähmung", in der einer Prinzessin mit fiesen Demütigungen Wohlerzogenheit und Bescheidenheit beigebracht wird. Das wollte Tasche so nicht stehen lassen, wie er sagt. Zum Amüsement seiner toughen Prinzessin (und des Publikums) hat er etwa ein herrlich albernes Prinzen-Casting kreiert, in dem Daniel Lambach als Musiker Julian eine Reihe schräger (falscher) Prinzen-Bewerber verkörpert.

Der Prinzessin (Diana Müller) zuliebe schlüpft der Musikus (Daniel Lambach) in gleich mehrere schräge Prinzen-Rollen. (Foto: Rolf Demmel/Münchner Theater für Kinder)

Darunter ein Vielfraß, der sich während der Audienz ständig Leckereien wie Spinnen, Nacktschnecken und Tausendfüßler einverleibt. Oder er kommt als übel riechender Dreckspatz daher, der auch noch stolz darauf ist, sich nie waschen zu müssen. Weil der Dreck angeblich von selbst von ihm abfalle. Und natürlich bekommt seine Prinzessin (Diana Müller) zum Schluss einen richtigen Musikus zum Mann. Wenn das kein Grund zum Singen und Tanzen ist - auch mit den Kindern im Publikum (So., 31. Oktober, 15 Uhr; So., 7. November, 15 Uhr; alle Termine unter www.mtfk.de).

Ritterherz

Auch in Inèz Derksens Stück "King A - Eine Ode an jedes Ritterherz", mit dem Andrea Gronemeyers Schauburg in die neue Saison startet, steckt Musik drin. Aber auch wenn König Artus, Lancelot und Königin Guinevere zur Gitarre singen, Merlin kräftig auf das Becken schlägt, geht es hauptsächlich um ernsthafte Reflexion. Denn was ist ein Ritter? Dieser Frage muss sich Artus (Hardy Punzel) stellen, als er ein Schwert aus einem Stein zieht und plötzlich König aller Ritter ist. Gemeinsam diskutiert man auf kreisrund aufgestellten, gold lackierten Plastikstühlen über Gesetze, die man sich selbst und dem Volk geben kann und soll. Die Tafelrunde als Modellprojekt für die Demokratie. Ist es noch zeitgemäß, auf Drachenjagd zu gehen? Oder soll man doch lieber ein Schutzreservat für die Fabeltiere errichten? Da gehen die Ansichten auseinander. Und wenn Lanzelot, der beste Freund von König Artus, sich in dessen Frau Guinevere verliebt - ist das ein Verrat, der bestraft werden muss? Oder etwas, was ein verständnisvoller Freund und König dulden kann?

Kaum ist das Schwert aus dem Stein gezogen, beginnen die Diskussionen um die wahre Ritter-Ehre: König Artus (Hardy Punzel, links) und Kai (Angelina Berger). (Foto: Cordula Treml)

Treue, Ehre, Ritterschaft - das sind Themenfelder, die die Helden und Heldinnen unter sich ausloten müssen. Das war schon vor mehreren Jahrhunderten nicht einfach und besaß diskursive Sprengkraft. Und wird nicht leichter, wenn auch noch das Ökosystem und die Frauenemanzipation oben draufgepackt werden (Fr., 22. Oktober, 19 Uhr; alle Termine unter www.schauburg.de).

Wagnerhasen

In eine Schlacht ganz anderer Art stürzen sich die Helden im "Sängerkrieg der Heidehasen". Die Musiktheater-Produktion nach James Krüss' Hörspiel in der Regie von Dominik Wilgenbus verlegt den Wagnerschen Sängerkrieg von der Wartburg ins Hasenmilieu im Hofspielhaus. Mit der "Kuh Carmen" ist es die zweite Kinder-Oper-Musical-Produktion aus Dominik Wilgenbus' Feder. Bass Burkhart Kosche, hauptberuflich im Haus schräg gegenüber im Staatstheaterchor beschäftigt, ist mit enormer Stimme und Spielfreude in dem einen wie in dem anderen Stück dabei.

Burkhart Kosche (links) als Direktor Wackelohr wirbt um die Hand der hübschen Hasenprinzessin (Marina Granchette). Doch die hat längst den feschen Hasen "Lodengrün" im Sinn. (Foto: Verena Mittermeier)

In der "Kuh Carmen" gibt er den temperamentvollen Stier, im "Sängerkrieg der Heidehasen" ist er als Direktor Wackelohr der einzige Hase, der mit seiner Stimme "hinunter bis zum tiefen Zeh kommt", wie er stolz betont. Angetan mit einem riesigen Bauch, bewirbt er sich um die Hand der hübschen Hasenprinzessin. Doch die hat vielmehr den feschen jungen Hasen "Lodengrün" im Sinn (Sa., 27. November, 15 Uhr; alle Termine: www.hofspielhaus.de; hier der Trailer auf Youtube)

Mondsüchtige

Dass dem neuen Staatsopern-Intendanten Serge Dorny die Vermittlung von Musiktheater schon für die Jüngsten besonders am Herzen liegt, wie er sagt, glaubt man ihm sofort: Bei der Orchesterhauptprobe zu dem Musiktheaterstück "Der Mondbär" sitzt er ebenso wie seine Mitarbeiter und ihre Kleinkinder mit vorsichtig gefalteten Gliedmaßen auf einer Matratze am Boden der Parkettgarderobe. Man ist also mittendrin im Geschehen, wenn sich Bär, Hase, Dachs, Specht und Rabe im Wald begegnen. Der wird von einem (Luftballon-)Mond erleuchtet, der oben von der Decke baumelt. Als der Bär ihn sich mit einem langen Lasso herunterholt und mit in seine Höhle nimmt, sitzen die anderen Tiere im Dunkeln.

Der Mond ist fort! Hase (Jasmin Delfs) und Dachs (Christian Rieger) begeben sich auf die Suche. (Foto: Wilfried Hösl)

"Der Mond ist fort" intonieren sie - eine Sopranistin, eine Mezzosopranistin, ein Tenor und ein Bariton - ebenso traurig wie schön ein Chorstück aus Carl Orffs Oper "Der Mond". Wie sie den Bär davon überzeugen, den Mond wieder herauszurücken, auf dass er für sie alle scheinen kann, erzählt diese von Sarah Scherer inszenierte Produktion nach dem Bilderbuch von Rolf Fänger und Ulrike Möltgen in zart poetischen Bildern und Tönen. Richard Whilds hat die Musik komponiert und für Kontrabass, Harfe, Altflöte und Vibraphon arrangiert. Integriert hat er dabei bereits existierende Lieder wie "Der Mond ist aufgegangen", die Arie "Lied an den Mond" aus Dvořáks Oper "Rusalka" oder das Klavierstück "Claire de Lune" von Claude Debussy. Der Andrang der musik-affinen Münchner Familien und Kindergärten auf die Matratzenplätze ist groß - weshalb man schon jetzt Zusatzvorstellungen angesetzt hat (Premiere Sa., 23. Oktober, 14 Uhr; alle Termine: www.staatsoper.de).

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