Kultur in der Corona-Krise:"Wir alle müssen uns das Theater langsam zurück erobern"

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Die Türen gehen wieder auf, aber so dicht wird man auch in den Kammerspielen lange Zeit nicht mehr sitzen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchner Bühnen planen die Wiedereröffnung. Aber vor allem an den kleinen Häusern fragt man sich, ob sich das rechnet.

Von Christiane Lutz und Egbert Tholl, München

"Ich seh' Sie im Resi", sagt Andreas Beck, Intendant des Residenztheaters zuversichtlich. "Wir könnten sofort spielen", sagt auch Josef E. Köpplinger, Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Große Zuversicht also bei den Staatsintendanten, was die Wiedereröffnung ihrer Häuser betrifft. Das Gärtnerplatztheater müsste nicht mal bis dahin warten, was daran liegt, dass man dort in den vergangenen Wochen vielfältige kleine Formate ersann, die allesamt von den Behörden verboten worden waren.

Die Musiker, die dies unbedingt wollten, durften nicht einmal aus den Fenstern des Foyers hinaussingen oder -spielen, es könnten ja Passanten in ungebührlichen Abstand zueinander stehen bleiben. In einem Testlauf waren diese aber sehr vorsichtig - und verdrückten nach drei Minuten Live-Musik eine Träne.

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Von 15. Juni an also dürfen Theater in Bayern wieder öffnen, das verkündete die Staatsregierung am Dienstag - unter strenger Einhaltung aller Hygienevorschriften. Dabei gibt es kein Pauschal-Konzept für alle, jedes Haus ist nun eifrig damit beschäftigt, die Vorgaben in eine für alle verträgliche Realität umzusetzen. Am 15. und 16. Juni jedenfalls wiedereröffnet das Gärtnerplatztheater mit der Idee "König für einen Tag", angelehnt an Ludwig II., der bereits vorgemacht hatte, wie es ist, wenn man allein im Theater sitzt.

Ganz allein ist man aber nicht, 50 Menschen werden in den Logen verteilt, Pärchen, Familien dürfen nebeneinander sitzen. Mehr dürfen es laut Vorschrift im geschlossenen Raum erst mal nicht sein. Die müssen dann auch während der ganzen Vorstellung, die ohne Pause stattzufinden hat, Maske tragen.

Am 17. Juni folgt am Gärtnerplatztheater ein Modul, bei dem das Publikum auf der Bühne platziert wird, und Musiker und Sänger auf dem hochgefahrenen Graben und im Zuschauerraum verteilt werden. Die Formate sind auch zweimal am Tag möglich, gespielt wird täglich, es gibt Musik, Gesang und auch Texte zur Musik - man ist ja ein Theater. Dessen feste Mitarbeiter ja ohnehin da sind, in Lohn und Brot stehen und einfach was machen wollen.

Aber Köpplinger mahnt: "Vergesst bitte die kleinen Theater nicht!" Die freien Bühnen also, von deren ohnehin nicht so zahlreichen Plätzen unter den gegeben Bestimmungen nur wenige übrig bleiben und die auch noch jedes Mal, wenn sie spielen, Schauspieler bezahlen müssen. Womit? Vor allem mit Enthusiasmus, die Einnahmen über Eintritte werden ja sehr bescheiden ausfallen. Ohne staatliche und städtische Hilfe ist da auf längere Sicht kaum ein Überleben möglich.

Lorenz Seib, Leiter des privaten Tams in Schwabing, ist notgedrungen optimistisch - "das Tams gibt es seit 50 Jahren, es wird es auch weiterhin geben" - aber natürlich hat auch er überlegt, wie man würdevoll weitermacht, wenn man schon nicht halbwegs wirtschaftlich weitermachen kann. Das Tams hat 70 Plätze auf fünf Reihen verteilt, Reihe Zwei und Vier haben sie schon ausgebaut, mit Abstand bleiben da noch 18 Plätzchen. Er hat für das Theater Soforthilfe beantragt und einen Theaterparcours entwickelt.

Bei dem treffen zwölf Zuschauer nacheinander an verschiedenen Stationen auf Schauspieler. Das lässt sich besser realisieren, als bestehende Produktionen jetzt coronatauglich umzuinszenieren. Uminszenieren, das ist auch so einer der neuen Corona-Begriffe. An den städtischen Kammerspielen wird man versuchen, "The Vacuum Cleaner" und "Die Räuberinnen" umzuinszenieren, was bei den Räuberinnen nach einem wilden Plan klingt, lebt der Abend doch von Zuschauerinteraktion und In-den-Zuschauern-Aktionen.

Vor allem aber möchte Matthias Lilienthal pünktlich am 15. Juni zwei Premieren zeigen, sofern der Personalrat zustimmt: "Wunde R" von Enis Maci in der Regie von Felix Rothenhäusler und "Oracle" von Susanne Kennedy. "Wunde R" soll in der Kammer 3 vor 15 Zuschauern gespielt werden, "Oracle" wird nur für je einen Zuschauer sein. Einen täglichen Spielbetrieb aber hält Lilienthal nicht für realistisch, die Kunst habe hinten anzustehen. Nur will er die gerade geprobten Arbeiten zu Ende bringen, "damit die nicht als Coronatote auf der Straße rumliegen. Nicht ganz unwichtig ist auch, dass seine Intendanz im Sommer endet und er Produktionen nicht in den Herbst verschieben kann.

Anders als Andreas Beck am Residenztheater, der ja erst im Herbst angefangen hat. Das Resi wird nach Pfingsten "schritt- und tageweise" öffnen. Erst mit einem Theaterparcours durch das ganze Haus. Die Wiedereröffnung müsse noch geübt werden, man denke über, genau, Uminszenierungen nach. Beck sagt: "Wir alle müssen uns das Theater langsam zurück erobern."

Wie man es auch betrachtet: Die Wiedereröffnung der Theater ist mit erheblichem Mehraufwand und mit Mehrkosten verbunden. Zwar beschwert sich keiner laut darüber, dafür lieben sie ihre Kunst zu sehr, und wirtschaftlich ist Theater ohnehin nie, muss es auch nicht sein. Aber sicher stellt sich die Frage, wie es sich lohnen kann, ein großes Theater für nur 50 Leute aufzusperren. Die Staatsregierung übergibt hier schlau die Verantwortung an die Häuser. Sicher aber ist: Alle wollen spielen. Oder wie Andreas Beck sagt: "Wir sind so weit: Trauen Sie sich!"

© SZ vom 28.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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